Zweiter Tag im prozess um den Tod zweier junger Frauen vom Samerberg

Erinnerungslücken bei den Beifahrern

von Redaktion

Sechs Zeugen waren gestern geladen, um rund um die Frage, wer für den Unfalltod zweier Frauen vom Samerberg im November 2016 verantwortlich ist, Licht ins Dunkel zu bringen. Ob der Hauptangeklagte vom Mitangeklagten beim Überholen behindert worden ist oder sich beide gar ein Rennen geliefert haben, blieb unbeantwortet.

Rosenheim/Samerberg – Obwohl sie bereits bei der ausgesetzten Verhandlung im Herbst 2017 ausgesagt hatten, erhofften sich die Prozessbeteiligten im erneut voll besetzten Saal des Rosenheimer Schöffengerichts gerade von den Unfallbeteiligten Aufschlüsse, wie es zu dem Drama gekommen war. Der 25-jährige Angeklagte Simon H. aus Ulm war am Abend des 20. November 2016 frontal mit seinem VW Golf auf der Miesbacher Straße in Rosenheim in den Nissan von Melanie Rüth (21) vom Samerberg gekracht. Die junge Frau starb noch am Unfallort, ihre 15-jährige Begleiterin Ramona Daxlberger wenig später im Krankenhaus (wir berichteten).

Zunächst wurde eine 41-jährige Frau aus Slowenien in den Zeugenstand gerufen, die bei Unfallfahrer Simon H. auf dem Beifahrersitz gesessen hatte und bei dem Frontalzusammenstoß selbst schwer verletzt worden war. So ist sie noch immer arbeitsunfähig und musste rund ein Dutzend Operationen über sich ergehen lassen. „Der Angeklagte hat bis heute nicht nachgefragt, wie es mir geht“, gab die 41-Jährige zu Protokoll.

Mit dem Handy in

der Hand am Steuer

An den Tag des Unfalls hatte sie nur noch lückenhafte Erinnerungen. Sie sei mit Simon H. in dessem roten Golf GTI auf dem Weg zu ihrem Auto gewesen, als sie plötzlich an der Panorama-Kreuzung von zwei schwarzen BMW überholt worden seien. „Er ist die ganze Zeit völlig normal gefahren“, erinnert sich die Slowenin an das Verhalten ihres Bekannten, „abgesehen davon, dass er mit dem Handy in der Hand navigiert hat.“ Von einer Sekunde auf die andere sei sie jedoch durch die Beschleunigung des Autos in den Sitz gedrückt worden, als H. angefangen habe, die beiden schwarzen BMW zu überholen. „Ich kann bis heute nicht verstehen, wieso er das getan hat“, so die Zeugin.

An eine frühere Aussage konnte sich die 41-Jährige indes nicht mehr erinnern. Damals hatte sie auf die Frage, ob es für H. eine Möglichkeit zum Wiedereinscheren gegeben habe, geantwortet: „Ich glaube nicht. Genau kann ich es nicht sagen. Aber ich glaube nicht.“

Dass für den Angeklagten aus Ulm jede Menge Platz zum Einscheren war, bezeugten hingegen der Beifahrer des Mitangeklagten Daniel R. (24) aus Kolbermoor, dem die Nebenklage vorwirft, sich mit Simon H. ein Autorennen geliefert und dessen Wiedereinscheren verhindert zu haben, sowie der Beifahrer des zweiten BMW, ein Kumpel von Daniel H. Dieser fuhr hinter ihm auf der Straße. 70 bis 100 Meter Platz habe der Abstand zwischen den beiden BMW betragen, so der Beifahrer von Daniel H., ein 24-Jähriger aus Kolbermoor. Auf gar 150 bis 200 Meter schätze der Beifahrer des hinteren BMW, ein 22-Jähriger aus Kolbermoor, gar den Abstand der beiden Fahrzeuge.

Sonst konnten sich die beiden Beifahrer an wenige Details erinnern. So wusste der 24-Jährige nicht mehr, ob er von R. an diesem Tag mit dem Auto abgeholt worden oder mit seinem eigenen Fahrzeug zum Treffpunkt – einem Fastfood-Lokal in Kolbermoor – gefahren war. Auch an die Smartphone-Nachricht „Diesmal war es gar kein Rennen“, die er nach dem Unfall verschickt hatte, konnte er sich weder erinnern, noch deren Wortlaut erklären.

Was auch Richter Christian Merkel gehörig gegen den Strich ging: „Also entweder hat einer große Erinnerungslücke oder einer lügt“, kommentierte er die abweichenden Aussagen zwischen den Angeklagten sowie den Zeugen. Die Aussagen der Zeugen vom ersten Prozesstag, die unabhängig voneinander angaben, die beteiligten Autos am Unfalltag bereits an anderen Stellen in der Region gemeinsam gesehen zu haben, konnten sich alle Beifahrer nicht erklären.

Aufhorchen ließ deshalb die Aussage eines 32-jährigen Polizisten, der drei Tage nach dem Unfall im Krankenhaus Wertgegenstände an die Schwester von Simon H. übergeben wollte. Und dabei auch mit dem Hauptangeklagten, der noch auf der Intensivstation lag, ins Gespräch kam. „Er wollte mir gegenüber seine Gedanken loswerden“, schilderte der Polizist und betonte, „dass es dabei nicht um irgendwelche Wahnvorstellungen gegangen sei, sondern der 25-Jährige „klar bei sich“ gewesen ist. Der Hauptangeklagte habe ihm damals geschildert, dass es bereits auf einer mehrspurigen, autobahnähnlichen Strecke – gemeint sein könnte die B15 zwischen Pfraundorf und Rosenheim – zum Aufeinandertreffen mit den BMW gekommen sei. Auch Überholmanöver hätte es dort bereits gegeben. Eine Aussage, die Zeugenangaben vom ersten Verhandlungstag unterstreicht, die die beiden Angeklagten sowie alle drei Beifahrer aber leugnen.

Fahrer bei Befragung „völlig cool“

Zwei weitere Polizisten, die am Unfallort den Fahrer sowie den Beifahrer des hinteren BMW vernommen hatten, berichteten zudem davon, dass sich der Fahrer des hinteren BMW bei der Befragung zunächst „völlig cool“ gegeben habe, „im Laufe der Vernehmung aber in Tränen ausgebrochen ist“. Sein Beifahrer sei „im Gegensatz zu den anderen sehr geschockt gewesen. „Ihn hat das sehr mitgenommen“, so der Polizist weiter.

Der Prozess wird am Donnerstag, 3. Mai, fortgesetzt. Dann soll unter anderem ein Gutachter den möglichen Unfallhergang schildern.

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