„OVB-Leser zeigen Herz für Hospizbewegung“

Den Tagen Leben schenken

von Redaktion

Was ist Lebensqualität? Für jeden Menschen bedeutet das etwas anderes. Eine Radltour machen. Den Blick in die Berge genießen. Oder einfach nur daheim sein. Im eigenen Bett schlafen, im eigenen Bett einschlafen – ganz ohne Schmerzen. Auch wenn es für immer ist.

Rosenheim/Bernau – Das Leben ist kein Wunschkonzert, heißt es. Das Lebensende auch nicht. Oft geht dem Tod eine unheilbare Krankheit voraus – eine schwere Zeit für Betroffene und Angehörige. Deshalb gibt es Menschen wie Christa Zepper. Sie ist eine Brückenschwester der ersten Stunde im Netzwerk Hospiz. „Unser Ziel ist, dass in Zukunft immer mehr Menschen die Möglichkeit haben, zu Hause in der vertrauten Umgebung oder in einem stationären Hospiz in Frieden und Würde sterben zu können“, sagt Zepper.

An ihrer Seite steht Dr. Robert Kühnbach. „Nur mit wenig Technik ist auch beim Patienten zu Hause viel möglich, zum Beispiel Bauch- oder Lungenwasser ablassen“, fügt er hinzu.

Die OVB-Heimatzeitungen treffen die AAPV-Schwester und den Ärztlichen Leiter des SAPV-Teams (siehe Kasten) an einem für die Hospizbewegung bedeutsamen Ort in Bernau. Zepper und Kühnbach stehen auf einer verschneiten Wiese an der Baumannstraße – die Berge im Rücken, vor ihnen ein verfallenes Haus, das bald Platz macht für einen Neubau: das Chiemseehospiz.

Dem Hospiz in Bernau ist ein Großteil der OVB-Aktion „Leser zeigen Herz“ gewidmet. Die überwältigende Resonanz (siehe links) ist auch Ausdruck der Wertschätzung und des Dankes für die großartige Arbeit, die das Netzwerk Hospiz in den Kreisen Traunstein und Berchtesgadener Land leistet.

Brückenschwestern wie Christa Zepper müssen viel Erfahrung, Weitblick, Empathie und Zeit mitbringen, um unheilbar kranken Patienten Sicherheit zu geben, sie Vertrauen fassen zu lassen, ihnen Ängste zu nehmen und ihre Schmerzen zu lindern.

„Zunächst schauen wir aber genau auf die belastenden Symptome unserer Patienten“, erläutert sie. Dann entwickeln sie gemeinsam mit Hausärzten und Netzwerk-Hospiz-Ärzten wie Dr. Kühnbach ein ambulantes medizinisches Konzept, das auch im Notfall zu jeder Tag- und Nachtzeit greift. Nur so können sich Patienten und Angehörige sicher fühlen – und damit die ansonsten unvermeidlichen, nervenaufreibenden, meist überflüssigen und teuren Klinikeinweisungen vermieden werden.

Manchmal dauert eine Begleitung viele Monate lang, manchmal nur ein paar Tage. Oft geht sie weit über das medizinisch Erforderliche hinaus. Zum Beispiel, wenn es für den Patienten darum geht, mit einem Menschen Frieden zu schließen. Oder wenn es Spannungen und Zwist in Familien gibt. Zepper erinnert sich an die Schwiegertochter einer Patientin. „Schwester Christa, danke für das gute Gespräch. So ein gutes Gespräch habe ich noch nie geführt“, sagte sie unter Tränen. Zepper: „Dabei war es gar kein Dialog. Ich habe nur eine Stunde aufmerksam und konzentriert zugehört, weil ich mir die Zeit nehmen durfte.“

Auch Ärzten kann ein Hausbesuch die Arbeit und den Zugang zum Menschen erleichtern. „In der Klinik tragen alle Patienten ein Einheitshemd, daheim reicht oft schon ein Blick, um etwas über den Patienten zu erfahren“, sagt Kühnbach. Dort ist der Arzt zu Gast beim Patienten, nicht umgekehrt. Dort gelten seine Regeln. Muss man die Schuhe ausziehen? Hängen Bilder von den Enkeln an der Wand? Welches Buch liegt auf dem Tisch?

Kühnbach ist auch ein Pionier im Netzwerk aus Hospizbegleitung und Palliativmedizin. Vor seiner Zeit in Traunstein arbeitete er in Mühldorf im Anna-Hospizverein, der in Bayern die ersten ambulanten Palliativversorgungen im ländlichen Raum möglich machte.

Aber es gibt Patienten, die man nicht allein daheim lassen kann. Weil es im Single-Zeitalter niemand gibt, der sich um sie kümmert. Oder weil es besondere Krankheitsbilder nicht zulassen. Für sie könnte das Chiemseehospiz zu einer Oase werden, in der zwei Grundsätze der Hospizbewegung in idealer Form verwirklicht werden: so viel Therapie wie nötig und so wenig wie möglich. Und: nicht dem Leben Tage schenken, sondern den Tagen Leben.

AAPV und SAPV

Die Brückenpflegekräfte der Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung (AAPV) im Netzwerk Hospiz ergänzen das Versorgungsnetz bei stabilem Krankheitsgeschehen, vor allem mit Hausbesuchen. Grundlage ist ein palliativer Behandlungsplan. Die Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) kommt zum Einsatz, wenn der Bedarf den Rahmen der AAPV übersteigt und ein multiprofessionelles Palliativteam erfordert. In den meisten Fällen wird so eine Klinikeinweisung vermieden.

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