Zum Advent

Der erste Schnee

von Redaktion

Also ganz ehrlich: Schizophren veranlagt bin ich nicht. Weihnachts- und Geschenke-Stress und der Retter in der Krippe? Brüllendes „Stille Nacht“-Gedudl in Warenhäusern und auf Märkten und stade Zeit? Geht für mich irgendwie nicht zusammen. Da krieg ich die Krise. Und dann erst das pünktlich zur Vorweihnachtszeit einsetzende Gejaule von wegen Stress. Haben wir den denn nicht das ganze Jahr über? Mein Stressmaximum ist übrigens im August. Dann haben nämlich meine drei Kinder Geburtstag. Eng getaktet. Das ist Stress! Ehrlich!

Aber geht es an Weihnachten wirklich nur um Stressminimierung oder suchen wir in all dem Gehetze nicht einfach nur jenes selige Gefühl aus Kindertagen?

Mein Weihnachtsgefühl kommt mit dem ersten Schnee! Da freue ich mich wie Schneekönigin. Ich schaue aus dem Fenster und staune. Alles ist weiß überzuckert oder gar tief verschneit. Glück pur. Ich spüre die Kälte draußen und die Wärme im Haus. Die Landschaft ist weiß, der Schnee glitzert, alle Bewegungen scheinen verlangsamt, Geräusche gedämpft – eben die stade Zeit.

Und sollte es einmal nicht bis Weihnachten schneien, dann hole ich ein gerahmtes Bild heraus. Dieses habe ich vor Jahren einmal völlig überraschend von meiner Tochter geschenkt bekommen. Es ist eigentlich ein Werbefoto. Es zeigt von hinten einen Mann, warm angezogen mit einem langen Lodencape, den Hut tief über den Kopf gezogen. Zusammen mit seinem kleinen Sohn kommt er aus dem Wald. Er schleppt schwer am Christbaum, der Bub hat eine kleine Laterne in der Hand. Die Dunkelheit wird gleich hereinbrechen. Sie stapfen gemeinsam durch den tiefen Schnee eine Anhöhe hinauf. Oben steht ein Bauernhaus, aus den Fenstern blinkt verheißungsvoll helles Licht, das den beiden den Weg weist. Wie einst den Weisen aus dem Morgenland?

Und da ist es wieder, mein Weihnachtsgefühl: Alles ist dunkel, nur am Christbaum brennen die Kerzen. Und alle sind da! Friedlich, glücklich. Eben Weihnachten.

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