Landkreis Traunstein lehnt Rosenheimer Konzept ab

Hoffnung bei Streuobst zerstreut

von Redaktion

Die Landkreise Rosenheim und Traunstein ziehen bei der Sicherung der heimischen Streuobstwiesen nicht an einem Strang. Traunstein macht bei dem Konzept nicht mit, das Rosenheim verfolgt. „Das ist viel zu teuer“, sagt der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch dazu.

Rosenheim/Traunstein – Der neuerliche Dissens zwischen den beiden Landkreisen – der letzte große Knatsch liegt noch gar nicht so lange zurück und führte zum Scheitern der geplanten Fusion der zwei hier wirkenden Tourismusverbände – hat den Verlust einer fünfstelligen Fördersumme aus dem sogenannten Leader-Programm der EU zur Folge, die im Falle eines gemeinsamen Handelns in den nächsten fünf Jahren geflossen wäre.

Den Erhalt der heimischen Streuobstwiesen, idealerweise eine Vermehrung der Obstanbauflächen und damit zusätzliche Einnahmen für die Bauern sowie eine deutliche Erhöhung der Biozertifizierung des heimischen Obstes, um den Erlös bei dessen Vermarktung zu erhöhen – alles Ziele, die der Traunsteiner Landrat voll mitträgt. Dennoch: „Das Rosenheimer Konzept ist schlecht. Ich habe null Verständnis dafür, dass man hierfür eine Vollzeitstelle benötigt, und kann auch nicht begreifen, dass der Rosenheimer Kreisausschuss dem zugestimmt hat“, lässt Walch seinen Kollegen Wolfgang Berthaler wissen. Die Förderung für eine solche Stelle laufe üblicherweise nach fünf Jahren aus, man könne sie aber in der Praxis nie mehr abschaffen.

Während man im Rosenheimer Landratsamt nach Auskunft von Pressesprecher Michael Fischer derzeit noch überlegt, wie man mit dem Nein aus Traunstein umgeht, hat man im Nachbarlandkreis bereits Nägel mit Köpfen gemacht. Landrat Siegfried Walch hat die Aufgabe dem dortigen Landschaftspflegeverband übertragen und ist überzeugt, dass das Projekt bei ihm in guten Händen ist. Der Landkreis übernimmt die Kosten für die Obst-Zertifizierung und stellt bei Bedarf zeitlich begrenzt Personal ab. „Da reichen vier bis fünf Wochen Arbeitszeit im Jahr“, ist Walch überzeugt und schiebt hinterher, dass das Traunsteiner Strickmuster im Landkreis Passau bereits erfolgreich praktiziert wird. „Wir brauchen keine neue Stelle und erreichen so das Gleiche. Alles andere wäre nur Verschwendung von Steuergeldern. Wir dürfen nicht etwas aufbauen, das sich nie und nimmer rechnet“, sagt Walch.

Einstimmiger

Beschluss

Die Unterstützung seiner Kreisräte hat er. Der Beschluss, auf der Basis des vorliegenden Konzeptes keine Kooperation mit dem Landkreis Rosenheim ins Auge zu fassen, sei einstimmig gefasst worden, so der Landrat.

Ad acta legen will Walch eine Zusammenarbeit mit Rosenheim nicht – vorausgesetzt, sie läuft auf der Ebene der Landschaftspflegeverbände und sprengt den von Traunstein ins Auge gefassten Kostenrahmen nicht. „Wir sind sogar bereit, die gesamte Abwicklung zu übernehmen, bis Rosenheim weiß, was es will“, bietet Walch seinem Kollegen Berthaler an.

Wie der Rosenheimer Landrat darüber denkt, ist im Moment unklar. Sein Pressesprecher will derzeit kein Statement dazu abgeben. Erst wolle man mit Joachim Wiesböck, dem Geschäftsführer der ORO Obstverwertung eG in Rohrdorf darüber reden. Er ist ein Hauptbefürworter des Rosenheimer Konzepts in den Reihen der heimischen Keltereien und war dem Kreisausschuss bei dessen entscheidender Sitzung im Vorjahr vor der Abstimmung Rede und Antwort gestanden.

