Tuntenhausen/München – „Aha, schon wieder Frischpack.“ Das mag sich so mancher Plakatleser im Vorbeifahren denken. Schließlich hatte der Käseverpackungsspezialist im Schönauer Ortsteil Mailling (Gemeinde Tuntenhausen) schon im Frühjahr 2015 für Schlagzeilen gesorgt: Erst musste zur Betriebsratswahl die Polizei anrücken, dann zerrte die Geschäftsleitung den neu gewählten Betriebsratsvorsitzenden vors Rosenheimer Arbeitsgericht. Die Firmenspitze erkannte das neunköpfige Gremium nicht an, warf dem neuen Vorsitzenden und zwei weiteren Wahlvorständen Manipulationen vor (wir berichteten).
Der Streit zog sich lange hin. Erst im Januar 2017 zog das Landesarbeitsgericht in München einen Schlussstrich und wies die Klage der Frischpack-Geschäftsleitung auf Annullierung der Betriebsratswahl von 2015 ab.
Aber damit war der Fall noch nicht erledigt. Im aktuellen Rechtsstreit, den das Plakat an der Staatsstraße seit knapp drei Wochen effektvoll ins Blickfeld der Öffentlichkeit rückt, geht es um die ehemalige stellvertretende Betriebsratsvorsitzende. Frischpack hatte der Maschinenführerin fristlos gekündigt und sie mit einem Hausverbot belegt.
Nun klagt die Frau auf Wiedereinstellung. Eigentlich sollte am heutigen internationalen Frauentag verhandelt werden. Doch das Verfahren wurde auf 18. April verschoben. Den Anhänger mit der Prozessankündigung hat der Lebensgefährte der Klägerin an die viel befahrene Straße gestellt.
Flugblätter vor dem Werkstor verteilt
Zu ihrer Entlassung hatte ein Flugblatt geführt, das die langjährige Frischpack-Mitarbeiterin im Oktober 2017 vor dem Werkstor an Kollegen verteilte. Unter der Überschrift „Nicht den Profit – das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt“ verurteilte das Papier die „menschenverachtende Leiharbeit“ und forderte „menschenwürdige Lohn- und Arbeitsbedingungen“ sowie „ein Ende von Arbeitshetze und Sonderschichten“ in dem Betrieb in Tuntenhausen.
In einem „Offenen Brief“ an die Gewerkschaft NGG (Nahrung-Genuss-Gaststätten) und einem weiteren Papier, beide verfasst vom Lebensgefährten, finden sich Parolen wie „Schweinereien öffentlich machen“, „Gegen politische Disziplinierung“ oder „Nein zum Kuhhandel der NGG mit der Frischpack-Geschäftsleitung“.
In der Regel stehen Gewerkschaft und Betriebsrat in arbeitsrechtlichen Verfahren hinter den Mitarbeitern. Hier ist das anders. Wie die Frischpack-Geschäftsleitung hat auch die NGG kein Verständnis für das Vorgehen der Mitarbeiterin, die ihre NGG-Mitgliedschaft gekündigt hat. „Es ist nicht unsere Art, mit Wagen am Straßenrand Politik zu machen“, sagt Georg Schneider, NGG-Geschäftsführer in der Region Rosenheim-Oberbayern.
Dass es Mauscheleien zwischen den Frischpack-Chefs und der NGG gegeben habe, weist er entschieden zurück. Das Gegenteil sei der Fall: „In Mailling ist aus unserer Sicht längst nicht alles Gold, was glänzt. Die NGG ringt mit Frischpack verbissen um Arbeitszeiten, Tarifbindungen und den Ausgleich von Samstagsarbeit mit bezahlter Freizeit.“
Unter anderem kämpfe die Gewerkschaft darum, dass die Mitarbeiter auf dem höheren Niveau der Milchwirtschaft entlohnt werden – und nicht nach den niedrigeren Einkommensgruppen der Verpackungsindustrie. So sei das Ja der NGG zur Samstagsarbeit bei Auftragsspitzen an die Bedingung geknüpft worden, dass die Leiharbeit reduziert wird und dafür Mitarbeiter fest angestellt werden. Dazu sei es in zahlreichen Fällen auch gekommen.
Michael Schultze, kaufmännischer Leiter der Frischpack GmbH, verweist auf die beachtliche Entwicklung der Firma. Das 1972 gegründete Unternehmen verarbeitet 45 000 Tonnen Käse pro Jahr und macht einen Umsatz von über 160 Millionen Euro.
Mit ihren maßgeschneiderten Lösungen auf dem Gebiet der Käseverarbeitung, Schneide- und Verpackungstechnik habe sich Frischpack europaweit einen Namen gemacht. Der Käsespezialist sei erfolgreich auf allen Märkten vertreten und damit ein unverzichtbarer Partner für zahlreiche Molkereien, Käsereien, Handelsketten, Einzelhändler und Systemgastronomiebetriebe.
Flexibilität und Samstagsarbeit gehören laut Schultze dazu, um auf dem Markt von heute zu bestehen. Davon profitiere die Region: In den vergangenen Dekaden sei viel Geld in den Standort Mailling investiert, die Mitarbeiterzahl von 200 auf über 300 gesteigert worden. „Dabei haben wir die Samstagsarbeit 2017 sogar herunterfahren können. Sie war zuletzt nur punktuell erforderlich“, so Schultze.
Die „Rote Fahne“-News wird das anders sehen. In den Augen von Frischpack und der NGG berichtet die Onlinezeitung der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLDP) seit Jahren bemerkenswert aktuell und ausführlich über den „Klassenkampf“ in Tuntenhausen. Unternehmensleitung und Gewerkschaft schließen nicht aus, dass die klagende Ex-Mitarbeiterin und ihr Partner der extrem linken Splitterpartei sehr nahe stehen könnten. Das Paar weist diese Vermutung zurück. Damit wolle man nur von den eigentlichen „Missständen“ ablenken.