Fragwürdiges „Geständnis“ im Behandlungszimmer

von Redaktion

Rosenheimer Kripo ermittelt zu schnell: BGH hebt Traunsteiner Urteil nach Feuer in Rosenheim-Happing wieder auf

Rosenheim/Karlsruhe – Der Fall sorgte im Sommer 2016 für viel Aufregung im Rosenheimer Süden: Am 19. Juli brannte es im Stadtteil Happing. Die beiden Mieterinnen, eine 75-jährige Frau und ihre Tochter (52), die sich wieder einmal im Streit mit ihren Vermietern befanden, kamen schnell in den Verdacht, das Feuer in der Doppelhaushälfte selbst gelegt zu haben. Schließlich stand die Zwangsräumung wegen hoher Mietrückstände unmittelbar bevor.

Tatsächlich wurden sie später am Traunsteiner Landgericht zu Haftstrafen verurteilt. Doch nun muss neu verhandelt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil aufgehoben und gerügt. Laut SZ wirft der BGH den Traunsteiner Richtern vor, das Urteil auf fragwürdige Ermittlungsmethoden der Kriminalpolizei Rosenheim gestützt zu haben.

Denn die Kripo-Fahnder drückten aufs Tempo. Die zwei Frauen wurden von der Feuerwehr per Drehleiter aus dem Haus geholt und in getrennten Streifenwagen ins Krankenhaus gefahren. Noch in den Polizeifahrzeugen hatte man die Mieterinnen über ihre Rechte belehrt. Die Mutter habe den Beamten erklärt, sie wolle von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen. Doch das sei von einer Kripo-Beamtin ignoriert worden. Sie habe das Gespräch im Wagen stets auf den Brand gelenkt, so der BGH.

Im Romed-Klinikum sei die Beamtin dann mit ins Behandlungszimmer gegangen. Die Frau, die vor dem Brand Antidepressiva geschluckt hatte, sollte laut BGH dem Arzt auf seine Nachfrage den Brandhergang schildern. Dabei habe die 75-Jährige erzählt, dass sie im Erdgeschoss Benzin ausgeschüttet und dann angezündet hat. Die Polizistin hörte zu.

Das Traunsteiner Urteil – vier und viereinhalb Jahre Haft – habe sich wesentlich auf dieses „Geständnis“ und die Aussage der Polizistin gestützt, rügen die Karlsruher Richter. Der Anwalt der 75-Jährigen hatte sich schon in Traunstein über das Vorgehen der Kripo beschwert und war deshalb vor den BGH gezogen – mit Erfolg. Jetzt wird der Prozess neu aufgerollt. ls

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