Wasserburg/Bad Aibling/ Traunstein – Ein Pärchen, er 26, sie 30 Jahre alt, beging 2016/2017 mutmaßlich eine Reihe von Straftaten im Landkreis Rosenheim und darüber hinaus. Bei Einbrüchen sowie Auto- und Automatenaufbrüchen erbeuteten der Wasserburger und die Bad Aiblingerin, die zuletzt in Wipperfürth in Nordrhein-Westfalen wohnten, laut Anklage teils allein, teils zu zweit Wertsachen und Bargeld im Gesamtwert von über 80000 Euro. Unter anderem knackten sie Fahrkartenautomaten der Bayerischen Oberlandbahn in Aßling, Großkarolinenfeld und Geitau, in Bernau und Bad Tölz Parkautomaten. Vor der Zweiten Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs legte die 30-Jährige gestern ein Geständnis ab, während der 26-Jährige zu den Vorwürfen schwieg. Der Prozess wird am 18. Dezember um 9 Uhr fortgesetzt.
Nach Verlesung der Anklage durch Staatsanwältin Dr. Kerstin Spiess passierte gestern zweieinhalb Stunden lang nichts im Sitzungssaal. Stattdessen verhandelten Gericht, Staatsanwältin und die Verteidiger, Dr. Markus Frank und Harald Baumgärtl, beide aus Rosenheim, im Beratungszimmer über denkbare Strafhöhen im Fall von vollen Geständnissen. Die Ergebnisse der Beratungen wurden nicht bekannt gegeben.
26-Jähriger schon
öfter im Gefängnis
Die Angeklagten hatten sich im November 2015 kennengelernt und in der ersten Jahreshälfte 2017 wieder getrennt. Der 26-Jährige, der schon einige Male im Gefängnis saß, schwieg zum Inhalt der Anklage unter Berufung auf sein Aussageverweigerungsrecht. Zu seinem Leben schilderte der Auszubildende massiven Alkohol- und Drogenkonsum ab etwa dem 13. Lebensjahr. Seit 2006 sei er deshalb immer wieder straffällig geworden. Er führte alles auf seinen Drogenkonsum zurück, der sich nach und nach gesteigert habe. Auch zuletzt im Gefängnis habe er sich Suchtmittel besorgt. Einen Führerschein habe er nie gemacht. Dennoch fuhr der 26-Jährige viele Male mit dem Pkw der 30-Jährigen. Der Angeklagte betonte, er habe noch nie eine Therapie erfolgreich absolviert. Er wolle weg von den Drogen: „Ich will irgendwann draußen straffrei leben.“
Die 30-Jährige hatte nie Suchtprobleme. Ihr Verteidiger Harald Baumgärtl gab eine Erklärung ab. Seine Mandantin räume alle sie betreffenden Punkte der Anklage ein und sei bereit, auf Fragen zu antworten. Warum sie an einigen der Straftaten mitgewirkt habe, wisse sie nicht, meinte sie auf Frage des Vorsitzenden Richters. Von der Beute wollte sie ziemlich wenig abbekommen haben. Das meiste Geld sei in Drogen für ihren arbeitslosen Freund geflossen. Erich Fuchs hakte nach: „Warum haben Sie mitgemacht?“ Die Antwort der 30-Jährigen: „Es war Dummheit und Befriedigung, dass er weitermachen kann mit Drogen.“ In Details der Taten ihres Freundes war die 30-Jährige nach ihren Worten nicht eingeweiht.
Den Anklagepunkt „verbotene Prostitution“ stellte die Kammer gestern auf Antrag der Staatsanwältin vorläufig mit Blick auf die restlichen Vorwürfe ein. Die Angeklagte hatte zwischen Herbst 2016 und Anfang Februar 2017 über eine Internet-Seite ihre Liebesdienste angeboten. Ein Freier lud sie zweimal in seine Wohnung in Kiefersfelden ein und bezahlte je Schäferstündchen 300 Euro. Nicht klar wurde gestern, wofür vier Umzugskartons füllende Erotikartikel und Sexspielzeug dienen sollten. Sie wurden mit weiteren Waren für mehr als 5000 Euro mit einer bei einem Einbruch im Dezember 2016 in Stephanskirchen erbeuteten EC-Karte gekauft.
Im Raum stand „gewerbliche Nutzung“. Die 30-Jährige wies das zurück. Die in einer Zweitwohnung originalverpackt sichergestellten Erotika seien ausschließlich für ihren privaten Bedarf bestimmt gewesen.
Durch Geldabhebungen an Automaten und einige Einkaufsfahrten mit der besagten EC-Karte richtete das Pärchen allein einen Schaden von mehr als 18000 Euro an. Bei einem Beutezug in Feldkirchen-Westerham fielen dem 26-Jährigen bei einem seiner kriminellen Alleingänge Schmuck, Münzen und ein Möbeltresor mit einem Gesamtwert von 22 000 Euro in die Hände.
Vor einem Rätsel standen die Prozessbeteiligten mit Blick auf den Einbruch in Stephanskirchen. Ein dort gestohlener Stahltresor wog 175 Kilogramm. Das Gericht wollte nicht glauben, dass der 26-Jährige den Geldbehälter alleine in das Auto gewuchtet haben sollte. Das hatte zumindest die Angeklagte ausgesagt. Ein Polizeizeuge von der Kripo Rosenheim vermutete, mehrere Täter müssten beim Abtransport zusammengewirkt haben. Objektive Beweise dafür seien jedoch nicht gefunden worden.
Unter dem Strich erreichte der Beuteschaden eine Größenordnung von 80000 Euro. Der Sachschaden war noch deutlich höher. Ein Bundespolizist, zuständig für die aufgebrochenen Fahrkartenautomaten der Bahn, bezifferte den Sachschaden mit 29 500 Euro pro Gerät. Die beiden Polizeibeamten informierten das Gericht bei ihren Aussagen über aufwendige Ermittlungsarbeit, die viele an der Aufklärung der Delikte beteiligte Dienststellen geleistet hatten.