Amerang/Landkreis – Die von Bürgern und Kommunen gleichermaßen ungeliebte Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) soll fallen. Das ist die gute Nachricht. Die weniger gute Frage lautet: Wer soll dann zahlen? Die Kommunen jedenfalls wollen nicht in diese Lücke springen. Sie fordern vehement ein „faires Finanzierungsmodell“. Zu klären seien außerdem weitere Fragen: Wie soll man mit Bescheiden umgehen, die jüngst verschickt wurden? Wird es eine Übergangsregelung geben? Zu diesem derzeit heiß diskutierten Thema befragten die OVB-Heimatzeitungen August Voit, Sprecher der Landkreisbürgermeister und selbst Rathauschef in Amerang.
Herr Voit, als Sprecher der Landkreisbürgermeister: Wie stehen Sie und Ihre Kollegen zur viel diskutierten Straßenausbaubeitragssatzung?
Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen mit der finanziellen Beteiligung der jeweiligen profitierenden Bürger ist bisher für viele Gemeinden eine wichtige Rechtsgrundlage zur Erfüllung ihrer infrastrukturellen Aufgaben zur Erneuerung oder Verbesserung der Straßen. Weit über 90 Prozent der Gemeinden müssen ja nach der derzeitigen Rechtsgrundlage bei der Genehmigung ihrer Haushalte entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit nach einem Urteil des BayVGH vom 9. November 2016 die Anwendung/Umlegung dieser Soll-Vorschrift (Rechtsauslegung Muss-Vorschrift) vollziehen. Nur in atypischen Fällen kann bisher von einer Beitragserhebung abgesehen werden.
Eine ins Gespräch gebrachte, aber zwischenzeitlich wohl zurückgezogene „Kann-Regelung“ (eine Erhebung von Beiträgen würde bei der Entscheidung der Kommunen liegen) wird von einem großen Teil der Bürgermeister kategorisch abgelehnt. Dies würde nur zu großem Unfrieden und Streit in den Gemeinden und Städten führen. Gleichzeitig würde sich im Falle einer „Kann-Regelung“ gerade für Gemeinden mit einer angespannten Haushaltssituation das Ermessen hinsichtlich der Frage der Beitragserhebung auf null reduzieren.
Die „Strabs“ soll ja nun durch die CSU-Landtagsfraktion gekippt werden. Wer soll künftig die Finanzierung der maroden Straßen stemmen? Wie könnte ein Finanz-Pakt aussehen?
Falls die Rechtsgrundlage für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen gekippt wird und damit ein Systemwechsel zu einer Finanzierung aus allgemeinen Steuermitteln – weg von der bisherigen Beitragsfinanzierung – erfolgt, erwarten wir seitens des Gesetzgebers einen vollständigen finanziellen Ausgleich. Dazu müssen erst einmal verlässliche Kosten ermittelt werden. Außerdem sind neben einem fairen Finanzierungsmodell für die Kommunen noch viele Rechtsfragen zu lösen. Was geschieht mit den Beiträgen, die in den rückliegenden Jahren gezahlt wurden? Wie werden laufende Maßnahmen gewertet? Zusätzlich ist über die Verschärfung der Behandlung des Bodenaustausches bei den Straßenbaumaßnahmen (Aushub auf eine Zwischendeponie, Laboruntersuchung des Bodenmaterials und dann Entscheidung über die Verfüllung an geeigneten Deponien) mit einer explodierenden Kostensteigerung zu rechen. Viele der damaligen erstmals hergestellten Straßen stehen in den nächsten Jahren zur Sanierung an.
Ein ins Gespräch gebrachter Finanz-Pakt mit den Kommunen müsste in einem fairen Prozess hinsichtlich von zu erstattenden Kosten sowie einhergehend mit der Klärung vieler entstehender Rechtsfragen geführt werden.
Gerade den Gemeinden ist bewusst, dass die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen aus der Sicht der betroffenen Bürger oftmals als ungerecht empfunden wird und es auch hinsichtlich der Höhe der zu zahlenden Beiträge zu Härten kommt. Deshalb ist eine Änderung der Regelung durchaus zu diskutieren, aber nicht zu Lasten der einzelnen Gemeinden. Dabei erwarten wir seitens der Entscheidungsträger einen vollen finanziellen Ausgleich für die Kommunen und ohne einer Umverteilung/Kompensation über die bereits beim letzten Finanzausgleich vom Staat zugesagte Erhöhung des Kommunalanteils am Kfz-Steueraufkommen.
Auch eine ins Gespräch gebrachte Kompensation über die Grundsteuer sollte vorher einer gründlichen Prüfung mit den entstehenden Auswirkungen unterzogen werden. Des Weiteren steht ja grundsätzlich die Art und Weise der Erhebung der Grundsteuern derzeit beim Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand.
Auf Initiative des Kreisverbandes Rosenheim des Bayerischen Gemeindetages und mit der Unterstützung des Vorsitzenden, Bürgermeister Josef Steigenberger, und der Vorstandschaft des Bezirksverbandes Oberbayern des Gemeindetages und unseres Geschäftsführenden Präsidialmitglieds des Bayerischen Gemeindetages, Dr. Franz Dirnberger, sowie der Unterstützung von Bürgermeister Bernd Fessler (Großkaro? und Bürgermeister Peter Kloo (Kolbermoor) stehen wir in der Angelegenheit in Verhandlungen und werden demnächst dazu wieder ein Gespräch führen. Dabei setzen wir auf eine gerechte Lösung der finanziellen und rechtlichen Fragen im Dialog, letztendlich im Sinne der Bürgerinnen und Bürger.
Interview: Sigrid Knothe