In Rosenheim eröffnet die erste bayerische Filiale des Münchener Hanfladens

„Raus aus der Schmuddelecke“

von Redaktion

Lebensmittel, Textilien, Kosmetik, Schmuck: Ein buntes Sortiment bietet ein neuer „Bioladen“, der heute, Donnerstag, in Rosenheim eröffnet. Doch es handelt sich nicht um ein normales Geschäft, sondern um die bayernweit erste Filiale des Münchener Hanfladens. Und der versteht sich auch als Netzwerk für die Legalisierung von Cannabis.

Rosenheim – 400 Produkte wird es im Rosenheimer Hanfladen geben: vom Pesto bis zum Salatöl, von der Trockennahrung für Tiere bis zu T-Shirts, von der Handcreme bis zum Badesalz. Die Artikel haben eins gemeinsam: Die Basis liefern Fasern, Samen, Blätter und Blüten der grünen Nutzpflanze Hanf. Sie hat jedoch als Rohstoff, aus dem auch illegale Rauschmittel wie Marihuana und Haschisch hergestellt werden, einen schlechten Ruf.

Zu Unrecht, findet Wenzel Vaclav Cerveny (57), Gründer des Geschäftsmodells „Hanfladen“. Im Mai 2017 wurde er in der Münchener Einsteinstraße eröffnet. Jetzt, ein gutes Jahr später, folgt die erste Filiale im Freistaat – in der Rosenheimer Kaiserstraße 12.

In München hatte es nach Angaben von Cerveny eineinhalb Jahre gedauert, bis sich endlich ein Vermieter traute, seine Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. „Rosenheim war da offener“, stellt der geschäftsführende Gesellschafter des 2016 gegründeten Cannabis-Instituts GmbH fest.

Informationen über Cannabis als Medizin

Die Wahl für die erste Filiale außerhalb von München fiel vor allem aus persönlichen Gründen auf die Innstadt. Cerveny hat jahrelang in Rott gewohnt und familiäre Verbindungen in die Region. Außerdem stelle Rosenheim als Oberzentrum ein großes Einzugsgebiet bereit.

In München ist das Hanfgeschäft, das sich als „etwas anderer Bioladen“ versteht, auch eine Anlaufstation für Menschen, die sich für Cannabis als Medizin interessieren. So wie das Münchener Geschäft soll auch das in Rosenheim ein Treffpunkt für Patienten, Angehörige, Ärzte und Interessierte werden. Cerveny will Cannabis durch Information und Aufklärung, Vorträge und Aktionen „aus der Schmuddelecke“ herausholen.

Dort befindet sich Cannabis eigentlich nicht mehr, denn Anfang dieses Jahres hat der Bundestag beschlossen, das Rauschmittel als Medizin zuzulassen – für Schwerkranke auf ärztliche Verschreibung. Dies geschieht bereits in Stadt und Landkreis Rosenheim, teilt Dr. Fritz Ihler, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes, auf Anfrage mit. Wenn die Indikation stimme und die Krankenkasse die Genehmigung erteile, gebe es Cannabis auf Rezept – in der Apotheke. Grundsätzlich findet Ihler: „Das erweitert das Therapieangebot auf sinnvolle Weise – vor allem für Tumorpatienten.“

Ihler verweist angesichts der Bedenken hinsichtlich der Suchtgefahr darauf hin, dass diese auch bei Morphinpräparaten und Tranquilizern bestehe. Hier bedürfe es ebenso wie bei Cannabis einer intensiven Betreuung und Patientenaufklärung durch den behandelnden Arzt.

Dass die Ärzteschaft vielfach ebenfalls noch hohen Schulungsbedarf hinsichtlich des therapeutischen Einsatzes von Cannabis hat, wie Cerveny in München festgestellt haben will, weist Ihler zurück. Die Kollegen in Stadt und Landkreis seien durch Fortbildungen gut über die neuen Therapiemöglichkeiten informiert.

Debatte um die Legalisierung

Über die Verwendung als Medizin für Schwerkranke hinaus hat sich auch eine Legalisierungsbewegung entwickelt. Sie wird ebenfalls mit dem Namen des Aktivisten Cerveny, Gründer des Münchener Hanfladens und der am Donnerstag eröffnenden Rosenheimer Filiale, verbunden. Cerveny will es als Listenkandidat der FDP in Oberbayern (Platz 42) in den Landtag schaffen und dort für die Legalisierung kämpfen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat er auch eine Online-Petition initiiert.

Befürworter argumentieren unter anderem, Polizei und Justiz könnten bei einer Entkriminalisierung Ressourcen anderweitig einsetzen. Eine klare Position hat dazu Robert Kopp, Präsident des Polizeipräsidiums Oberbayern-Süd: „Gesundheitsgefährdende Straftaten dürfen nicht legalisiert werden, nur weil sie den Sicherheitsbehörden Aufwände bereiten.“ Nach seiner Erfahrung aus über 40 Jahren Polizeidienst wäre eine Entkriminalisierung vor allem für Kinder und Jugendliche das falsche Signal.

Kopp geht davon aus, dass die Zahl der Konsumenten bei einer Legalisierung zunehmen würde. Regelmäßiger Konsum könne gerade bei jungen Menschen teils schwere psychische Schäden wie Depressionen oder Schizophrenie hervorrufen.

Auch das Argument, Alkohol stehe in puncto Gefährlichkeit auf einer Stufe mit Cannabis und sei nach wie vor das größte Suchtproblem, lässt der Polizeipräsident nicht gelten. „Natürlich haben wir auch übermäßig alkoholisierte Personen, die die Polizei immer wieder zeitintensiv beschäftigen. Ich verstehe deshalb nicht, warum wir uns mit der Legalisierung von Cannabis, einem weiteren Rauschmittel, zusätzliche Probleme schaffen sollten?“

Kopp verweist außerdem auf einen in seinen Augen wesentlichen Unterschied: Ein Glas Wein oder eine Halbe Bier lasse sich durchaus zum reinen Genuss trinken. „Anders als beim verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol führt Cannabiskonsum immer zu einem Rauschzustand.“

Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern-Süd gab es im vergangenen Jahr laut Statistik 30 Rauschgifttodesfälle. duc

Artikel 1 von 11