Der qualvolle Tod einer Mutter

von Redaktion

Leiche im Wald vergraben – Prozess gegen Sohn (21) und Freund (20)

Schnaitsee/Traunstein – Ein 21-jähriger Mann – deutlich jünger und schüchtern wirkend – soll seine Mutter (53) in deren Wohnung in Altenmarkt brutal ermordet haben. Mit auf der Anklagebank vor der Jugendkammer Traunstein als Schwurgericht sitzt sein Freund (20). Er soll beim Verschwindenlassen der Leiche und Vergraben im Wald bei Schnaitsee geholfen haben.

Der Prozess gegen die zur Tatzeit Heranwachsenden begann am Mittwoch zäh. Einzig die Anklageschrift wurde verlesen. Stundenlanges Warten bis zum Spätnachmittag zogen Anträge eines Verteidigers nach sich. Im Zentrum stand dabei die Frage: Findet die Hauptverhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt?

Der vor der Polizei geständige Sohn ist wegen Mordes aus Heimtücke und niederen Beweggründen, gefährlicher und schwerer Körperverletzung angeklagt, der Jüngere wegen Strafvereitelung und unterlassener Hilfeleistung. Was die jungen Männer zu den Vorwürfen sagen, darüber war am ersten Prozesstag kein Wort zu hören. Die Verlesung der Anklageschrift verfolgten sie mit unbeteiligter Miene und kleinen Verlegenheitsgesten wie Zupfen am Ohr. Die Verteidiger des 21-Jährigen, Dr. Adam Ahmed aus München und Dr. Herbert Buchner aus Traunstein, forderten, hinter verschlossenen Türen zu verhandeln.

Für den 20-Jährigen signalisierte Verteidiger Michael Fraunhofer, Trostberg, zunächst Aussagebereitschaft, schloss sich dann aber – wie Staatsanwalt Markus Andrä – dem Antrag von Dr. Ahmed an. Der stellte weitere Anträge, zuletzt einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Dr. Klaus Weidmann. Darüber muss jetzt zunächst entschieden werden. Die Fortsetzungstermine finden am 6., 7., 12., 13., 15. und 16. November statt. Nächste Woche sollten eigentlich die ersten Zeugen gehört werden. Das Programm wird sich nun verzögern.

Gemäß Anklage zogen sich die Gewalthandlungen des 21-Jährigen gegen seine Mutter am Nachmittag des 15. September 2017 über längere Zeit hin. In der Wohnung in Altenmarkt kam es zu einer Debatte ums Geld. Die 53-Jährige litt seit 2016 an einer unbehandelten psychischen Erkrankung und versuchte, dem Gespräch auszuweichen. Sie wollte sich in Räumen einsperren, was der Sohn verhinderte. Als sie eine Treppe hinunterlief, riss er sie zu Boden. Die Frau rappelte sich auf, rannte zur Terrassentür, der Sohn riss sie zurück. Auf der Wohnzimmercouch biss ihm die Mutter in die Hand. Der 21-Jährige biss zurück, verletzte sie schwer am Mund.

Unter dem Vorwand, in den Spiegel schauen zu wollen, gelang der 53-Jährigen die Flucht Richtung Garten. Am Carport holte sie der mutmaßliche Täter laut Anklage ein, brachte sie zu Boden und würgte sie mit dem Ellenbogen etwa zwei Minuten lang. Die Bewusstlose röchelte nur noch. Ihr Gehirn war wohl schon schwer geschädigt. Zehn bis 20 Minuten lang lag die 53-Jährige hilflos auf der Couch. Die Idee, einen Arzt zu verständigen, verwarf der Sohn – weil er angeblich dachte, sie sei nicht mehr zu retten.

Mit direktem Tötungsvorsatz – davon geht der Staatsanwalt aus – soll er danach versucht haben, die Mutter mit einem Genickbruch zu töten. Weil das nicht gelang, soll er mit einem Hammer mindestens fünfmal auf ihren Kopf eingeschlagen haben. Die stark blutende, röchelnde Frau hüllte der 21-Jährige in Grüngutsäcke. Gegen 15 Uhr schickte er dem Trostberger eine SMS – mit der Bitte, schnell zu kommen. Als der Freund die teilweise verpackte Frau sah, die immer noch röchelnde Laute von sich gab, schlug der 20-Jährige vor, einen Notarzt zu holen. Der Sohn meinte, es sei zu spät.

Beide hüllten den Leichnam in noch mehr Plastikfolie – der Jüngere reichte laut Anklage lediglich das Material – und schafften ihn per Leiter zum Pkw des Sohnes. Im Waldstück nahe der Staatsstraße 2357 hoben sie eine Grube aus. Einer schaufelte, der andere leuchtete mit einer Lampe. Den Hammer und andere Sachen warfen sie in die Grabstelle.

Die Männer schliefen in Altenmarkt, frühstückten am Morgen und putzten zwei Stunden die Tatwohnung. Eine aus dem Erdreich ragende Hand der Getöteten entdeckten spielende Kinder im November 2017. Sie liefen heim, ihr Vater informierte die Polizei. Einen Tag später klickten die Handschellen. MONIKA KRETZMER

Das Strafmaß

Die Höchststrafe im Jugendstrafrecht, das auf den Erziehungsgedanken und weniger auf Strafe setzt, liegt bei zehn Jahren, zum Beispiel auch für Totschlag. Liegt bei einem Tötungsdelikt ein Mordmerkmal vor und stellt das Gericht die „Schwere der Schuld“ fest, kann sich die Strafe auf 15 Jahre erhöhen. kd

Öffentlichkeit – ein hohes Gut

Die Hürden für den Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Prozess liegen hoch. Zumeist kommt es dazu aus Gründen des Opferschutzes. Im vorliegenden Fall spielt der Opferschutz keine Rolle. Die Mutter des Hauptangeklagten ist tot. Auf seinen Angaben vor der Polizei basiert die bereits öffentlich verlesene Anklageschrift. Dass der 21-Jährige nicht vor vielen Menschen aussagen will, ist verständlich. Wer will das schon? Doch die Strafprozessordnung gestattet ausdrücklich, dass Medienvertreter, im Auftrag der Öffentlichkeit tätig, im Sitzungssaal verbleiben – sofern sie „schonend“ berichten und schützenswerte Belange der Angeklagten nicht verletzen. Das ist eigentlich auch am Landgericht Traunstein übliche Praxis. kd

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