Nach den tödlichen Messerstichen von Prien

Anklage sieht religiösen Fanatismus als Mordmotiv

von Redaktion

Musste Farimah S. (38) aus Afghanistan sterben, weil sie ihren späteren Mörder gefragt hatte, ob auch er vom Islam zum Christentum konvertieren will? Die Staatsanwaltschaft sieht darin das Motiv für die schreckliche Bluttat.

Prien/Traunstein – Am kommenden Dienstag beginnt der Prozess gegen Hamidullah M. (29), einen Asylbewerber aus Afghanistan – wegen „Mordes an einer christlich Konvertierten“, wie es in der Prozessvorschau des Landgerichtes Traunstein heißt. Angesetzt sind am Schwurgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs vier Verhandlungstage.

Zu dem abscheulichen Verbrechen war es Ende April an einem frühen Samstagabend vor einem Supermarkt in Prien gekommen. Vor den Augen der fünf und elf Jahre alten Kinder von Farimah S. stach der Täter mit einem Messer auf die 38-jährige Frau ein, die gerade mit einem Einkaufswagen aus dem Supermarkt kam.

Hamidullah M. fiel über sein Opfer her, stach immer wieder auf die Übersetzerin ein. Auch mehrere Kunden mussten die Bluttat mit ansehen. Sie versuchten vergeblich, der vierfachen Mutter das Leben zu retten, warfen einen Einkaufswagen und einen Bauzaun auf den Messerstecher. Aber auch davon ließ er sich nicht abhalten. Als Zeugen – darunter ein Polizeibeamter, der nicht im Dienst war – den 29-Jährigen trotz heftiger Gegenwehr überwältigen konnten, kam für Farimah jede Hilfe zu spät. Der Afghane hatte der 38-jährigen Frau tödliche Stichwunden zugefügt. Sie starb auf dem Weg ins Krankenhaus.

Die Staatsanwaltschaft sieht religiösen Fanatismus als Mordmotiv. Offenbar hatte die westlich orientierte Frau, die seit mehreren Jahren in Prien lebte und den christlichen Glauben angenommen hatte, ihren Landsmann einmal gefragt, ob auch er konvertieren wolle. Das sei mit dem Weltbild des Muslims nicht vereinbar gewesen.

Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde das Opfer Anfang Mai in Prien beigesetzt. „Farimah hat ihr Christsein mit dem Leben bezahlt – so müssen wir vermuten. Aber Farimah hat auch ihr Recht auf Selbstbestimmtheit und Freiheit mit dem Leben bezahlt“ sagte der evangelische Seelsorger Karl-Friedrich Wackerbarth in seiner Trauerrede. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Afghanen nun Mord aus niedrigen Beweggründen und Heimtücke vor.

Wie die Ermittlungen der Polizei ergaben, hatten Opfer und Täter weder eine Beziehung zueinander noch waren sie gute Freunde oder Bekannte. Farimah S., die 2011 nach Bayern kam, war in Prien und Umgebung immer wieder als Dolmetscherin gefragt, wenn es um Asylbewerber aus Afghanistan ging. Vermutlich hatte sie ihren Mörder dabei flüchtig kennengelernt.

Sein Opfer soll Hamidullah M. an dem verhängnisvollen Samstagabend zufällig beim Einkaufen gesehen und dabei den Entschluss gefasst haben, die Frau zu töten. Laut Anklage radelte er zu seiner etwa 500 Meter entfernten Unterkunft zurück, um die Tatwaffe zu holen. Dann kam er zurück, wartete auf die 38-Jährige und stach wie besessen zu. Laut Obduktionsbericht waren es insgesamt 16 Stich- und Schnittverletzungen. Das Messer hatte eine 20 Zentimeter lange und bis zu 4,5 Zentimeter breite Klinge.

Der in Rahmatabad im Norden Afghanistans geborene Mann war 2013 nach Deutschland geflüchtet, 2014 nach Prien gekommen und hatte sich dort als Flüchtling mit Duldungsstatus in einer Gemeinschaftsunterkunft aufgehalten. Ende 2016 bekam er einen Ablehnungsbescheid, danach soll er mehrmals in psychiatrischer Behandlung gewesen sein.

Nach dem Mord wurde Hamidullah M. vorläufig in der Psychiatrie untergebracht. Nach einem entsprechenden Gutachten kam er in Untersuchungshaft in ein Gefängnis.

Nach Erkenntnissen unserer Zeitung ist der 29-Jährige Analphabet. Seine Kollegen im Rimstinger Bauhof, wo er zeitweise arbeitete, hatten aber den Eindruck, dass der Afghane gängige Sätze im Alltag relativ gut versteht. Deutsch sprechen konnte er allerdings kaum. Weil der Flüchtling weder lesen noch schreiben konnte, klappte es auch in Kursen nicht wie erhofft mit dem Deutschlernen.

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