Der ORO-Geschäftsführer macht aus seiner Enttäuschung über die Entscheidung in Traunstein keinen Hehl. „Schade, dass das Vorhaben an der Kofinanzierung scheitert“, so Wiesböck. Eine Vollzeitstelle sei absolut nötig, wenn man ein solches Projekt in zwei Landkreisen gemeinsam machen will, ist er überzeugt. „Die Biozertifizierung von Obst erfordert sehr viel Zeitaufwand, das geht nicht so nebenbei“, sagt Wiesböck. Er sieht in dem Projekt eine Chance für viele Bauern, von einer Möglichkeit Gebrauch zu machen, die sie seit ein paar Jahren haben: Teile ihres Betriebes biozertifiziert zu betreiben, ohne generell auf Bio-Landwirtschaft umstellen zu müssen. Für die regionalen Keltereien wiederum bestünde dadurch die Möglichkeit, die Lieferung hochwertigen einheimischen Obstes langfristig zu sichern. „Das brauchen wir dringend für unsere Produktion. Die Nachfrage ist sicher da“, sagt der ORO-Geschäftsführer. Resignieren will Wiesböck trotz der Ablehnung aus Traunstein auf keinen Fall. „ORO will das Projekt nicht sterben lassen. Ich werde mit dem Landrat über Möglichkeiten reden, es zu retten.“

„Kampf gegen

Windmühlen“

Sonderlich glücklich mit der aktuellen Entwicklung ist auch Gisela Sengl nicht, Agrarpolitische Sprecherin der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag und zugleich Vorsitzende der Streuobstinitiative Chiemgau (SIC). Von der SIC kam ursprünglich der Anstoß zu diesem Projekt. „Wir sind erst einmal froh, dass jetzt überhaupt ein Anfang gemacht ist“, betont Sengl und erzählt von einem „Kampf gegen Windmühlen“, den die Initiative im Vorfeld über Jahre hinweg führen musste. Man habe mit vielen Leader-Aktionsgruppen gesprochen und das Projekt ursprünglich auf Gemeindeebene verwirklichen wollen. Obwohl es für die einzelnen Gemeinden nur um Anfangskosten in Höhe von etwa 800 Euro im Jahr, später um etwa 200 Euro jährlich gegangen sei, habe sich keine Einigung erzielen lassen. Deshalb sei der Gedanke an eine Kooperation zwischen den Landkreisen Rosenheim und Traunstein aufgekommen.

Was den Personalbedarf betrifft, sieht sie Landrat Siegfried Walch mit seiner Einschätzung auf dem Holzweg. „Der stellt sich das leichter vor, als es ist.“ Sengl glaubt, dass man in der Anfangsphase auf jeden Fall eine Vollzeitstelle benötige, später reiche vielleicht eine Halbtagsstelle aus. „So wie es jetzt in Traunstein läuft, da kann man sicher nicht viele Flächen zertifizieren“, ist die Abgeordnete überzeugt.

Sengl wäre es überhaupt lieber gewesen, wenn die Zertifizierung im Zusammenspiel zwischen Gemeinden und örtlichen Leader-Aktionsgruppen möglich gewesen wäre, wie das zu Beginn der SIC-Initiative im Jahr 2013 angedacht war. „Das ging aber nicht. Um Fördermittel aus dem Leader-Programm zu bekommen, waren wir verpflichtet, in größeren Einheiten zu handeln“, weiß die SIC-Vorsitzende. Das Leader-Programm der EU sei halt sehr kompliziert und bürokratisch, so die Vorsitzende.

So war die Planung

Unter der Voraussetzung, dass sich auch der Landkreis Traunstein beteiligt, hat der Kreisausschuss des Landkreises Rosenheim in seiner Sitzung am 19. Dezember vergangenen Jahres bei einer Gegenstimme Mittel in Höhe von 39000 Euro für die nächsten fünf Jahre gebilligt, um dem Vorstoß der SIC zum Erfolg zu verhelfen. 60 Prozent der anfallenden Gesamtkosten wären aus EU-Fördermitteln bestritten worden. 80000 Euro wollten vier regionale Keltereien in diesem Zeitraum zur Finanzierung beitragen.

Zielsetzung war, dass sich das Projekt selbst trägt, wenn die EU-Förderung im Rahmen des Leader-Aktionsprogramms nach fünf Jahren ausläuft.tt

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