Rosenheim – Von der Blockabfertigung auf österreichischer Seite bis zum Mautkonflikt: Ranghohe Regierungsvertreter aus Deutschland, Italien und Österreich hatten sich am Montag auf Einladung der Europäischen Kommission zum ersten Brenner-Gipfel in München getroffen, um schnelle Lösungen für die vom Schwerlastverkehr gebeutelte Grenzregion zu finden.
Eine Sofortmaßnahme, die Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der auch fürs Thema Verkehr verantwortlich zeichnet, vorgeschlagen hatte, ließ die Bürgermeister der Inntalgemeinde besonders aufhorchen. Denn Herrmann will erreichen, dass so schnell wie möglich deutlich mehr Güterzüge auf der Bestandsstrecke im Inntal fahren – und zwar statt bislang täglich rund 100 bis zu 200 Züge (wir berichteten). Herrmann: „Wir haben noch genügend freie Kapazitäten auf der Bahnstrecke durchs Inntal.“
Für Stefan Lederwascher (CSU), Bürgermeister der Gemeinde Flintsbach, eine Aussage, über die er nur den Kopf schütteln kann. „Das wird jetzt wieder auf unserem Rücken ausgetragen“, befürchtet der Rathauschef, der aufgrund des neuen Vorstoßes zur Mehrbelastung der Bestandsstrecke die Angst hat, dass dadurch die Notwendigkeit einer zusätzlichen Trasse in Frage gestellt werden könnte.
So weit möchte sein Amtskollege Olaf Kalsperger (CSU) aus Raubling zwar nicht gehen. Doch auch er sieht die Aussage des Bayerischen Innenministers beim Brenner-Gipfel kritisch. „Ich bin mir nicht sicher, ob Herrmann wirklich alle Zahlen hat“, so Kalsperger, der darauf verweist, „dass die Strecke schließlich nicht unendlich belastbar ist“. Insgesamt habe er das Gefühl, dass „die ganze Diskussion nicht ehrlich geführt wird“. Eine Einschätzung, die weiter südlich – im Rathaus Brannenburg – nicht geteilt wird. „Wir haben letztlich alle damit gerechnet, dass der Zugverkehr auf der Strecke zunehmen wird“, behauptet Brannenburgs Bürgermeister Matthias Jokisch (CSU). Überraschend sei nur, dass dieser zusätzliche Güterverkehr schneller kommen solle als erwartet. Grundsätzlich sei für ihn eine Mehrbelastung der Bestandsstrecke denkbar. „Ich habe schon immer gesagt: ,Bringt mehr Güter auf die Schiene!‘“, so Jokisch, „zumal wir ja auch viele Bürger haben, die direkt an der Autobahn wohnen und einer enormen Belastung ausgesetzt sind.“
Auch Kiefersfeldens Bürgermeister Hajo Gruber (Unabhängige Wählergemeinschaft) lehnt eine höhere Frequentierung der Strecke nicht grundsätzlich ab. Voraussetzung dafür sei aber, dass bereits im Vorfeld die vom damaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) versprochenen Lärmschutzmaßnahmen, beispielsweise der Einsatz neuartiger Schienenstegdämpfer, umgesetzt werden. „Das war eine klare Aussage von Dobrindt“, erinnert sich Gruber, der letztlich aber von den Ergebnissen des ersten Brenner-Gipfels – der nächste soll im Mai folgen – enttäuscht ist.
Denn dem Rathauschef brennt viel mehr das Thema der „Mautausweichproblematik“ unter den Nägeln. Daher hatte sich Gruber gemeinsam mit seinem Oberaudorfer Amtskollegen Hubert Wildgruber, der für eine Stellungnahme nicht erreichbar war, sowie den Tiroler Kollegen aus Kufstein, Ebbs und Niederndorf vor dem Gipfel schriftlich an die Gipfel-Verantwortlichen gewandt und an diese appelliert, eine kurzfristige Lösung dafür zu finden. „Hier ist leider, so weit ich weiß, nichts herausgekommen.“
Landrat Wolfgang Berthaler (CSU) hingegen findet, dass mit dem Brenner-Gipfel nicht nur der richtige Weg eingeschlagen worden ist, sondern auch die dringendsten Probleme angesprochen worden sind. „Das Thema Bahn steht hier seit Monaten im Vordergrund“, so Berthaler gegenüber unserer Zeitung, „und auf der A93 nimmt der Verkehr immer mehr zu.“ Der Gipfel habe dafür gesorgt, dass alle Bereiche in die Diskussion einbezogen werden, was seiner Meinung nach der einzige Lösungsweg ist: Für die Region ist ein Gesamtkonzept wichtig.“ Zu diesem gehöre nach Ansicht Berthalers eben auch, wie von Herrmann gefordert, mehr Güterzüge über die Bestandsstrecke zu schicken und somit die Straßen zu entlasten. „Vor rund 15 Jahren sind dort 230 bis 240 Züge gefahren, heute sind es 160 bis 170“, erinnert sich der Landrat, der findet: „Die Strecke kann noch Verkehr vertragen.“