Rosenheim/Oberaudorf – Voigt ist seit 2011 Berufspilot bei der HTM Helitravel in Taufkirchen bei München. Er gehörte zum aus fünf Helikoptern bestehenden „Team Germany“, das offiziell über die EU in Schweden im Löscheinsatz war. Zwei Wochen lang bekämpfte er in Skandinavien die verheerenden Waldbrände. Kaum zurück in Oberbayern, wartete am Schwarzenberg bei Oberaudorf das nächste Feuer. Im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen blickt der verheiratete Familienvater (zwei Kinder) auf die Brandkatastrophen zurück.
Herr Voigt, das waren turbulente Wochen für Sie. Kann man die Einsätze in Schweden und im Inntal miteinander vergleichen?
Nein. Am Schwarzenberg hatte das Feuer eine maximale Ausbreitung von 500 auf 300 Meter – allerdings in einem extrem steilen, schwer zugänglichen Waldstück. In Schweden haben die Behörden zeitgleich rund 25 Brände registriert, wovon die größeren bis zu 20000 Hektar und die kleineren bis zu 5000 Hektar umfassten. Der Einsatz hatte eine ganz andere Dimension, mit Maschinen und Piloten aus Schweden, Deutschland, Norwegen, Italien und Frankreich.
Wie lief der Einsatz am Schwarzenberg ab?
Ich wurde nachmittags alarmiert, bin von Taufkirchen ins Inntal geflogen und auf der Wiese am Brünnsteinweg gelandet, wo sich die Einsatzzentrale befand. Nach der Absprache mit Polizei, Bergwacht und Feuerwehren und einem Transportflug zur Alm ging es mit dem ersten vollen 950-Liter-Wasserbehälter auch schon hinauf zum Brand. Bis zum Einbruch der Dunkelheit dürften es rund 30 einzelne Löschflüge gewesen sein.
Dann haben Sie fast 30000 Liter Wasser abgeworfen. Wie wird der Behälter immer wieder voll?
Eine gute Frage, die mich freut. In meinem Fall hat das die Feuerwehr mit Wasserschläuchen erledigt. Und das gibt mir die Gelegenheit, den Fokus auf die großartige Arbeit der vielen nichtfliegenden Einsatzkräfte zu lenken. Wenn Helikopter Wasser auf brennende Wälder abwerfen, schaut das spektakulär, bedrohlich und gefährlich aus. Aber die Öffentlichkeit sollte nicht nur die Piloten im Blick haben, sondern auch die vielen Helfer am Boden, die am Schwarzenberg eine grandiose Leistung gebracht haben. Bei Brandkatastrophen muss jeder Handgriff sitzen, ein Rad ins andere greifen. Neben Polizei, Bergwacht, Feuerwehr und Technikern sind die Helis nur ein Glied in der Löschkette.
Was muss ein Pilot beachten, um Brände effektiv zu bekämpfen? Welche Gefahren gibt es?
Am Schwarzenberg waren zeitgleich sechs oder sieben Helikopter auf engstem Raum in der Luft. Die Piloten, die auf einer speziellen Frequenz funken, müssen ständig Kontakt zur Einsatzleitung am Boden halten, die präzise Anweisungen gibt und das Luftgeschehen koordiniert. Oft sorgt starker Rauch für schlechte Sicht. Da sollte man wissen, wo sich Kabel oder Hochspannungsleitungen befinden. Auch der Wind und die Hitze des Feuers haben ihre Tücken. Man muss sich genau überlegen, wie man das Feuer anfliegt, um kein unnötiges Risiko einzugehen. Bei großflächigen Bränden mit extremer Rauchentwicklung ist das gar nicht so einfach.
Gibt es beim Abwurf besondere Techniken?
