Mordprozess gegen abgelehnten Asylbewerber

Tödliche Stiche wegen Religion

von Redaktion

Weil sein Opfer ihn zum Christentum bekehren wollte, soll Hamidullah M. eine Landsfrau in Prien erstochen haben. Gestern begann der Prozess am Traunsteiner Landgericht.

Traunstein/Prien – Niemand konnte den 30-jährigen Afghanen Hamidullah M. am Abend des 29. April 2017 vor einem Priener Supermarkt aufhalten, als er 16-mal auf die 38-jährige Farimah S. einstach. Die afghanische Staatsangehörige verblutete beim Transport in eine Klinik. Der abgelehnte Asylbewerber muss sich seit gestern wegen Mordes aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen vor dem Schwurgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs verantworten.

Der Angeklagte berief sich über seinen Verteidiger Harald Baumgärtl aus Rosenheim auf sein Schweigerecht, behauptete später, keine Erinnerung an die Tat zu haben. Der Prozess wird am 29. Januar sowie am 5. und 9. Februar, jeweils um 9 Uhr, fortgesetzt.

Gemäß Anklage von Staatsanwalt Dr. Oliver Mößner lauerte der Afghane der 38-Jährigen gegen 18.40 Uhr vor dem Priener Supermarkt auf (wir berichteten). Die Frau wollte gerade ihre Einkäufe sowie ihre jüngsten Kinder (5 und 11) in dem Fahrradanhänger verstauen, als der Täter von hinten mit einem Schlachtermesser auf sie einstach. Sie erlitt lebensbedrohliche Verletzungen. Letztlich gelang es mehreren Zeugen, unter ihnen ein Polizeibeamter in Freizeit, den Angeklagten trotz heftiger Gegenwehr zu überwältigen.

Nachdem sich der Angeklagte gestern nicht äußern wollte, griff das Schwurgericht auf die Angaben des psychiatrischen Gutachters Dr. Stefan Gerl vom Bezirksklinikum in Gabersee zurück. Diesem hatte der 30-Jährige erzählt, die zum Christentum konvertierte Frau, die er 2013 erstmals getroffen habe, habe „seinen Kopf kaputt gemacht“, weil sie dreimal forderte, seinen Glauben zu wechseln. Das habe ihn in der Arbeit beim Rimstinger Bauhof beeinträchtigt: „Ich habe geweint.“ Sie habe ihm erklärt, er könne heiraten, müsse dazu seine Religion wechseln und könne dann in Deutschland bleiben. Schon damals habe er Gedanken gehegt, „diese Frau zu töten“.

Zwei Versionen

zum Tathergang

Zum Tatablauf hatte der Angeklagte Gerl abweichende Versionen geliefert. Die erste lautete: Beim Supermarkt habe er sie zufällig gesehen. Sein Kopf sei „weg gewesen“. Er habe aus seiner Wohnung ein Messer geholt und die Frau getötet. „Jetzt ist der Stress weg. Ich fühle mich leichter und glücklicher, nachdem ich die Frau umgebracht habe“, gab Gerl die Worte des Angeklagten wieder. Das Ganze sei „Schicksal“ gewesen. Und weiter: Nach Erhalt des Abschiebebescheids im Jahr 2016 habe er sofort weg aus Deutschland gewollt, um diese Tat zu vermeiden.

Bei einer anderen Exploration durch Gerl schilderte der Angeklagte, er habe die Frau mehrmals gebeten, ihn wegen eines Religionswechsels „nicht verrückt zu machen“. 40 Tage vor dem Vorfall habe er die Dame zuletzt gesehen. Ihre Stimme habe ihn verfolgt – jeden Tag. Im Supermarkt habe er Essen fürs Wochenende gekauft und sei nach Hause. Danach wisse er nichts mehr. Vielleicht sei in seinem Kopf „etwas falsch gelaufen“. Auf diese Version berief sich der Mann auch gestern.

Einen besonderen missionarischen Eifer des 38-jährigen Opfers verneinte ein Kripozeuge. Die gebürtige Muslima sei zum Christentum übergetreten und sehr westlich geprägt gewesen. An Weihnachtsmärkten habe die Frau einen Stand betrieben. Sie habe arbeiten dürfen, habe gedolmetscht. Außerdem habe sie einen deutschen Lebensgefährten gehabt. Der afghanische Flüchtlingskreis in Prien sei eine kleine Kommune. Der Polizist dazu: „Ich kann mir vorstellen, dass dem Angeklagten der westliche Lebensstil der Geschädigten aufgestoßen ist. Sein Abschiebetermin stand schon fest. Mit der Arbeit beim Bauhof Rimsting hat es nicht mehr geklappt.“ Zum Thema Schule stellte der Zeuge klar, der Angeklagte sei Analphabet. Für ihn sei es vor allem schwierig, eine andere Sprache zu lernen. Den Sprachunterricht habe der 30-Jährige selbst abgebrochen.

Ein Beamter der Polizeiinspektion Prien schilderte aus der Vernehmung des elfjährigen Sohnes des Opfers, der Bub habe den Täter von der anderen Straßenseite zur Mutter laufen sehen und noch versucht, den Angeklagten von der Mutter wegzudrücken – vergeblich. Für die viertägige Hauptverhandlung hat Staatsanwalt Mößner insgesamt knapp 20 Augenzeugen und etwa die gleiche Anzahl aus dem Umfeld des mutmaßlichen Täters wie des Opfers benannt. Zwei ältere Kinder der Getöteten sowie eine Schwester und ein Bruder der 38-Jährigen verfolgen den Prozess als Nebenkläger mit ihren Anwältinnen Ute Staudacher und Stephanie Vogt, beide aus Karlsruhe. Neben dem psychiatrischen Sachverständigen werden weitere Gutachter, darunter der Münchner Rechtsmediziner Professor Dr. Randolph Penning, über ihre Erkenntnisse referieren.

Die Vita des Afghanen

Hamidullah M. wuchs in einem Dorf im Norden Afghanistans auf. Sein Vater, ein wohlhabender Bauer, hatte mit der Mutter des Angeklagten weitere elf Söhne und eine Tochter. Der 30-Jährige behauptete beim Sachverständigen, ein Taliban hätte zwei seiner Brüder getötet. Mit 14 Jahren sei er zufällig deren Mörder begegnet, habe ihn niedergeschlagen und schwer verletzt. Mit 4000 Dollar von seinem Vater sei er in den Iran geflüchtet, mit 19 Jahren zurück nach Afghanistan, um den Tod seiner Angehörigen zu rächen. Nach einer Verletzung durch einen Taliban habe er fünf Jahre im Iran gelebt und sei dann nach Europa aufgebrochen. Zur Oktoberfestzeit sei er 2013 in München aus dem Zug gestiegen. Der 30-Jährige habe sich in der Unterkunft in Prien „sehr zufrieden“ gefühlt, zitierte Dr. Gerl. Der Afghane habe die Arbeit im Bauhof Rimsting geliebt. Die Kündigung habe der 30-Jährige „auf diese Frau“ zurückgeführt.

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