Landkreis – Nach „Heimat 1914“ und „Orte der Jugend“ (2016) ist „Heimat 1918“ bereits die dritte Zeitreise, zu der das Museumsnetzwerk Rosenheim einlädt. 14 kulturelle Einrichtungen beleuchten die Umwälzungen in der politischen Landschaft und in den gesellschaftlichen Strukturen, im Alltag und in Kunst und Kultur in der Region. „Damit beschließen wir die Reihe und runden zugleich das Thema ,Erster Weltkrieg‘ ab“, erklärt die Kunsthistorikerin und Volkskundlerin Michaela Firmkäs aus Nußdorf, bei der auch diesmal die Fäden für das Gemeinschaftsprojekt zusammenlaufen.
Jede der 14 Institutionen zwischen Amerang und Kiefersfelden, Bad Aibling und Frasdorf hat dabei die Jahre 1918/19 aus einem anderen Blickwinkel heraus thematisch aufbereitet. Auf diese Weise ist eine Gesamtschau entstanden, bei der jede Einrichtung ihr ganz eigenes Schlaglicht auf die Monate rund um das Kriegsende und die Anfänge der Weimarer Republik wirft:
Vom „Unternehmen Bosnien“ des Industriepioniers Otto von Steinbeis, des Erbauers der Wendelsteinbahn, erzählt beispielsweise das Bauernhausmuseum Amerang. Stumme Zeugen wie Stahlhelme und Feldgeschirr erinnern im Heimatmuseum Bad Aibling an den letzten Kriegsherbst. Und die Stimmung in der Huf- und Wagenschmiede, von jeher ein Treffpunkt für die Besitzer von Arbeits- und Reitpferden, beleuchtet die Brannenburger Künstlerkolonie. Denn neben Soldaten wurden damals auch unzählige Rösser zum Kriegsdienst herangezogen.
Eine umfangreiche Sammlung von Texten und Bildern legt im Dorf- und Höhlenmuseum Frasdorf Zeugnis ab von den Geschehnissen rund um das Ende der Herrschaft der Wittelsbacher-Dynastie, das eng mit Schloss Wildenwart verbunden ist. Der einstige König Ludwig III. hatte dort zudem nach seiner Rückkehr aus dem Exil den größten Teil seines Lebensabends verbracht. Die Bemühungen um das Wiederbeleben der Ritterschauspiele nach dem Krieg sind Thema im Blaahaus Kiefersfelden. Doch es sollte einige Jahre dauern, bis sich der Vorhang im Volkstheater wieder hob.
Einblick in buchstäblich lausige Zeiten gewährt das Heimat- und Industriemuseum Kolbermoor. Dort widmen sich die Ausstellungsmacher der „Sanierungsanstalt“ bei Fürstätt, in der Soldaten ebenso wie Gefangene entlaust wurden. Das Areal, auf dem seinerzeit mehr als Hundert Hallen und Baracken untergebracht waren, ist längst im Gewerbegebiet Aicherpark aufgegangen. Auf eindringliche Weise zeichnet derweil die Stadt Kolbermoor mit einer Ausstellung im Rathaus die Zeit der Räterepublik und das Ende einer wahrhaft roten Bastion nach, in dessen Zuge auch der Volksratsvorsitzende Georg Schuhmann und sein Sekretär Alois Lahn brutal ermordet wurden.
Das tragische Schicksal des hochbegabten Schriftstellers Otto Braun rückt das Schloss Neubeuern in den Mittelpunkt. Derweil thematisiert die Moorstation
Nicklheim die Arbeiteraufstände: So zogen am 14. April 1919 die Großholzhausener Bauern in den Torfstich, um gegen die Aufständischen vorzugehen; dabei wurde einer der Arbeiter bei einem Schusswechsel getötet. Der gefallenen Soldaten wird am Nußdorfer Mühlenweg gedacht. Heimkehrer hatten dort den Bau eines Kriegerdenkmals selbst in die Hand genommen.
Die unterschiedlichen Rollen der bayerischen Literaten – als Kriegstreiber, Pazifist oder Revolutionär – greift das Bauernhausmuseum Rohrdorf anhand von Erstausgaben, Originalschriften und historischen Dokumenten auf. Und selbstredend steht auch die Sequenz in der Städtischen Galerie in Rosenheim ganz im Zeichen der Kunst; sie setzt sich mit dem Maler Anton Kerschbaumer, einem gebürtigen Rosenheimer, auseinander.
Mit Karl Göpfert ruft das Städtische Museum Rosenheim eine Persönlichkeit ins Gedächtnis, die für kurze Zeit als Bürgermeister die Geschicke der Stadt leitete und später wegen Beihilfe zum Hochverrat zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde.
Und wie sich eine Frau in einer Männerdomäne behauptete, dokumentiert das Holztechnische Museum Rosenheim am Beispiel der Creszenz Wiesböck, die am westlichen Stadtrand eine Parkett-Fabrik leitete. Auch einen Einblick in die damaligen Arbeitsbedingungen gewährt die kleine Sonderschau.
Auch der letzte Teil der Ausstellungs-Trilogie soll mehr vermitteln als „nur“ Zeitgeschichte, so Michaela Firmkäs. „Wir wollen den Bürgern zugleich die Vielfalt unserer Museumslandschaft in der Region bewusst machen. Und unsere ersten beiden Ausstellungen haben uns gezeigt, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind.“