Bernau – „Ich hab gar nicht nachgedacht. Das hat mein Körper von alleine gemacht“, sagt Lea. Sie schildert, was am Samstag vor einer Woche passiert ist: „Ich stand auf dem Steg und habe mich umgedreht, weil ich hinter mir im Wasser komische Geräusche gehört habe.“ Einen Moment lang konnte die 14-Jährige nicht zuordnen, ob das Mädchen wirklich in Not war. „Sie war immer wieder mit dem Kopf unter Wasser und hat so merkwürdig gepaddelt. Ich dachte mir nur, so schwimmt man doch nicht.“ Ein Bub, der offensichtlich dazugehörte, rief noch, jemand solle helfen, weil er – genau wie das Mädchen – nicht schwimmen könne. Den Schluss hörte Lea schon nicht mehr. Sie war bereits ins Wasser gesprungen.
Lea machte alles so, wie sie es im Schwimmunterricht am Priener Ludwig-Thoma-Gymnasium gelernt hatte: Sie legte den Kopf der Ertrinkenden auf ihre linke Schulter, hielt den Körper mit einer Hand fest und machte mit der freien Hand Schwimmbewegungen. Froh war sie, dass sie nur wenige Meter so auf dem Rücken schwimmend zurücklegen musste. Passiert war dies nämlich nur ein, zwei Meter neben dem Steg, nahe des Sprungbretts. Dort, wo man trotz Ufernähe nicht mehr stehen kann. Sorge bereitete Lea, dass das Mädchen an ihrer Schulter sich nicht mehr bewegte.
Als Lea an der Metalltreppe ankam, die vom Steg ins Wasser führt, standen schon zwei Männer parat. Sie nahmen ihr das ohnmächtige Mädchen ab, brachten es in stabile Seitenlage. Sofort waren weitere Badegäste da, leisteten Erste Hilfe und riefen den Rettungsdienst. Zuvor hatte die Notlage im Wasser kaum einer mitbekommen.
Was sie eben geleistet hatte, wurde Lea erst bewusst, als ihre beiden Freundinnen sie in den Arm nahmen und sagten, sie habe gerade jemandem das Leben gerettet. Lea überzeugte sich, dass das Mädchen versorgt war. Es war wieder bei Bewusstsein und spuckte Wasser. Dann ging sie auf die Liegewiese zurück zu ihren Eltern und dem kleinen Bruder. Diese hatten den Aufruhr zwar bemerkt, aber nicht mitbekommen, dass ihre Tochter mittendrin steckte.
Tränen der Erleichterung
Als sie bei ihrer Familie war, die Anspannung nachließ und der Adrenalinpegel sank, brachen die Tränen aus der 14-Jährigen heraus. Die Freundinnen erzählten den Eltern, was passiert war und dass Lea nun eine Heldin sei. In den Armen von Mama und Papa weinte sie sich gründlich aus, dann kauften ihr die Freundinnen zur Belohnung noch eine große Portion Pommes am Kiosk. Aus der Ferne bekamen sie mit, wie das gerettete Mädchen in einem Boot der Wasserwacht abtransportiert wurde.
„Ich bin so stolz, dass sie so gut reagiert hat. Und das, obwohl Erwachsene da waren, die auch hätten helfen können. Hut ab, dass sie einfach gesprungen ist.“ Mutter Natalie Stangl strahlt, wenn sie daran denkt, was ihre Tochter ein paar Tage zuvor getan hat. Vater Patrick ergänzt nicht weniger stolz: „Eigentlich sollte so etwas ja normal sein.“
Lea hat zwar den Freischwimmer, sagt aber übers Schwimmen: „Das ist nicht gerade mein Lieblingssport. Aber in so einer Lage geht es dann schon.“ Heilfroh ist die baldige Neuntklässlerin, dass sie beim Schwimmkurs in der siebten Klasse gelernt hat, wie man jemanden rettet. Ihr kleiner Bruder Jonas habe jetzt in der Siebten sogar in jeder Schwimmstunde die Rettung geübt. „Gerade in unserer Gegend mit den vielen Seen ist es wichtig, dass das in der Schule gelernt wird“, findet Mutter Natalie Stangl.
Gerettetem Mädchen geht es gut
Das gerettete Mädchen kennen die Stangls vom Sehen. Sie wissen, dass es ein örtliches Flüchtlingskind ist. Sie mag ein bisschen jünger oder älter als sie selbst sein, Lea ist sich da nicht so sicher. Eine Freundin aus dem Helferkreis habe berichtet, dass sie am nächsten Tag schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen war und dass es ihr gut geht. Außerdem wusste sie, dass das Mädchen bereits für den Herbst zum Schwimmkurs angemeldet ist.
Abends zu Hause erfuhr auch das letzte Familienmitglied von den dramatischen Ereignissen. „Deine Schwester ist eine Heldin“, hatten die Eltern Leas 18-jährigem Bruder erklärt. Nachdem er die ganze Geschichte erfahren hatte, war auch er mächtig stolz auf seine kleine Schwester.