Schleching/Oberaudorf/Inzell – Dass es, wie berichtet, bei der einen Tragödie geblieben ist und nicht mehr Todesopfer zu beklagen sind – das ist dem Glück, Lawinenpiepsern sowie dem beherzten Einsatz von vielen Erst- und Bergrettern zu verdanken. Im Folgenden eine Chronologie der Ereignisse.
Zwei Männer am Zwiesel verschüttet
Die erste Schneewalze schiebt sich am Sonntag gegen 10.35 Uhr am 1782 Meter hohen Zwiesel ins Tal. Der Berg liegt geografisch genau in der Mitte zwischen Inzell und Bad Reichenhall in den Chiemgauer Alpen.
Die Lawine erfasst zwei Männer (45 und 42 Jahre) aus Bad Reichenhall, die unabhängig voneinander eine Skitour Richtung Zenokopf unternommen haben. Einer wird 30 Meter mitgerissen und komplett verschüttet. Den zweiten Tourengeher erwischt es ebenfalls, aber nicht so schlimm. Sein Oberkörper ragt noch aus dem Schnee, er kann sich schnell befreien, einen Notruf absetzen.
Weitere Skibergsteiger eilen zu Hilfe. Innerhalb von Minuten gelingt es dem Reichenhaller und seinen Helfern, den Verschütteten zu befreien. Sie schaffen es noch rechtzeitig. Die zwei Reichenhaller überstehen das Unglück unverletzt. Mit starken Unterkühlungen werden sie ins Tal gebracht.
Am Geigelstein in
den Tod gefahren
Ein paar Dutzend Kilometer weiter westlich treffen sich zwei Tourengeher gegen Mittag zufällig auf der Wirtsalm im Geigelsteingebiet (Landkreis Traunstein). Dabei fassen ein 30-jähriger Sachse aus Oberwiesenthal im Erzgebirge und ein 57-jähriger Münchner spontan einen fatalen Entschluss. Gegen 12 Uhr entscheiden sie sich dafür, am „Sattel“ Richtung Südosten über einen steilen Rücken abzufahren.
Der 57-Jährige fährt voraus. Kurze Zeit später bemerkt er, dass ihn von hinten eine Lawine erfasst. Auch er schaffte es gerade noch, an der Oberfläche zu bleiben und kann sich befreien.
Von seinem Begleiter ist allerdings nichts mehr zu sehen. Doch der Münchner hat ein Lawinenverschüttungssuchgerät (LVS) dabei. Mit dem Lawinenpiepser kann er den Sachsen schnell orten und aus dem Schnee graben.
Aber der 30-Jährige rührt sich nicht mehr, ist unansprechbar. Sofort beginnt der Münchner mit der Reanimation. Weitere Tourengeher, die herbeieilen, unterstützen ihn dabei und kämpfen um das Leben des jungen Mannes.
Weil das schlechte Wetter zunächst einen Hubschrauberflug verhindert, kämpfen sich Einsatz- und Rettungskräfte über das Tal, zum Teil mit Pistenraupen, zur Unfallstelle hinauf. Ersthelfer setzen die Reanimationsmaßnahmen bis zum Eintreffen des Notarztes fort. Aber für das Opfer kommt leider jede Hilfe zu spät. Wie die Polizei Stunden später mitteilt, erliegt der 30-Jährige gegen 17.45 Uhr im Krankenhaus seinen schweren inneren Verletzungen.
Am Brünnstein
vom Schwager ausgegraben
Etwa 15 Luftlinienkilometer weiter südwestlich ist am frühen Nachmittag ein 35-jähriger Münchner mit seiner Frau und seinem Schwager auf Skitour an der Brünnsteinschanze im Kreis Rosenheim. Bei der Abfahrt auf der Nordostseite, auf etwa 1400 Höhenmetern, nach dem Einfahren in eine steile Waldschneise, löst sich plötzlich ein Schneebrett.
Die Lawine erfasst den Mann, reißt ihn gut 200 Höhenmeter weit mit in die Tiefe. Dem Schwager gelingt es, auf dem Lawinenkegel mit den Skiern abzufahren und den verschütteten 35-Jährigen mit dem LVS-Gerät zu orten. Er gräbt den Mann, der einen Meter tief unter der Schneedecke gefangen ist, und holt ihn nach etwa 20 Minuten heraus – schwer verletzt, aber lebend.
Indessen geht bei der Integrierten Leitstelle (ILS) in Rosenheim gegen 13.45 Uhr der Notruf der Ehefrau des Verunglückten ein. Sie hat sich bei der Abfahrt von der Brünnstein-Schanze (Gemeindegebiet Oberaudorf) von ihren zwei Begleitern getrennt und ist allein über die Almhänge und die Forststraße abgefahren. Am Waldparkplatz oberhalb des Tatzelwurms wartet sie aber schon eine Stunde vergebens auf ihre Tourenpartner.
Noch bevor der Einsatzleiter der alarmierten Bergwacht Oberaudorf-Kiefersfelden Kontakt mit der Melderin aufnimmt, kommt bereits der zweite Notruf aus diesem Gebiet. Er bestätigt die ersten Befürchtungen über einen Lawinenabgang. Die Retter müssen davon ausgehen, dass zwei Opfer verschüttet worden sind.
Eine groß angelegte Rettungsaktion läuft an, die aufgrund der schwierigen Witterungsbedingungen – starker Schneefall und böige Winde – vom Bergwacht-Einsatzleiter sowohl mit Hubschrauber als auch bodengebunden koordiniert wird.
Der Rettungshubschrauber „Heli 3“ aus Kufstein-Langkampfen lokalisiert bei einem Erstanflug die Einsatzstelle und setzt zwei Bergretter etwas unterhalb ab. In drei weiteren Anflügen werden insgesamt sieben Bergretter mit Einsatzmaterial in die Nähe der Unfallstelle transportiert. Dann macht noch stärkerer Schneefall einen weiteren Hubschraubereinsatz unmöglich.
So machen sich die ebenfalls alarmierten Einsatzkräfte der Bergwachten Brannenburg und Bad Feilnbach mit drei Raupen-angetriebenen All-Terrain-Vehicles (ATV) vom Waldparkplatz aus auf den Weg zur Einsatzstelle. Der Aufstieg ist mühsam. Mehrere Bäume, die Tage zuvor das Sturmtief „Friederike“ in den Forstweg geworfen hat, stehen den Rettern im Weg. Zudem müssen sie sich durch den Neuschnee kämpfen.
Es ist 15.30 Uhr, als der Einsatzleiter in enger Zusammenarbeit mit dem Alpinen Polizeieinsatzleiter ausschließen kann, dass es noch weitere Opfer gibt.
Oben an der Brünnsteinschanze übernehmen die Bergwachtretter, darunter Notärzte, die Erstversorgung. Das Opfer muss so schnell wie möglich ins Krankenhaus. Es hat mehrere Knochenbrüche erlitten und ist stark unterkühlt. Der Abtransport wird vorbereitet.
Der Verletzte muss mit dem Akia etwa 100 Höhenmeter bis zum Forstweg abgeseilt werden. Von dort wird er mit dem ATV zum Tatzelwurm-Waldparkplatz transportiert und an den Rettungsdienst zum Transport in die Klinik übergeben.
Die Lawinenzentrale warnt weiterhin vor großer Lawinengefahr. Berg- und Skitouren sind nur in sicheren Gebieten erlaubt.
Weitere Informationen
unter www.lawinen-
warndienst-bayern.de