Rosenheim – Joachim Wiesböck, Geschäftsführer der in Rohrdorf ansässigen ORO Obstverwertung eG, stellte bei der Sitzung des Kreisausschusses im Aiblinger Rathaus den Gemeinschaftsgedanken in den Vordergrund. Lokale Aktionsgruppen, Obstbauern, die Keltereien in der Region und die Politik sollen nach seinen Vorstellungen an einem Strang ziehen, um das von der SIC ins Auge gefasste Ziel zu erreichen. „Jetzt ist die Zeit, um unsere Streuobst-Bestände nicht nur zu erhalten, sondern auch wieder zu vermehren“, sagte er, als ihm Landrat Wolfgang Berthaler (CSU) im Gremium das Wort erteilte. Letztlich war sein Werben von Erfolg gekrönt. Der Kreisausschuss stimmte gegen die Stimme des Pruttinger Bürgermeisters Hans Loy (CSU) der von der SIC beantragten finanziellen Beteiligung des Landkreises an dem Projekt zu. Sofern sich der Landkreis Traunstein in gleicher Höhe beteiligt – dort bewilligten die Kreisgremien keinen Zuschuss und übertrugen die Entscheidung darüber dem Landschaftspflegeverband – sollen aus Rosenheim für die nächsten fünf Jahre rund 39000 Euro für das Projekt fließen. Die Summe wird aufgeteilt in Jahresraten von jeweils rund 7800 Euro.
60 Prozent der Gesamtkosten in Höhe von etwa 228000 Euro, die in diesem Zeitraum nach Berechnungen der Landkreisverwaltung anfallen, sollen über das sogenannte Leader-Programm der EU abgedeckt werden. Im Boot sitzen auch vier Keltereien aus beiden Landkreisen (ORO, Greimel, Stöger, Pölz), bei denen eine hohe Nachfrage nach biozertifiziertem Obst besteht. Sie kann aktuell aus den Beständen der Region nicht gedeckt werden. Die Keltereien wollen laut Landkreisverwaltung das Projekt unterstützen und sind an einer Zusammenarbeit interessiert – auch in dem Wissen, dass die in den meisten Obstangern der Region wachsenden Früchte die Kriterien des biologischen Landbaus bereits erfüllen. Aufgrund des finanziellen und verwaltungstechnischen Aufwands nimmt ein Großteil der Obstbauern jedoch keine Bio-Zertifizierung vor.
Genau da will Wiesböck ansetzen, dem eine Sammelzertifizierung der Streuobstwiesen über die SIC vorschwebt. Das würde den finanziellen und den bürokratischen Aufwand hierfür verringern. Wenn die Landkreise Traunstein und Rosenheim die beantragten Mittel zur Verfügung stellen, sei die Finanzierung für die nächsten fünf Jahre gesichert, so Wiesböck. Die Wirtschaftlichkeit des Projekts stellten die Keltereien als Abnehmer des Obstes sicher. Zudem wollten sie sich ebenfalls mit rund 80000 Euro an den Gesamtkosten beteiligen. Die Mittel aus dem Leader-Programm dienten laut Wiesböck als Anschubfinanzierung. „Mit dem Projekt wollen wir die Zukunft der Streuobstwiesen für die nächsten 50 bis 60 Jahre sichern“, betonte der ORO-Geschäftsführer im Kreisausschuss.
Die Beteiligung aus Traunstein vorausgesetzt, signalisierte CSU-Fraktionssprecher Felix Schwaller Zustimmung zu dem Antrag. Für die zaudernde Haltung im Nachbarlandkreis hatte er kein Verständnis. „Es geht nicht nur ums Obst, es geht auch um die Obstbauern. Das Bewusstsein für ihre Arbeit müssen wir wieder mehr stärken“, ist Schwaller überzeugt. Da befand er sich im Einklang mit Sebastian Friesinger (CSU) und dem Landrat, der die Streuobstwiesen auch „als Werbung für die Region“ einstufte. Georg Reinthaler (Bündnis 90/Die Grünen) forderte den Landkreis auf, „ein klares Signal in Richtung Traunstein“ zu senden. „Hoffen wir, dass die ihre Meinung ändern.“
Fraktionssprecher Sepp Hofer von den Freien Wählern stimmte zwar zu, frei von Skepsis war er jedoch nicht. „Warum sollen wir das Projekt eigentlich mit öffentlichen Geldern fördern, wenn viele Leute ihr Obst im Garten nicht einmal aufklauben?“ Hans Loy begründete seine Ablehnung mit einem Blick zurück. „Die Bürgermeister haben das Projekt schon vor Jahren diskutiert und sich nicht mehrheitlich dafür erwärmt. Ich kann deshalb dem Antrag nicht zustimmen.“