Grüne: Scheuer ist planlos

von Redaktion

Die Antwort der Bundesregierung auf ihre Anfrage zur nördlichen Zulaufstrecke für den Brennerbasistunnel stellt die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen nicht zufrieden. Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Fraktion, wirft ihr Planlosigkeit vor.

Rosenheim – 28 Einzelfragen zum Alpentransit und zum geplanten Brennerzulauf auf bayerischer Seite umfasst der Fragenkatalog, den Gastel und einige seiner Fraktionskollegen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer bereits im August geschickt hatten (wir berichteten). Nach dreimaliger Fristverlängerung kam jetzt die Antwort aus dem Ministerium, die eine klare Ansage enthält: Die Bundesregierung sieht die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene weiter als ein zentrales Ziel ihrer Verkehrspolitik an. Deshalb stellt dieser Komplex einen Schwerpunkt in der aktuellen Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans bis zum Jahr 2030 dar. Und genau aus diesem Grund wurde auch der Nordzulauf zum künftigen Brennerbasistunnel auf bayerischer Seite in den vordringlichen Bedarf aufgenommen.

70 Prozent

Auslastung

Die Daten, die Scheuers Ministerium vorlegt, lassen für Matthias Gastel allerdings nur einen Schluss zu. „Die in Rede stehende Neubaustrecke im Inntal steht im Widerspruch zu den Prognosezahlen, die auch 2030 noch freie Kapazitäten auf der Altstrecke ausweisen. Statt für Klarheit zu sorgen, verstrickt sich der Verkehrsminister in immer größeren Widersprüchen.“ Seine Kritik macht der Bundestagsabgeordnete vor allem an zwei Aussagen in der schriftlichen Antwort des Ministeriums fest. Es wird davon ausgegangen, dass der Nordzulauf zum Brenner 2030 von 94 Personen- und rund 120 Güterzügen täglich befahren wird. Ohne bautechnische Veränderungen würde die durchschnittliche Auslastung der Bestandsstrecke durch das Inntal zu diesem Zeitpunkt bei rund 85 Prozent liegen. Bis dahin geplante Blockverdichtungen dank moderner Signaltechnik und länger werdende Güterzüge – die Rede ist von maximal 740 Metern pro Zug – ergeben laut Regierung für die Trasse im Jahr 2030 aus heutiger Sicht jedoch nur eine prognostizierte Streckenauslastung von 70 Prozent.

Für den bahnpolitischen Sprecher der Grünen macht die Antwort des Ministeriums eines deutlich: Scheuer meint es mit der Verkehrswende am Brenner nicht ernst. Der Bundestagsabgeordnete erinnert daran, dass bereits vor der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 auf dem Streckenabschnitt Rosenheim-Kufstein im Tagesschnitt 113 Güterzüge unterwegs waren. 120 Züge pro Tag im Jahr 2030 kämen nur einer geringfügigen Steigerung gleich.

Warum bisher keine Kosten-Nutzen-Untersuchung für den Nordzulauf durchgeführt wurde, auf diese Frage geht Scheuer nur kurz ein. Er verweist auf das laufende Dialogverfahren und sagt, solange der Ausbaubedarf auf der Bestands- beziehungsweise der Trassenverlauf einer Neubaustrecke nicht feststünden, könne eine solche Analyse nicht durchgeführt werden. Darüber werde derzeit in den Dialogforen geredet. Die Bundesregierung will allerdings eine neue Verkehrsstudie für den Brennerzulauf erstellen lassen. Was den Personenverkehr betrifft, soll sie auf deutschen Prognosen basieren. Für die Ermittlung des künftigen Güterverkehrs sollen Prognosezahlen aus Italien die Grundlage bilden.

Eine aktuelle Bedarfsanalyse und die Ermittlung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses hatten zuletzt auch prominente CSU-Politiker bei Auftritten im Landkreis Rosenheim gefordert. Parteivorsitzender Horst Seehofer hatte Demonstranten, die sich gegen eine neue Trasse durch das Inntal wandten, bei einem Auftritt in Brannenburg versprochen, persönlich mit seinem CSU-Kollegen Scheuer über das Thema zu sprechen. Ihm erschließe sich die Notwendigkeit einer neuen Trasse derzeit nicht, so Seehofer. Auch Ministerpräsident Markus Söder forderte einen klaren Bedarfsnachweis, falls zwei weitere Gleise gebaut werden müssten. Einig waren sich Seehofer und Söder in ihren Forderungen, falls eine Neubaustrecke politisch gewollt ist: maximaler Lärmschutz für die Bevölkerung und eine möglichst naturverträgliche Bauweise. Er wolle keine zerrissenen Landschaften, sagte Söder bei einer Wahlkundgebung in Rosenheim.

Jüngst hatte die CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig mit einem Brandbrief an Scheuer und der Forderung nach einem Inntalplan als Alternative zu einer Neubaustrecke die Debatte um den Nordzulauf befeuert. „Die Ungewissheit ist den Menschen in meinem Wahlkreis nicht länger zumutbar“, ließ sie den Minister wissen. Sie forderte „belastbare Zahlen“ zum erwarteten Anstieg des Güterverkehrsaufkommens über die Alpen. Sie seien Voraussetzung, um den Bedarf einer zweigleisigen Neubaustrecke über die Alpen beurteilen zu können. Im Inntalplan bringt sie eingleisige Ortsumfahrungen ins Spiel, um insbesondere den Schienenpersonennahverkehr und den Güterverkehr zumindest auf dem bisherigen Niveau halten zu können. Zudem trat Ludwig für einen „intelligente Verkehrsführung“ ein, die auch die Entlastungsmöglichkeit berücksichtigt, die sich durch die Ausbaustrecke München-Mühldorf-Freilassing für die Inntal-Trasse ergibt.

BBT-Zulauf: Ablehnung steigt

Die Bürgermeister von Rohrdorf, Stephanskirchen und Riedering haben es satt. Sie wollen nicht weiter verschaukelt werden. In Briefen an den Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und die DB Netz AG fordern sie die sofortige Unterlassung weiterer Planungen zum Brenner-Nordzulauf bis zum 1. Dezember.

Dem Rosenheimer Stadtrat liegen zwei Anträge vor: Die Grünen (mit ÖDP/FDP) und die SPD fordern die Verabschiedung einer Resolution, die einen Nordzulauf zum Brennerbasistunnel ablehnt. Zur Begründung werden die fehlenden Bedarfszahlen, die hohen Kosten und die Gefahr einer Zerstörung von Lebensraum angeführt. ske/duc

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