Neubeuern – Nun ja, die Sache entbehrt nicht einer gewissen Peinlichkeit. Da legt sich das Bürgerforum Inntal aus Neubeuern mächtig ins Zeug und will exemplarisch gegen die Bahn vors Bundesverfassungsgericht ziehen. Der kleine David bietet quasi dem großen Goliath die Stirn. Grund: Die Gemeinde Neubeuern will die Bahn nicht probebohren lassen.
Und nun wird’s kurios: Plötzlich findet sich in einer gemeindlichen Schublade ein Gutachten zu Bodenuntersuchungen an genau jener Stelle, an der die Bahn probebohren wollte.
Die Bahn sagt dazu lapidar: Diese Bodenuntersuchungen aus 2017 durch ein Rosenheimer Büro genügen uns. Also keine Bohrung, keine Klage und kein Bundesverfassungsgericht. Da reibt sich der Bürger verwundert die Augen.
Fast ein wenig enttäuscht zeigte sich gestern Martin Schmid, Zweiter Bürgermeister der Inntalgemeinde und Sprecher des Bürgerforums, das sich gegen den Ausbau des Brenner-Nordzulaufs mit einem dritten und vierten Gleis stellt. Er hätte, so spürt man im Gespräch, die Bahn gerne vor ein Gericht gezogen. Denn dann hätte die Bahn Farbe bekennen und sich zu den erwarteten Verkehrszahlen äußern müssen, meint Schmid. Gewissermaßen schwarz auf weiß.
Wie berichtet, beruhen die Planungen der Zulaufstrecke laut Schmid nur auf Annahmen. Konkrete, belastbare Zahlen liegen nicht vor, meint der zweite Bürgermeister. Diese seien aber unabdingbare Grundlage für den Ausbau und die Planungen der Zulaufstrecke. „Liegen diese nicht vor, ist alles nur Vermutung, also Willkür. Und das gibt es im deutschen Rechtssystem nicht.“ Somit stehe das ganze Verfahren auf tönernen Füßen. Das sei dann der Hebel, das gesamte Verfahren juristisch vor dem höchsten deutschen Gericht zu Fall zu bringen. „Aber diese Chance haben wir nun nicht mehr“, bedauert er. „Mit dem Gutachten wurde uns der Wind aus den Segeln genommen.“
Doch verschaukeln lassen wolle er sich nicht. Die Bahn und das Eisenbahnbundesamt hätten doch gewusst, dass es bereits zwei Gutachten gebe. Darauf habe er in einer Stellungnahme selbst hingewiesen. Im Frühjahr 2017 wurden durch eine Rosenheimer Fachfirma ein Bodengutachten erstellt. Denn, so Schmid, die gemeindliche Kläranlage sollte erweitert werden. Und vor einigen Jahren habe das Landratsamt intensive Bohrungen wegen der Innbrücke – rund 500 Meter entfernt – durchgeführt.
Bahn: „Gutachten
genügt uns“
„Aber jetzt genügt das Bodengutachten vom Klärwerk. Ich denke, die wollten einfach nicht vor Gericht“, mutmaßt der Sprecher der Bürgerinitiative. „Ihnen geht es nur darum, sich durchzusetzen. Es sei halt einfach blöd gelaufen.“
Die Gemeinde Neubeuern, die nach eigenen Aussagen vor rund drei Wochen das Gutachten an die Bahn geschickt habe, erklärte auf Anfrage der Heimatzeitung: „Aus Sicht der Gemeinde ist es zu begrüßen, dass die Bahn nun einlenkt und eine unnötige Probebohrung unterlässt. Darauf hat die Gemeinde Neubeuern in der Anhörung vor Erlass des Duldungsbescheides hingewiesen. Es bleibt zu hoffen, dass die Bahn auch weiterhin Einsicht zeigt und auch die Planungen insgesamt unterlässt, weil gegen deren Rechtmäßigkeit erhebliche verfahrensrechtliche Bedenken bestehen.“
Bürgermeister Hans Nowak hält es für den richtigen Schritt, das Gutachten an die Bahn weitergeleitet zu haben. „Ich bin für saubere Lösungen und will mit offenen Karten spielen.“ Zum einen könne man vorher nicht wissen, ob der Bahn das Gutachten genüge, zum anderen gehe es nicht an, die Gemeinde in einen Rechtsstreit zu jagen, wenn gleichzeitig ein Gutachten bereits vorliege.