Ja. Welche Methode man anwendet, hängt vom Ausmaß und Stadium des Feuers sowie von der Einsatztaktik ab. Soll das Wasser eine größere Fläche treffen, wirft man es quasi im „Drüberfliegen“ ab. Das war in Schweden oft gefragt, weil es darum ging, die Hitze des Feuers zu drücken, damit die Bodenmannschaft zum Brand vorrücken kann. Geht es um Punktlöschungen, wie am Schwarzenberg bei brennenden Wurzelstöcken und Glutnestern häufig erforderlich, ist ein Abwurf im kurzen Schwebezustand aus geringer Höhe, der Kübel möglichst nah am Ziel, die bessere Variante. Dabei muss der Pilot aufpassen, dass er mit dem Abwind der Rotorenblätter das Feuer nicht mit Sauerstoff versorgt und so noch ungewollt verstärkt.
Wie lief der Schweden-Einsatz ab?
Am Dienstag (21. Juli) kam die Anfrage, am Donnerstagabend die Alarmierung. Am Freitagmittag bin ich mit dem Helikopter in Taufkirchen losgeflogen und nach mehreren Zwischenstopps, unter anderem in Braunschweig und Kiel, am Samstag in Sundsvall gelandet. Ich war 14 Tage in Schweden, erst im Norden, dann im Süden. Ein anstrengender, außergewöhnlicher Einsatz, wie ihn viele Helfer in dieser Dimension noch nie erlebt haben. Die Hitze, bis zu 36 Grad, war eine Qual.
Da werden mehr als 30 einzelne Löschflüge zusammengekommen sein…
In der Tat. 1000 dürften es schon gewesen sein.
Das sind, vereinfacht gerechnet, 1000 mal 1000 Liter Wasser, also eine Million Liter, 1000 Kubikmeter oder 1000 Tonnen. Eine Riesenmenge. Trotzdem: Kam es Ihnen beim Anblick dieses viele Quadratkilometer großen Flammenmeeres nicht so vor, als ob Sie den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein werfen?
Natürlich ist es ein Kampf gegen Windmühlen. Es ist in Schweden ja auch erst durch den Regen besser geworden. Aber das macht einem deutlich, wie wichtig der Zeitfaktor bei Flächenbränden ist. Man muss das Feuer – so wie am Schwarzenberg – im frühen Stadium bekämpfen, eine schnelle Alarmierungskette haben, mit allen verfügbaren Löschkräften und Hubschraubern anrücken. Dann hat man eine Chance.
Hubschrauberpilot mit „Lizenz zum Löschen“ ist kein alltäglicher Job. Wie wird man das eigentlich?
Ich habe meine Ausbildung 2009 begonnen. Es gibt zwei Pfade: über Bundeswehr, Bundes- und Landespolizei – oder eine zivile Flugschule. Ich bin den zweiten Weg gegangen. Nach bestandener Prüfung arbeitet man in der Regel zuerst als Bodenmann, um Einblick in verschiedene Einsatzarten zu bekommen. Parallel dazu fängt man an, Überstellungsflüge von einem Einsatzort zum anderen zu machen. Später folgen Rundflüge und Passagierflüge. Wer genügend Erfahrung und Flugstunden angehäuft hat, kann dann eine Ausbildung für Unterlastflüge erwerben – und damit die „Lizenz zum Löschen“ erhalten.
Beim Ausbildungsstart waren Sie 24. Was haben Sie vorher gemacht?
Ich habe Kunststofftechnik studiert, als Maschinist in einem Spritzgussbetrieb bei Berchtesgaden gearbeitet. Als aktives Mitglied der Bergwacht Ramsau bekam ich erste Einblicke in die Flugrettung, machte nebenbei die Berufspilotenausbildung und fing dann komplett neu an.
Dürfen Sie, ähnlich wie Autofahrer, alle Hubschraubertypen fliegen?
Nein. Beim Pkw spielt es keine Rolle, ob man eine Ente oder einen Sportwagen fährt. Bei uns ist das anders. Wer einen kleinen Kolbenhubschrauber fliegt, darf noch längst nicht ins Cockpit des großen Super-Puma der Bundeswehr. „Meine“ Maschine ist eine AS350B3e, ein leichter Mehrzweckhubschrauber.