Oberaudorf – Strahlender Sonnenschein und arktische Temperaturen – ein Traumtag im Skigebiet Sudelfeld. Auch wenn das Glück in den Bergen ganz nah scheint, binnen Sekunden kann es sich in eine Katastrophe wandeln. Am gestrigen Mittwoch wurde eine Lawinenrettung bei einer Alpinübung von Polizei und Bergwacht simuliert.
Staatsminister Marcel Huber war als Ehrengast am Sudelfeld und zeigte sich beeindruckt von der hohen Leistungsfähigkeit der Retter, die bei schwierigsten äußersten Bedingungen ihr Können unter Beweis stellten: „Mein tiefster Respekt vor dem professionellen Arbeiten unserer Rettungskräfte. Bei einem Lawinenunglück ist es wichtig, dass die Profis schnell vor Ort sind, routiniert agieren und starke Nerven behalten.“
Das Übungsszenario: Ein gefährliches Schneebrett löste sich am Grafenherberg. Es gibt Verschüttete. Für Polizei und Bergwacht beginnt der Wettlauf gegen die Zeit. Hauptkommissar Helmut Weidel, Leiter des Alpinen Einsatzzuges, verdeutlicht den Ernst der Lage: „Innerhalb der ersten Viertelstunde nach dem Lawinenabgang liegt die Chance, lebend gefunden zu werden, bei 90 Prozent.“ Mit jeder Minute schwinde die Wahrscheinlichkeit. Nach 45 Minuten liege sie nur noch bei 15 bis 30 Prozent. Der Einsatz sei erst abgeschlossen, wenn alle Personen gefunden wurden – tot oder lebendig.
Eine im Polizeihubschrauber vorhandene gelb-schwarzen Sonde, die die Einsatzkräfte „Biene Maja“ nennen, erkennt Erschütterungen und Signale unter den Schneemassen. In Bereichen, in denen Verschüttete vermutet werden, wird ein Fähnchen zur Orientierung für die Rettungskräfte abgeworfen.
Jetzt hat der Lawinenhund seinen großen Auftritt. Zusammen mit seinem Hundeführer wird er in schwindelerregender Höhe vom Hubschrauber aus abgeseilt. Der braune Schäfer erfasst unter dem Schnee den Geruch des Verschütteten und schlägt in der Nähe des Fähnchens an. Wenn der Hund nach getaner Arbeit mit einem Leckerli belohnt wird, beginnt die Zerreißprobe für die Retter. Auch wenn sich die Vermissten durchschnittlich 1,10 Meter unter dem Schnee befinden, „es gab schon Situationen, in denen wir bis zu vier Meter tief graben mussten“, schildert Bereitschaftsleiter Florian Lotter von der Bergwacht Oberaudorf-Kiefersfelden.
Mit einer speziellen Schaufeltechnik wird Schnee zur Seite geschoben, solange bis eine Hand oder ein Fuß frei liegt. „Ist der Patient gefunden, prüfen wir Ansprechbarkeit und freie Atemwege“, erklärt Lotter weiter.
Dieses Mal ging alles glimpflich aus. Bergwacht-Anwärterin Josepha Regauer kam mit leichten Unterkühlungen davon. „Ich wusste, dass es eine Übung ist. Daher war ich relativ ruhig, als ich unter dem Schnee begraben wurde. Der Hund hat mich sofort gefunden. Ich dachte, das dauert länger“, schildert die 20-Jährige. Natürlich hatte sie den Ernstfall im Hinterkopf. „Ich kann nur hoffen, dass ich nie in eine solche Situation gerate.“