Rekorderträge bei Obst und Gemüse

Wenn die Ernte zur Last wird

von Redaktion

Überall das gleiche Bild: Die Obstbäume biegen sich heuer unter der Last der reifen Früchte. Der Traumsommer beschert eine Traumernte.

Rosenheim – „Die Bäume tragen wie verrückt“, stellt Maren Schnitzlbaumer, Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins Rosenheim, fest. „Wir sind alle ganz verblüfft, dass die Ernte so reich ausfällt. Schließlich hat es kaum geregnet in diesem Sommer.“ Doch Harald Lorenz, Kreisfachberater für Gartenkultur und Landespflege, wundert sich nicht: Denn entscheidend ist das Wetter während der Blüte, wenn die Bestäubung durch die Bienen stattfindet. Wenn dann nicht so wie 2017 eine späte Frostperiode eintritt, fällt die Ernte in der Regel umfangreich aus.

Heuer meinte es die Sonne sogar zu gut mit den Obstbäumen. Viele brechen fast unter der Last der Zwetschgen, Äpfel und Birnen zusammen. Überall sind vor allem ältere Bäume zu sehen, die Äste verloren haben.

Bei Oro laufen die Saftpressen Tag

und Nacht

„Es ist einfach zu viel Obst da, um es im eigenen Haushalt zu verwerten“, stellt Maren Schnitzlbaumer fest. Selbst wenn die Backöfen im Marathonbetrieb laufen und auf dem Herd sämtliche Töpfe für die Herstellung von Kompott und Mus rund um die Uhr glühen würden, wäre die reiche Ernte nicht zu bewältigen. Was tun? „Verschenken“, lautet ein Rat von Schnitzlbaumer. Das tun viele Rosenheimer, die ihre Ernte heuer großzügig an Freunde, Bekannte und Nachbarn verteilen. Viele stellen auch Steigerl an die Straße – mit der Aufforderung, sich zu bedienen. In Wasserburg forderten Obstbauern sogar auf Schildern dazu auf, dem eigentlich verbotenen „Mundraub“ zu frönen – nach dem Motto: „Bitte bedient euch!“ In der Region Rosenheim fahren außerdem viele ihre Früchte zu den heimischen Mostereien. Bei Oro in Rohrdorf standen an den ersten beiden Öffnungstagen die Kunden mit ihren Obstkörben in langen Schlangen an. „Bei uns geht’s rund“, bringt Geschäftsführer Joachim Wiesböck die Situation auf den Punkt. Die Obstverwertung rechnet mit einer sehr guten Ernte. „Vielleicht wird es auch ein Rekordergebnis“. In diesem Jahr gehe Oro davon aus, dass etwa 4000 Tonnen Obst verarbeitet werden, so Wiesböck. Zum Vergleich: In einem normalen Erntejahr sind es 2000 Tonnen. Das Ergebnis von 2017 hat Oro bereits jetzt, zu Beginn der Ernte, locker erreicht, denn im vergangenen Jahr gab es durch den Frost fast einen Totalausfall.

In den nächsten Wochen laufen die Saftpressen bei Oro Tag und Nacht in drei Schichten. Für die Mitarbeiter gibt es Urlaubssperre, Aushilfen unterstützen das Team, damit es der Obstberge Herr wird.

Professionellen Obst- und Gemüseanbauern wie Benjamin Woelk vom Gustererhof in Großkarolinenfeld, mit seinem Geschäft am Grünen Markt in Rosenheim vertreten, hätte der Traumsommer fast Albträume beschert. Denn gewässert wird in seinem Betrieb mit Regen. Und der stand heuer kaum zur Verfügung. Fast 150000 Liter musste der Gemüsebauer deshalb per Lastwagen von einem Lohnunternehmer anfahren lassen, um seine Tomaten und Gurken „beregnen“ zu lassen.

Grundsätzlich halte der schwere, tonhaltige Boden aufgrund seiner hervorragenden Speicherfähigkeit in der Region Rosenheim eine Trockenperiode jedoch relativ gut aus, sagt Woelk. Trotzdem macht die Klimaveränderung den Produzenten zu schaffen: Woelk, der täglich das Wetter notiert, stellt seit einigen Jahren deutliche Klimaveränderungen fest. Hitze und Trockenheit im Sommer erhöhen deshalb bei Obstbauern die Bewässerungskosten. Kunden, die angesichts der reichen Ernte von günstigen Preisen ausgehen, werden vermutlich enttäuscht – auch, weil im vergangenen Jahr die Ernte als Folge eines späten Frostes sehr schlecht ausgefallen war. „Das gute Jahr 2018 muss das schlechte 2017 erst einmal ausgleichen“, sagt der Produzent und Händler.

Woelk verweist außerdem auf die aufwendigen betrieblichen Prozesse, die hinter dem Obst- und Gemüseanbau stecken: ein hoher Personalaufwand für viel Handarbeit und eine komplexe Logistik, denn das produzierte Produkt ist schließlich verderblich.

„Die Qualität ist nicht optimal“

Reiche Ernte, schön und gut, doch die Qualität des Obstes ist heuer nach Erfahrungen von Harald Lorenz, Kreisfachberater für Gartenkultur und Landespflege, „nicht optimal“. Das extrem heiße, niederschlagsarme Wetter habe dafür gesorgt, dass die Einlagerung von Wasser und Zucker nicht harmonisch verlaufen sei. Das führe bei vielen Äpfeln in der Region zu einem erhöhten Zuckergehalt – selbst bei den eher säurebetonten Sorten, die typisch seien für den Alpennordrand. „Fade“ schmecken viele Äpfel deshalb, bedauert Lorenz.

Viele Birnen leiden nach seinen Angaben unter einer Störung: Sie wirken eher durchsichtig, die Schale ist fleckig. Das wirke sich nicht negativ auf den Geschmack aus, jedoch auf die Lagerfähigkeit, warnt Lorenz. Sein Rat: „Schnell verarbeiten.“ duc

Leseraufruf: Verwertungsideen gesucht

Zwetschgendatschi, Birnenkompott, Apfelmus: Das sind die bekannten Verwertungsmöglichkeiten für Obst. Es kann auch zu Saft verarbeitet oder getrocknet werden.

Die OVB-Heimatzeitungen unterstützen die Suche nach sinnvollen und praktischen Verwertungsmöglichkeiten. Haben Sie Ideen und Rezepte – zum Backen, Einkochen, Dörren?

Wir freuen uns über Vorschläge und Anregungen. Bitte mailen an:

angela.klement@ovb.net.

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