Bad Aibling – „Ich habe die Schnauze voll, und nicht nur ich.“ So drastisch formuliert der unbekannte Verfasser des Briefes seine Gefühlslage und deutet an, notfalls auch die Staatsanwaltschaft einzuschalten, um die von ihm beklagten Zustände im Freibad zu ändern. Ein Hauptkritikpunkt in dem Schreiben: Die Freibad-Aufsicht bestehe sei Wochen nur aus einer Person, die „komplett überfordert“ sei. Und dies, obwohl aufgrund der Hitzewelle in den vergangenen Wochen sich täglich weit über 1000 Gäste im Bad befunden hätten. „Die Sicherheit ist keinesfalls gewährleistet. Wie bitteschön soll ich als Badeaufsicht gleichzeitig das große Becken, das Erlebnisbecken und den Kleinkinderbereich überwachen können. Das ist unmöglich, ich habe nur zwei Augen“, heißt es in dem an die OVB-Heimatzeitungen gerichteten Schreiben.
„Mobbing im
höchsten Maße“
Die Bediensteten arbeiten laut Verfasser „am Rande der Erschöpfung“. Grund: Wegen der „stark rückläufigen Besucherzahlen in der Therme“ würden immer mehr Arbeitskräfte eingespart. In dem Schreiben ist außerdem die Rede davon, dass aufgrund der Überlastung des Personals krankheitsbedingte Ausfälle zu verzeichnen seien. Teilweise hörten die Leute auch von selbst auf, „weil hier Mobbing im höchsten Maße praktiziert wird“.
Auch als vor etwa drei Wochen ein kleiner Bub regungslos aus dem Erlebnisbecken geborgen und wiederbelebt werden musste, sei nur eine Badeaufsicht im Dienst gewesen. Sie habe vorbildlich reagiert, obwohl auch sie „komplett überfordert“ war, wird außerdem über einen Zwischenfall berichtet, der der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt war.
Walter Keilhauer, Chef der Bad Aiblinger Stadtwerke, ist entsetzt über die Vorgehensweise des noch unbekannten Mitarbeiters und will ihm auf die Spur kommen. „Die Stadtwerke betreiben die Therme und das Freibad jetzt seit mittlerweile elf Jahren, So etwas habe ich in all den Jahren nicht erlebt“, sagt Keilhauer und weist die erhobenen Vorwürfe als haltlos zurück. Aus diesem Grund hat er auch Strafanzeige bei der Polizei erstattet – unter anderem wegen übler Nachrede und Verleumdung. Auch arbeitsrechtliche Konsequenzen will der Stadtwerke-Chef ziehen, wenn der Verfasser des Briefes gefunden wird. Im Raum steht eine fristlose Kündigung. „Der Kreis der in Frage kommenden Personen ist klein. Ich habe da schon eine Vermutung“, so Keilhauer im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.
Was die Aufsicht im Freibad betrifft, gebe es für die Thermenlandschaft – sie umfasst den Saunabereich, die Therme und das Freibad – ein „flexibles Konzept“ für den Personaleinsatz. So könnten bei Bedarf Mitarbeiter aus dem Bereich der Sauna und der Therme für das Freibad abgezogen werden. Darüber entscheide der Schichtleiter. „Wenn draußen viel los ist, ist es in der Regel im Innenbereich ruhiger. Da ist ein wechselseitiger Personaleinsatz kein Problem“, sagt Keilhauer. Auf jeden Fall seien immer ausreichend Kräfte da. Es stimme auch nicht, dass Personal abgebaut worden sei. „Im Gegenteil, wir stocken eher auf.“ Außerdem sei der Eigenbetrieb der Stadt auf dem Ausbildungssektor aktiv, da Fachkräfte rar seien.
