Voll besetzt war die Wendelsteinhalle während Horst Seehofers Rede.Foto Reisner
Wahlkampfauftritt von Bundesinnenminister Horst Seehofer in Brannenburg
Ein Mix aus Trillerpfeifen und Ovationen
Brannenburg – Protestplakate, Trillerpfeifen, Trommelklänge und Sprechchöre vor der Wendelsteinhalle, der Bayerische Defiliermarsch, eine aus den CSU-Spitzen der Region bestehende Eskorte, umgeben von zahlreichen Mikrofonen und Fernsehkameras, rhythmisches Klatschen der Besucher in der vollbesetzten Wendelsteinhalle: Der Empfang für Horst Seehofer bei seinem Wahlkampfauftritt in Brannenburg hat zwei unterschiedliche Gesichter. Ein Grund, warum der Gast aus Berlin wenig später kurzerhand das ursprüngliche Konzept seiner Rede ändert. Zuvor sucht er bereits das persönliche Gespräch mit den Demonstranten vor der Halle, die ihre Sorgen im Zusammenhang mit den Planungen für den Nordzulauf zum Brennerbasistunnel zum Ausdruck bringen.
Die über 300 Zuhörer erleben im Saal deshalb zunächst nicht den Wahlkämpfer Seehofer, sondern einen CSU-Parteichef, der betont, wie wichtig der direkte Kontakt zwischen Politikern und Bürgern ist. Dass er ihre Sorgen ernst nimmt, verspricht er der Schar der Protestierenden bei dem kurzen Zusammentreffen und bekräftigt diese Zusage gleich zu Beginn seiner rund einstündigen Rede nochmals.
Gespräch
mit Scheuer
Schon am heutigen Montag will er mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer über den derzeit laufenden Planungsdialog sprechen und ihm seine Sicht der Dinge darlegen. „Wer erreichen will, dass sich die Menschen beteiligen, der muss ihnen erst einmal nachvollziehbar erklären, dass das Projekt erforderlich ist“, sagt er mit Blick auf die Überlegung, auf bayerischer Seite eine zweigleisige neue Bahntrasse zu schaffen. Diese Notwendigkeit habe ihm bisher noch niemand schlüssig erklärt. „Ich wäre dankbar, wenn wir die Planung vorerst etwas ruhiger angehen könnten. Es passt nicht zusammen, wenn man plant und so tut, als sei die Trasse erforderlich, ohne dass man dies genau weiß.“ Sollte sich deren Notwendigkeit herausstellen, plädiert der Redner für größtmöglichen Lärmschutz und den höchstmöglichen Anteil an Untertunnelung. „Dafür setze ich mich ein. Das verspreche ich Euch, darauf könnt Ihr Euch verlassen“, sagt Seehofer und erntet viel Beifall für seine Worte.
Dann schaltet er um, präsentiert sich als ein Innenminister, dem der bestmögliche Schutz des Landes und seiner Bürger oberstes Anliegen ist. Innere Sicherheit, Grenzkontrollen, Migrationspolitik – Seehofer erklärt und spitzt auch zu. „Wenn es um den Schutz der Bürger geht, brauchen wir einen starken Staat“, sagt der CSU-Parteichef und verbindet diese Aussage mit einem großen Lob für die Arbeit der Polizei.
Seehofer zeigt sich stolz darauf, dass Deutschland heute der „sicherste Rechtsstaat“ ist und die „stabilste Demokratie“ aufweist, die das Land je hatte. „Bieten wir den Feinden der Demokratie die Stirn, pflegen wir den Rechtsstaat“, so der Minister. Kriminalität, Ausländerfeindlichkeit, Hetzkampagnen und Antisemetismus: vier Kernbereiche, in denen der Rechtsstaat laut Seehofer eine Null-Toleranz-Politik an den Tag legen muss.
