Griesstätt/Kolbermoor – Er war mit seinem Wagen mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs und krachte mit seinem Fahrzeug an der Kreuzung der Staatsstraßen 2079 und 2359 bei Griesstätt in einen Golf. Weil dessen Fahrer, ein 71-jähriger Pensionär aus München, infolge des Unfalls am 5. Juni des vergangenen Jahres verstarb (wir berichteten), musste sich der 24-jährige Kolbermoorer nun wegen fahrlässiger Tötung vor dem Rosenheimer Amtsgericht verantworten. Das Urteil: neun Monate auf Bewährung und 18 Monate Fahrverbot.
Der Angeklagte hatte in seinem Pkw mit vier Insassen von Wasserburg kommend die bevorrechtigte Straße befahren, als der 71-jährige Golffahrer mit seiner Gattin auf dem Beifahrersitz nach links auf die an der Kreuzung der Staatsstraßen 2079 und 2359 einbog und dabei die Vorfahrt missachtete.
Allerdings hatte der Kolbermoorer kurz vorher zwei Pkw überholt und zu diesem Zweck, wie der Sachverständige Andreas Thalhammer ermittelte, auf etwa Tempo 160 beschleunigt. Mit derselben Geschwindigkeit näherte er sich der Kreuzung, als der Golf unvermittelt auf die Straße fuhr.
Golf überschlug
sich mehrfach
Bei dieser Geschwindigkeit, so der Sachverständige, hatte der Kolbermoorer keine Chance, den Zusammenstoß zu vermeiden. Der Aufprall war derart heftig, dass sich das Fahrzeug mehrfach überschlug und der Golf zweieinhalbmal gedreht wurde. Zudem wurde der Motorblock herausgerissen und an die 60 Meter weit geschleudert. Der Golffahrer erlag noch am selben Tag im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Alle anderen Unfallopfer waren mehr oder weniger schwer verletzt.
Weil die Zeugenaussagen voneinander abwichen, kam es umso mehr auf die Ermittlungen und die technischen Feststellungen des Gutachters an.
Sachlich und nüchtern erklärte dieser die möglichen und wahrscheinlichen Umstände. Dabei wurde einerseits deutlich, dass der junge Mann wegen des vorherigen Überholvorganges mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war, andererseits aber auch, dass das Unfallopfer das herannahende Fahrzeug hätte bemerken müssen und dennoch die Vorfahrtsregel missachtet hatte. Weil der Gutachter aber erklärte, dass sich der Unfall hätte vermeiden lassen, wenn der Angeklagte die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h eingehalten hätte, lag die überwiegende Schuld beim Angeklagten.
Das sah auch der Staatsanwalt in seinem Schlussvortrag so. Zwar teilte auch er die Meinung, dass den Verstorbenen eine Mitschuld träfe. Jedoch sei in der Hauptsache die überhöhte Geschwindigkeit des Angeklagten die Unfallursache gewesen. Diese habe er nicht verringert, wodurch der Unfall unvermeidlich geworden sei. Er beantragte eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten, die man zur Bewährung aussetzen könne. Darüber hinaus solle ein Führerscheinentzug von 18 Monaten den jungen Mann dazu erziehen, sich im Straßenverkehr künftig achtsamer und defensiver zu bewegen.
Rechtsanwalt Christian Schluttenhofer vermochte als Vertreter der Witwe als Nebenklägerin keine Mitschuld des verstorbenen Fahrers erkennen. Er verwies auf die Geschwindigkeitsdiskrepanz zwischen gefahrenen 160 und erlaubten 100 km/h und forderte eine deutliche Strafe.
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Marc Herzog, zeigte sich überzeugt, dass der Überholvorgang und der Unfall ursächlich nichts miteinander zu tun gehabt hätten. Er versuchte darzustellen, dass dieser Unfall sich auch bei Tempo 100 hätte ereignen können. Letztlich sei die Missachtung der Vorfahrtsregelung Auslöser für den Unfall gewesen. Auch die Tatsache, dass sein Mandant weder im Verkehrsregister noch im Bundeszentralregister negativ aufgefallen sei, spräche für ihn. Entsprechend plädierte er auf Freispruch.
Vorsitzender Richter Felix Ziemer sprach den Angeklagten schuldig: „Ich halte sie nicht für einen notorischen Raser. Vielmehr handelt es sich hier wohl um ein Augenblicks-Versagen.“ Dessen ungeachtet sei der Kolbermoorer aber schuldig zu sprechen, weil sich bei der damals erlaubten Geschwindigkeit von 100 km/h – inzwischen sind dort maximal 70 km/h erlaubt – der Unfall, laut Gutachten, hätte vermeiden lassen. Man müsse davon ausgehen, dass der Angeklagte mit 160 unterwegs gewesen sei. „Damit musste das Unfallopfer, auch wenn es unerlaubt in die Kreuzung eingefahren ist, nicht rechnen“, so der Richter.