Wenn es die Situation erlaube, komme es aber durchaus vor, dass nur ein Mitarbeiter die Badeaufsicht ausübe, räumt Keilhauer ein. Das sei aber kein Problem. „Unser Bad ist so gebaut, dass von einer Überwachungsstation aus alle drei Bereiche gut überblickt werden können. Da wird niemand überfordert“, so Keilhauer.
Im Harthauser Schwimmbad – ein zweites Freibad im Stadtbereich – sind dagegen nach übereinstimmenden Berichten von Stammgästen, die dort regelmäßig ihre Runden drehen, während der gesamten Betriebszeit immer zwei Aufsichtspersonen im Einsatz – obwohl das Bad kleiner ist als die Anlage bei der Therme. Für dieses Bad ist Keilhauer nicht zuständig, weil die Stadt der Träger ist, Deshalb kommentiert er den Personaleinsatz dort auch nicht. Nur so viel: „Wir behalten das Gebot der Wirtschaftlichkeit im Auge.“
Mittlerweile hat sich Keilhauer auch den Unfallbogen nochmals genau angeschaut, der Aufschluss über den Zwischenfall mit dem Kind gibt, der in dem anonymen Brief erwähnt wird. Demnach wurde der fünfeinhalbjährige Bub am 20. Juli um 12.08 Uhr regungslos im Erlebnisbecken entdeckt. Dienst hatte eine Badeaufsicht, die sich „vorbildlich“ verhalten habe und mit der Situation nach eigenen Angaben nicht überfordert gewesen sei. Sie habe das bewusstlose Kind, das ohne Schwimmhilfen ins Wasser gegangen war, binnen kürzester Zeit aus dem Becken gezogen und mit der Wiederbelebung begonnen. Auch der Schichtleiter sei hinzugekommen. Das Kind habe sich erbrochen und sei relativ rasch wieder zu sich gekommen. Parallel dazu hätte die Badeaufsicht Rettungsdienst und Notarzt verständigt.
Den Vorschlag des Notarztes, das Kind vorsorglich ins Krankenhaus zu bringen, habe die Mutter abgelehnt. Die Eltern wären mit dem Buben nach dem Vorfall im Schwimmbad geblieben und hätten eher verständnislos darauf reagiert, dass nach der Bergung ihres Kindes aus dem Wasser der Rettungsdienst verständigt worden sei.
Personal habe an diesem Tag genügend zur Verfügung gestanden – insgesamt sechs Personen im Innen- und Außenbereich. Zum Unfallzeitpunkt sei im Freibad nur eine Badeaufsicht im Einsatz gewesen. Für Keilhauer kein Problem, da nur etwa 100 Besucher anwesend waren. 56 seien zum Unfallzeitpunkt in der Therme gewesen, 21 in der Sauna. Das flexible Einsatzkonzept hätte laut Keilhauer auch an diesem Tag genügend Ressourcen geboten.
Kühnel weist
Vorwürfe zurück
Bad Aiblings Vizebürgermeister Erwin Kühnel, der das in Urlaub weilende Stadtoberhaupt Felix Schwaller vertritt, hat zwischenzeitlich einen weiteren Vorwurf zurückgewiesen, der in dem Schreiben enthalten ist. Der Verfasser des Briefes geht davon aus, dass Bürgermeister, Werkausschuss und Stadtrat von den von ihm geschilderten Missständen Kenntnis haben, „aber anscheinend die Augen zudrücken“. Kühnel wörtlich. „Das stimmt nicht. Ich weise diese Anschuldigung in aller Form zurück.“ Er habe erst durch den anonymen Brief davon erfahren. „Wenn Missstände da sind, ist es Pflicht des Bürgermeisters, diese abzustellen“, sagt er. Er geht davon aus, dass die Angelegenheit Thema in der nächsten Werkausschusssitzung sein wird. Grundsätzlich stellt er aber klar, dass sich die Stadtpolitik um Abläufe kümmere, sich aber in der Regel nicht in Interna eines städtischen Eigenbetriebes einmische.