„Kein Staat auf dieser Welt kann unbegrenzt Migranten aufnehmen. Alle Anstrengungen für Integration führen nur dann zum Ziel, wenn ich die Zahl derer begrenze, die zu uns kommen“, rechtfertigt er auch in Brannenburg sein Eintreten für eine Obergrenze bei der Flüchtlingsaufnahme. Und er wird noch deutlicher: „Ich muss bis heute keinen Satz meiner politischen Überzeugung ändern.“ Er lässt keinen Zweifel daran, dass Deutschland mit Flüchtlingen human umgeht, formuliert aber auch glasklar die Erwartungshaltung, die er an sie hat. „Die, die zu uns kommen, müssen sich auch uns gegenüber human verhalten.“ Das beinhaltet für ihn vier Grundforderungen, die jeder Flüchtling ohne Wenn und Aber akzeptieren muss, der auf Dauer hier leben will: die deutsche Sprache lernen, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt bestreiten, das deutsche Recht achten und die deutschen Lebensgewohnheiten akzeptieren.
„Wer nur kommt, um der hier gewährten Sozialleistungen habhaft zu werden, hat keinen Schutzstatus und muss zurück.“ Und noch zwei klare Botschaften schickt der Redner – immer wieder von Applaus im Saal unterbrochen – hinterher. „Bei uns ist kein Platz für die Scharia und Fehmegerichte. Wir wollen keine Ghettos wie in Berlin, wo sich kein Mensch mehr hintraut.“ Die noch konsequentere Abschiebung von Straftätern und Migranten, die kein Bleiberecht haben, auch dafür macht sich der Redner an diesem Abend stark.
Freundliche Worte
von Stöttner
Sein angespanntes Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel und die jüngsten Auseinandersetzungen in der Großen Koalition um den abgesetzten Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes, Hans Georg Maaßen, streift er in seiner Rede nur am Rande. Das Verhältnis zu Merkel sei besser, als das in der Öffentlichkeit manchmal dargestellt werde. „Die weiß doch, dass ich ein friedfertiger Mensch bin“, sagt er mit dem ihm eigenen Schmunzeln. Was Maaßen betrifft, spricht Seehofer über seine grundsätzliche Verantwortung als dessen oberster Dienstherr. „Wenn ein Beamter kein Dienstvergehen begangen hat, ist es meine Pflicht, ihn zu schützen.“
Er bemüht Bayerns traditionsreiche Geschichte, erinnert unter anderem an die Leistungen der Wittelsbacher und auch an die der CSU, die maßgeblich zur positiven Entwicklung des Landes in den vergangenen Jahrzehnten beigetragen habe. Hatte er Bayern einst als Vorstufe zum Paradies bezeichnet, geht er an diesem Abend weiter und spricht vom Paradies. Mit leiser Stimme und nachdenklich wirbt er um Vertrauen für die CSU bei der Landtagswahl, damit Bayern weiter ein stabiles und wirtschaftlich erfolgreiches Land bleiben kann.
Da kommt ihm dann auch ein Lob für Markus Söder, seinen Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, über die Lippen. „Ich bin froh, dass wir auch mit ihm einen guten Ministerpräsidenten haben“, sagt er über den Franken, zu dem er nicht das innigste Verhältnis pflegt. Damit Söder weitermachen kann, bittet er auch um Unterstützung für die CSU-Kandidaten vor Ort.
Das Finale: Stehende Ovationen, Bayernhymne, Deutschlandlied – auf der Bühne ein strahlender Horst Seehofer, dem CSU-Kreisvorsitzender Klaus Stöttner zum Abschluss eine süße Überraschung überreicht und freundliche Worte hinterherschiebt: „Wir schätzen sehr, dass Du ein Politiker bist, der nicht nur bis zur nächsten Wahl denkt, sondern die nächste Generation im Blick hat.“
Das Lächeln auf Seehofers Lippen wird noch ausgeprägter, zufrieden blickt er auf die applaudierenden Zuhörer. Er scheint der Überzeugung zu sein, an diesem Abend ein Stück Paradies erlebt zu haben. Wohltuend für einen, der wenige Minuten vorher mit der ihm eigenen Ironie behauptet hatte, in Berlin „von Freunden umzingelt“ zu sein. Und ganz weit weg scheint bei ihm für einen Moment auch der Gedanke zu sein, der vielen im Saal durch den Kopf geht. War es einer seiner letzten Auftritte als Parteivorsitzender?
Schließlich haben sich Gerüchte längst bis Brannenburg herumgesprochen, denen zufolge die CSU auf einen raschen Wechsel an der Spitze drängen könnte, sollte die Partei tatsächlich bei der Landtagswahl das von Meinungsforschern prognostizierte magere Ergebnis einfahren.