Rosenheim/Franzensfeste – Wohl kein anderer Ort als Franzensfeste symbolisiert besser das Nebeneinander von Alt und Neu, was die Eisenbahnstrecke über den Brenner betrifft. In der rund 1000 Einwohner zählenden Gemeinde in der Nähe von Brixen befindet sich das südliche Portal des Brennerbasistunnels. Hier verschwinden künftig die Züge im Untergrund, bevor sie erst bei Innsbruck wieder Tageslicht erblicken.
Franzensfeste (italienisch „Fortezza“) gilt gewissermaßen als Dreh- und Angelpunkt in Sachen Baustellenabwicklung. Wer sich in Richtung Süden bewegt, egal mit welchem Verkehrsmittel, kommt an diesem Ort nicht vorbei. Hier hat der Brennerbasistunnel ein Gesicht bekommen. 2008 war bereits eine große Containersiedlung errichtet worden, um die Tunnelarbeiter unterzubringen. In der gleichnamigen Festung erfahren Besucher heute in der Ausstellung „BBT-Infopoint“ Wissenswertes rund um das Milliarden-Bauprojekt zwischen Italien und Österreich. Im Kongresszentrum „Karel van Miert“ lassen sich internationale Gäste über den aktuellen Baufortschritt unterrichten.
Franzensfeste, gelegen im engen Wipptal, war schon immer ein Knotenpunkt. Einst von verschiedenen Völkern stark umkämpft, ließ Kaiser Ferdinand I. von Österreich Mitte des 19. Jahrhunderts die markante Festung erbauen, um sich die Verkehrswege nachhaltig zu sichern. 1889 markierten die Verantwortlichen mit einem Obelisken den geodätischen Fixpunkt an der Burg. An dieser Stelle treffen ein Breitengrad und ein Meridian aufeinander.
Der Bahnhof von Franzensfeste hat ebenfalls eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Hier treffen die Brennerbahn und die Pustertalbahn zusammen, die über Bruneck und Toblach nach Innichen führt und dort in die Drautalbahn Richtung Kärnten und Slowenien übergeht. Die eingleisige Strecke ist vergleichbar mit der Mangfalltalbahn zwischen Rosenheim und Holzkirchen und wird im 30-Minuten-Takt befahren. Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Bedeutung der Station mit Fertigstellung der Strecke Richtung Osten deutlich zu. Während des Ersten Weltkriegs erhielt sie Zusatzfunktionen für das Militär, als Warenumschlagplatz und als Standort für die Zollabfertigung an der nahen Grenze. In den 90er-Jahren ging es jedoch abwärts. Der Güterverkehr verlagerte sich mehr auf die nahe Brenner-Autobahn, mit dem EU-Beitritt Österreichs verschwanden Zöllner und Militär. 2008 wurde das historische Empfangsgebäude renoviert, die Station 2016 barrierefrei ausgebaut.
Erst seit dem Bau des Brennerbasistunnels steht Franzensfeste plötzlich wieder im Rampenlicht. „Durch den Tunnel erhält der Bahnhof die Funktion, Zugangspunkt für die Züge sowie die Instandhaltungs- und Rettungsteams zu sein“, heißt es vonseiten der Dachgesellschaft BBT SE. Auch ein neues elektronisches Stellwerk kommt. Im nordwestlichen Abschnitt des Geländes hat die Baustelle für das Tunnelportal und für die bahntechnische Ausrüstung – den Einbau der Gleise, der Stromanlagen und der Sicherheitstechnik – Platz gefunden. Anschließend wird der Bereich in ein Instandhaltungs- und Notfalleinsatzzentrum umgebaut.
Um die Bewohner zu schützen, haben die Planer Lärmschutzwände und eine spezielle Zufahrtsstraße für den Lkw-Verkehr durch den Ortsteil Riol errichten lassen. aez