Freie Wähler: Degenhart beklagt „interne Schmutzeleien“

Austritt ausLandesvorstand

von Redaktion

Stadt- und Bezirksrätin Christine Degenhart ist als Beisitzerin im Landesvorstand der Freien Wähler zurückgetreten. In einem Schreiben an Parteichef Hubert Aiwanger beklagt die Rosenheimerin, die auch Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer ist, „interne Schmutzeleien“ bei der Listenplatz-Vergabe für die Landtagswahl.

Rosenheim – Christine Degenhart ist mächtig verärgert. Vor allem deshalb, weil sie der Bezirk Oberbayern ihrer Partei, den sie im Landesvorstand vertritt, bei der Aufstellung der Kandidatenliste für Oberbayern bei der Landtagswahl im Herbst auf Platz 18 „durchgereicht“ hat. Damit habe er ihr die Grundlage für eine Fortsetzung ihrer Arbeit im Landesvorstand entzogen, schreibt sie in dem Brief an Aiwanger.

Nicht zuletzt weil sie oberste Repräsentantin der bayerischen Architekten ist, war sie davon ausgegangen, auf Platz sechs der Oberbayern-Liste zu landen. So sei dies auch bei einer vorbereitenden Klausur im Vorfeld der entscheidenden Delegiertenversammlung abgesprochen worden. Zwischen Klausur und Nominierungsversammlung gab es dann hinter den Kulissen offenbar Absprachen zu ihrem Nachteil, von denen sie „als eine der Wenigen“ erst im Nachhinein erfahren habe. Letztlich landete sie auf Platz 18, während die aus dem Chiemgau stammende Direktkandidatin Mary Fischer deutlich vor Degenhart platziert wurde.

Für die 53-jährige Rosenheimerin ist dies Grund genug, in dem Schreiben an den Parteivorsitzenden die innerparteiliche Vorgehensweise bei der Listenaufstellung insgesamt infrage zu stellen. „Man hat ein Verfahren gewählt, das es einer Handvoll Menschen in den Regionen erlaubt, Reihungen nach Belieben und ohne jegliche sachliche Kriterien vorzunehmen. Das führt zwangsläufig dazu, dass taktische Erwägungen zum persönlichen Vorteil im Mittelpunkt stehen und nicht das Interesse an einer Reihung, die im oberbayerischen Interesse die meisten Stimmen bringt“, betont Degenhart.

Dass amtierende Landtagsabgeordnete und ein gewählter Landrat die Spitzenplätze auf der Liste einnehmen, sei für sie eine „Selbstverständlichkeit“. Dieser Logik folgend, hätte sie als Bezirksrätin aber unmittelbar dahinter platziert werden müssen, meint Degenhart. Dies sei nicht geschehen. Auf ihre Frage nach dem Grund dieser Vorgehensweise habe sie bisher keine Antwort erhalten. Die Rosenheimer Architektin zeigt sich in ihrem Schreiben jedenfalls „sehr ernüchtert über die Grundhaltung bei den Freien Wählern, zumindest in Oberbayern“. Leider habe es den Bezirksvorsitzenden Florian Streibl in keiner Weise interessiert, für sie als oberste Repräsentantin der Architekten im Freistaat „eine halbwegs nachvollziehbare Platzierung“ zu erreichen.

Im Gegenteil: Streibl habe sogar zugelassen, dass eine Bewerberin sie öffentlich mit den Worten „Wir Freie Wähler brauchen keine Kandidaten mit Titeln“ herabgewürdigt habe. „Heißt das, es ist bei uns ein Nachteil, wenn man etwas geleistet, wenn man etwas erreicht hat und ein Spitzenamt in Bayern bekleidet?“, wirft die Bezirksrätin in den Raum.

Hätte eine andere Partei über die Platzierung der höchsten Repräsentanten eines Berufsstandes in Bayern entschieden, hätte der Landesvorstand beraten und eine „unmissverständliche Beschlussempfehlung“ an das Entscheidungsgremium abgegeben, ist Degenhart überzeugt.

Trotz aller Enttäuschung will sie einen engagierten Wahlkampf führen und ist von ihrem Einzug in den Landtag überzeugt. Motivation für sie sind vor allem auch ihre Erfolge bei Urnengängen in der Vergangenheit. 2013 sei sie von Platz 27 der Landtagsliste auf Platz 14 nach vorne gewählt worden, auf der Bezirkstagsliste von Platz elf auf Platz vier.

Hatte der Landtagswahlkampf vor fünf Jahren noch zu einem Zerwürfnis zwischen ihr und der Parteispitze im Landkreis geführt, macht die Bezirksrätin dem Kreisvorsitzenden Sepp Hofer diesmal keine Vorwürfe. Ihre Kritik richte sich vor allem an die Adresse des Bezirks. Nachvollziehen kann Hofer diese nicht. „Das ist alles demokratisch abgelaufen.“ Absprachen seien bei allen Parteien üblich. „Aiwanger und Streibl trifft keine Schuld“, sagt Hofer.

Ursprünglich sei Platz sechs der Liste für die Region Rosenheim vorgesehen gewesen. Da habe sich schon abgezeichnet, dass sich Christine Degenhart und Mary Fischer nicht einigen können, wer auf diesem Platz antritt. Schließlich habe die Partei einen Landrat auf den sechsten Platz gesetzt, Platz sieben sei dann für Rosenheim bestimmt worden. Und für diesen Listenplatz habe Fischer mit 77 Prozent der Delegiertenstimmen eine deutliche Mehrheit bekommen. „Manche werden gewählt, weil man sie kennt. Manche nicht, weil man sie kennt“, schiebt der Kreisvorsitzende vielsagend hinterher.

Die Spitze der Freien Wähler in Bayern wollte sich auf OVB-Anfrage zu Degenharts Brief nicht äußern. Landesgeschäftsführer Michael Fischl ließ sich nur entlocken, dass der Parteivorsitzende den Vorstand über Degenharts Rücktritt informiert habe. Ihr Posten werde bei der Neuwahl nachbesetzt, die beim Parteitag im Oktober ansteht. Der im Büro von Hubert Aiwanger erbetene Rückruf blieb aus.

Auch 2013 gab es Krach

Die Landtagskandidatur von Christine Degenhart sorgte bereits im Jahr 2013 für erheblichen Wirbel in den Reihen der Freien Wähler. Damals wurde sogar die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Grund: Degenhart fühlte sich von Hofer und dessen damaligen Stellvertreter Christian Krämer beleidigt und sah auch den Versuch der Nötigung. Deshalb zeigte sie beide an. Die Staatsanwaltschaft sah die Vorwürfe als haltlos an und stellte das Verfahren ein.

Wie die OVB-Heimatzeitungen einst berichteten, scheiterte Hofer mit dem Versuch, Degenharts Kandidatur zu verhindern. Der Streit eskalierte. Hofer warf Degenhart unter anderem „parteischädigendes Verhalten“ vor, auch der Begriff „charakterlos“ fiel. Sie bezichtigte ihn und Krämer, sie zu mobben und eine Vernichtungskampagne gegen sie zu führen. Um die Wogen innerhalb der Partei zu glätten, berief Parteivorsitzender Hubert Aiwanger damals einen runden Tisch ein.tt

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