Abgasskandal

„Urteil ist ein Desaster für VW“

von Redaktion

Entscheidend ist, was hinten rauskommt: Das Kohl-Zitat von 1984 lässt sich spielend auf den Dieselskandal umlegen. Nun ist in der Region das erste Urteil im Zuge der Dieselaffäre gefallen. Was dabei herausgekommen ist, stellt Dr. Jürgen Klass, Anwalt einer VW-Fahrerin aus Tuntenhausen, zufrieden: „Die richterliche Entscheidung ist ein Desaster für VW.“

Rosenheim/Traunstein – In dem Musterprozess hat das Traunsteiner Landgericht den VW-Konzern jetzt zum Schadenersatz verurteilt. Rund 5800 Euro nebst Zinsen muss die Volkswagen AG der Tiguan-Fahrerin aus dem Landkreis Rosenheim zurückzahlen. Auch vom Darlehensvertrag in Höhe von rund 10500 Euro wird die Kundin freigestellt.

Im Gegenzug gibt sie den Wagen zurück und zahlt eine Nutzungsgebühr für die gefahrenen Kilometer. Zudem erhält die Frau von VW rund 1270 Euro für vorgerichtliche Anwaltskosten. Von den Kosten des Rechtsstreits muss sie 17 Prozent, der Konzern 83 Prozent übernehmen. Rechtskräftig ist das Urteil allerdings noch nicht. VW hat Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) München eingelegt.

Die Klage sei „im tenorierten Umfang“ – und damit ganz überwiegend – begründet, heißt es im Urteil. Die Tuntenhausenerin habe besonderes Vertrauen in den größten deutschen Automobilhersteller gesetzt, jedoch einen Schaden erlitten, weil ihr ein Auto verkauft wurde, dessen Software mit einer illegalen Abschalteinrichtung ausgestattet war.

Den Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 57000 Kilometern hatte die Frau im April 2017 bei einem Händler in Miesbach gekauft – für einen Bruttoverkaufspreis von 18500 Euro. 9000 Euro zahlte sie sofort, weitere 10500 Euro sollte sie über ein Darlehen abstottern.

Weil das Auto laut Kraftfahrt-Bundesamt mit einer „unzulässigen Abschalteinrichtung“ ausgestattet war, sah sich die Kundin durch die manipulierten Abgaswerte betrogen. Erschwerend kam hinzu, dass sich nach dem durchgeführten Software-Update massive Probleme am Wagen einstellten.

Also erhob sie Zivilklage direkt gegen die VW AG. Ein Vergleichsangebot, das der Autobauer aus Wolfsburg unterbreitete, hielt ihr Rechtsanwalt für unzureichend. So kam es zum Prozess am Landgericht Traunstein.

Die Anklage lautete auf „Schadensersatzanspruch wegen eines manipulierten Dieselfahrzeugs“. Gefordert hatte die Klägerin rund 9100 Euro Schadenersatz. Weil die Richterin ihre gefahrenen Kilometer auf die Summe umlegte, erhält die TiguanFahrerin nicht den ganzen Betrag, sondern „nur“ 5800 Euro zurück.

„Aus meiner Sicht hat das Urteil eine hohe Signalwirkung – nämlich, dass es sich lohnt, sein Recht einzuklagen“, sagt Klass. Aktuell seien vor den Landgerichten in Traunstein und München mehrere Dutzend Diesel-Verfahren anhängig, so der Rosenheimer Rechtsanwalt. Zu beachten sei aus Verbraucher- und Kundensicht auch, dass die Verjährungsfrist Ende 2018 abläuft – zumindest, was die vom Skandal betroffenen EA189-Motoren betrifft. So könnte auf das Traunsteiner Landgericht eine weitere Prozesswelle im Zuge des Abgasskandals zurollen. Weitere klagewillige Besitzer von manipulierten Dieselautos stehen laut Klass in den Startlöchern.

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