Befreiung von Vignettenpflicht

Stadt Kufstein blitzt in Wien ab

von Redaktion

Eventuelle Maßnahmen zur Verkehrsentlastung werden mit Kiefersfelden abgestimmt

Kiefersfelden/Kufstein –Neue Bundesregierung, neues Glück: In dieser Hoffnung hatte der Kufsteiner Gemeinderat Anfang Februar eine Resolution zur Änderung des Bundesstraßen-Mautgesetzes verfasst (wir berichteten). Der Wunsch: eine Vignettenbefreiung für den Bereich von der Landesgrenze zu Deutschland bei Kiefersfelden bis zur Autobahnausfahrt Kufstein Süd. Für Bürgermeister Martin Krumschnabel die einzige Möglichkeit, Mautflüchtlinge, die regelmäßig die Hauptverkehrsader der Stadt verstopfen, wieder auf die Autobahn zu bringen. Inzwischen steht fest: Die Ausnahmeregelung, wie sie vor 2013 16 Jahre lang praktiziert wurde, wird es nicht geben.

Dafür, dass diese überhaupt im Raum stand, sorgen allen voran die Wintersportler. Anstatt neun Euro für eine Zehn-Tages-Vignette zu bezahlen, die sie ohnehin nur zwischen der Grenze und der Abzweigung Kufstein Süd der Autobahn nutzen würden, wählen viele den kostenlosen Weg durch Kufstein. Die Folge: Abgase, Lärm und Verkehrsbehinderungen.

Trotzdem sieht das Verkehrsministerium in Wien offenbar keinen Handlungsbedarf. Die gewünschte Ausnahmeregelung würde ein Präjudiz für Sonderlösungen in anderen Regionen Österreichs schaffen und damit die Einheitlichkeit des Vignettensystems und die Finanzierung des hochrangigen Straßennetzes gefährden, heißt es in einer Reaktion auf das Ansinnen der Stadt Kufstein. Für Krumschnabel eine Enttäuschung, zumal im Vorfeld der Nationalratswahl in Österreich im vergangenen Herbst Kandidaten aller Parteien in Kufstein öffentlich das Versprechen abgegeben hatten, eine Änderung herbeiführen zu wollen, sollten sie Teil der Regierung werden. „Ein leeres Wahlversprechen“, schimpft der Bürgermeister. „Das ist Politik zum Abgewöhnen.“

Die Kufsteiner leiden. Insbesondere an Tagen, an denen das Verkehrsaufkommen besonders groß ist, blockiert eine Blechlawine die Bundesstraße 171, die Hauptstraße durch den Ort. Durch die Grenzkontrollen auf deutscher Seite hat sich die Problematik noch einmal verschärft. Inzwischen gehe der Trend zum „taktischen“ Autofahren, erzählt Krumschnabel: „Die Einheimischen erledigen ihre Einkäufe an den Wochentagen. Am Wochenende kommen sie kaum noch vom eigenen Haus auf die Straße.“

Auch die deutschen Grenzgemeinden, Oberaudorf und vor allem Kiefersfelden, sind von der Problematik betroffen. Schließlich fahren die Mautflüchtlinge bereits vor der Grenze von der Autobahn ab. „Das geht weit über das Tolerable hinaus und zu Lasten der Lebensqualität“, sagt Kiefersfeldens Bürgermeister Hajo Gruber. Auch die „Kieferer“ würden ihre Häuser an verkehrsträchtigen Tagen kaum noch verlassen. Und auch Gruber hat sämtliche Register gezogen. „Wir haben zahlreiche Resolutionen an verschiedene Entscheidungsträger geschickt“, sagt er. Bislang ergebnislos.

Wirtschaftlich profitieren kann keine der Gemeinden vom Durchgangsverkehr. „Die meisten lassen keinen Cent bei uns“, sagt Krumschnabel. Nicht nur das: Das enorme Verkehrsaufkommen hindere Kiefersfeldener daran, in Kufstein einzukaufen – und umgekehrt. „Die kleine Wirtschaft leidet.“

Dabei ließe sich das Problem leicht lösen, sagt Gruber. „Ganz einfach: Entweder man kehrt zurück zur Praxis von vor 2013 oder man ändert das Mautgesetz.“ Dann bliebe nur noch der Rückstau durch die Grenzkontrollen. Schon deren Sinnhaftigkeit stellt Gruber infrage: „Niemand versteht, warum man die Grenze zwischen zwei sicheren Ländern kontrollieren muss. Die Kontrollstellen gehören an die Schengen-Außengrenzen.“ Wenn Kontrollen, dann so wie früher, sagt der Kiefersfeldener Bürgermeister. „Auf so vielen Spuren parallel, dass kein Rückstau entsteht.“ Die nötige Infrastruktur müsse die Regierung schaffen.

Auch Krumschnabel wünscht eine Rückkehr zur Vorgehensweise von vor 2013 – am besten aber gleich einen Systemwechsel. „Die Maut ist eine Methode aus dem Mittelalter“, schimpft der Kufsteiner Bürgermeister. Er regt eine zusätzliche Abgabe auf Treibstoff an, die dann zweckgebunden in den Straßenbau fließt. Oder einen Tunnel durch den Kaiser als Umfahrung der Grenzgemeinden. Kurzfristig stünden in seiner Stadt aber eine Ertüchtigung der Kreisverkehre und Fahrverbote in Wohngebieten im Raum. Oder eine zweite Dosierampel, die auch in der Gegenrichtung Querverkehr ermöglichen und innerorts für einige hundert Fahrzeuge weniger sorgen würde. All das wird im Falle einer Realisierung nur in Absprache mit Kiefersfelden geschehen. Denn: „Wir müssen gemeinsame Lösungen finden.“ Gemeinsames Leid verbindet – auch über Staatsgrenzen hinweg.

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