Chronisch schizophren: Freispruch

von Redaktion

Randale in der Notaufnahme und Missachtung einer Polizeikontrolle bleiben ohne Konsequenzen

Traunstein/Rosenheim – Seinem Vater, der sich in der Notaufnahme des Klinikums Rosenheim einer Blutentnahme unterziehen sollte, wollte der 26-jährige Sohn beistehen. Als ihn Polizeibeamte und Klinikpersonal daran hindern wollten, randalierte der psychisch kranke Berliner und verletzte einen der Polizisten. Außerdem durchbrach er eine Grenzkontrolle bei Kiefersfelden. Dabei fuhr er auf einen Bundespolizisten zu, der sich durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit bringen konnte. Die Zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs sprach den Mann jetzt in beiden Fällen wegen Schuldunfähigkeit zu Lasten der Staatskasse frei und verneinte seine Unterbringung in der Psychiatrie.

Der erste Vorfall ereignete sich am 25. Juni 2016 gegen 21.55 Uhr. Der Vater des Berliners hatte nach einem Verkehrsunfall eine blutende Verletzung. Der Sohn war voller Sorge und wurde laut. Wie ein Polizeizeuge berichtete, war zunächst nicht klar, dass es sich bei ihm um einen engen Verwandten des Verletzten handelte. Nach einer Belehrung durfte der Angeklagte dann im Behandlungszimmer bleiben. Weil er eine Krankenschwester bei der Blutentnahme mehrmals störte, erteilte ihm ein Polizist einen Platzverweis. Als der Beamte den Randalierer aus dem Zimmer schieben wollte, schlug der 26-Jährige mit der Faust nach hinten. Er traf den Polizisten, der eine Rippenprellung erlitt.

Am 1. Dezember 2016 fuhr der Mann mit seinem Pkw Richtung Österreich. Knapp außerhalb des Ortsbereichs von Kiefersfelden hatten Bundespolizisten einen Kontrollpunkt eingerichtet. Weil er zu schnell dran war, sollte der Fahrer überprüft werden. Der ignorierte jedoch die Kelle mit der Aufschrift „Halt Polizei“ und fuhr einfach weiter. Ein Beamter konnte sich nur durch einen Sprung zur Seite retten. Nach nur minimalem Bremsen beschleunigte der Angeklagte den Wagen wieder und setzte die Fahrt Richtung Kufstein fort.

Auf die Spur des Autolenkers kam die Polizei schnell. Das Kennzeichen des Fahrzeugs war auffällig, die Wohnadresse des Angeklagten bekannt. Eine Streife wartete schon in der Nähe seines Zuhauses, als er irgendwann zu Fuß dort ankam. Auf Fragen der Polizei antwortete er, er sei nicht mit seinem Auto unterwegs gewesen, sondern mit einem Taxi. Die Beamten stießen auf ein noch in der Nähe stehendes österreichisches Taxi. Der Fahrer schilderte, er habe den Gast in Kufstein aufgenommen. Daraufhin gestand der 26-Jährige das Vergehen in Kiefersfelden. Zum Motiv für sein Handeln sagte er, er habe sich von den Polizisten „bedroht gefühlt“. Die Polizeibeamten dachten zunächst, der Mann stehe aufgrund seines seltsamen Verhaltens unter Drogen oder Alkohol, was sich aber bei einem Test nicht bestätigte.

Der psychiatrische Sachverständige Dr. Hermann Wendt aus Berlin attestierte dem 26-Jährigen eine chronische schizophrene Erkrankung und wahrscheinliche Schuldunfähigkeit zu den Tatzeiten. Der Angeklagte habe mit der Realität ohnehin Schwierigkeiten, dazu in akuten Phasen beeinträchtigte Filterimpulse und Denkstörungen. Mit Medikamenten könne die Krankheit zum Teil in Schach gehalten werden, so der Gutachter. Der Angeklagte neige zu aggressiv getönten Handlungen. Die Wiederholungsgefahr sei derzeit nicht hoch, auch wenn in akuten Phasen „Fehlhandlungen möglich“ seien. Das Krisenmanagement der Familie scheine zu funktionieren.

Staatsanwalt Alexander Foff betonte, die Umstände in der Klinik seien für den Sohn eine Stresssituation gewesen. Bei der Polizeikontrolle habe der 26-Jährige wegen seiner Erkrankung „nicht gewusst, was er tut“. Den Führerschein habe der Mann freiwillig zurückgegeben. Der Angeklagte sei freizusprechen, eine Unterbringung nicht anzuordnen. So plädierte auch Verteidiger Heinz Möller aus Berlin.

Der Vorsitzende Richter führte aus, ein Schuldunfähiger müsse freigesprochen werden. In puncto „Unterbringung“ schließe sich die Kammer dem Sachverständigen vollkommen an. Erhebliche Straftaten seien nicht zu erwarten. Bei der juristischen Wertung sei das straffreie Vorleben des 26-Jährigen zu berücksichtigen. Trotz der chronischen Erkrankung gehe von ihm derzeit keine Gefährdung für die Allgemeinheit aus. Er legte dem Mann aber „eine fachliche Betreuung, Behandlung mit entsprechenden Medikamenten und eine Therapie“ ans Herz. Der 26-Jährige müsse diesbezüglich im eigenen Interesse in die Gänge kommen, sagte der Richter.

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