Doppelfunktion statt „Babensham first“

von Redaktion

Ein Anruf am 5. Juli veränderte den Tagesablauf von Josef Huber radikal: die Nachricht von dem Unfall, den Landrat Wolfgang Berthaler in seinem Büro hatte. Seither meistert der Babenshamer Bürgermeister eine Doppelbelastung als Rathauschef und amtierender Landrat.

Babensham/Rosenheim – „Politik kann man nicht lernen, Politik muss man im Blut haben.“ Ein Satz, der für Huber wie ein Credo ist und letztlich auch erklärt, warum er seit Monaten beinahe täglich zwischen den Schreibtischen im Rathaus seiner Heimatgemeinde und dem Landratsamt in Rosenheim pendelt. 35 Kilometer beträgt die Entfernung der beiden Arbeitswelten, in denen er sich aktuell bewegt. „Da bleibt auch viel Zeit auf der Straße“, sagt der 61-Jährige, der bereits seit drei Jahrzehnten im Kreistag sitzt und jeweils in der dritten Amtsperiode Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde und einer der Stellvertreter des Landrats ist.

„Es bleibt nichts

Wichtiges liegen“

Politik und öffentliche Verwaltung versteht der CSU-Mandatsträger als „Dienst am Bürger“, sich selber sieht er als Menschen, der möglichst alles perfekt machen will. Von diesem Grundsatz in seiner Ämterausübung aufgrund der aktuellen Umstände teilweise Abstand nehmen zu müssen, zählt mit zu den für ihn belastendsten Erfahrungen, die die Doppelfunktion mit sich bringt. „Es leidet die Gemeinde, es leidet auch das Landratsamt“, gibt Huber unumwunden zu. Und das, obwohl die 60- bis 70- Stunden-Woche für ihn längst der Normalfall ist. In beiden Ämtern „das Nötigste“ zu machen, das ist die Devise des Mannes, der von sich selbst sagt, in den vergangenen Monaten immer wieder Phasen erlebt zu haben, „in denen ich keine 24 Stunden zusammenhängend zu Hause war“. Das wichtigste Fazit, das er nach rund einem halben Jahr Doppelfunktion ziehen kann und das Huber am Jahresende einen zufriedenen Blick auf die vergangenen Monate gewährt: „Es bleibt nichts Wichtiges liegen. Manchmal dauert halt die Erledigung von Vorgängen ein wenig länger.“

Dass er die längerfristige Landratsvertretung und das Bürgermeisteramt überhaupt unter einem Hut vereinen kann, dafür ist er nicht nur seiner Familie dankbar, die die Extrembelastung mitträgt. Urlaub mutierte für alle heuer zum Fremdwort. Voll des Lobes äußert er sich auch über die Mitarbeiter im Landratsamt und in der Gemeindeverwaltung. „Die unterstützen mich, wo es nur geht.“ Meist ist der Bürgermeister bereits früh am Morgen im Rathaus anzutreffen, dann fährt er ins Landratsamt, spätnachmittags ist Huber dann wieder in der Gemeinde. Hinzu kommen Außentermine und Repräsentationsverpflichtungen. Seine Präsenz bei Veranstaltungen der rund 40 Vereine, die in Babensham aktiv sind, hat der Bürgermeister deutlich eingeschränkt. Auch als Stellvertreter des Landrats kann er nur einen Bruchteil der Termine wahrnehmen, zu denen er eingeladen wird.

Regelmäßiger

Austausch

Seit Wolfgang Berthaler in der Neurologischen Klinik in Bad Aibling liegt und sich auf dem Weg der Besserung befindet, tauscht sich Huber auch mit dem Landrat regelmäßig aus. Er sei in alle wichtigen Entscheidungen eingebunden und werde täglich über das Geschehen im Amt auf dem Laufenden gehalten, sagt sein Stellvertreter. Auf den Tag, an dem Berthaler ins Amt zurückkehrt, freut er sich schon. „Je länger der Zeitraum andauert, in dem der Landrat fehlt, desto größer werden die Probleme. Die Schwierigkeit besteht darin, dass man im Moment nicht sagen kann, wann die Rückkehr möglich ist“, gesteht der Babenshamer Rathauschef. Und noch ein Geständnis legt er freimütig ab. „Der Wille, das Bestmögliche in beiden Funktionen zu geben, ist da. Dennoch geht das alles an die Substanz. In meinem Alter werden die Bäume, die man ausreißt, halt auch kleiner“, sagt Huber mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht.

Dass er für seine Frau, die beiden Töchter mit Partnern und die zwei Enkelkinder im Alter von neun und 13 Jahren zuletzt kaum Zeit hatte, das bedauert Huber. Nicht viel von seinem Herrchen hatte bisher auch der sieben Monate alte Jagdhund „Zilly“. Der passionierte Waidmann Huber muss die Erziehung des Vierbeiners derzeit vor allem seiner Frau überlassen, freut sich aber über jede freie Minute, die er mit ihm verbringen kann. Entspannung findet er auch, wenn er im Stall seines Bauernhofes nach den 60 Schafen schauen kann, die dort untergebracht sind. Am Hochsitz Kraft zu tanken, das war ihm im vergangenen Halbjahr ganze zweimal vergönnt. Am 13. Juli und Anfang Dezember. Kein Wunder, dass er da „ein wenig Nachholbedarf“ bei der Erfüllung seiner Abschusszahlen einräumen muss, deren Erfüllung das Landratsamt als Untere Jagdbehörde überwacht. Da will der Mann, der Perfektion liebt, nicht negativ auffallen. Huber verspricht, die vorgeschriebene Quote zu erfüllen.

Am heutigen Silvestertag wird der Mann, der sich umständehalber heuer ohne langes Nachdenken von seiner Devise „Babensham first“ vorübergehend verabschiedet hat, eher nicht zur Verbesserung der Statistik beitragen. Huber hat keinen Termin – für ihn ein besonderes Geschenk – und will deshalb wenigstens am letzten Tag im Jahr der Familie absoluten Vorrang einräumen. Am Abend feiert er den Jahreswechsel beschaulich im privaten Kreis. Seit fast 40 Jahren treffen sich hierzu immer dieselben Familien, um auf ein gutes neues Jahr anzustoßen.

Innehalten in

der Privatkapelle

Wenn der Lärm der Silvesterraketen verklungen ist, trifft sich die Feierrunde in Hubers Privatkapelle zu einem kurzen Gebet. Die hat er zu seinem 60. Geburtstag erbauen lassen. Sie bietet ihm und seinen Begleitern die Möglichkeit, etwas zu finden, was der Bürgermeister 2018 oft schmerzlich vermisst hat: einen Moment der Ruhe und die Gelegenheit zum Innehalten. Auch wenn das zurückliegende Jahr für ihn extrem belastend war, will er mit seinen Gästen dennoch voller Dankbarkeit zurückblicken. Vor allem auch, weil ihm Gesundheit vergönnt ist. „Welch unschätzbares Gut das ist, sieht man, wenn man auf das Schicksal vom Wolfgang blickt“, sagt er im Exclusiv-Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.

Dass die Ärzte dem gewählten Landrat die Genesung in Aussicht stellen können, ist für Huber mit das schönste Neujahrsgeschenk. Nicht nur, weil er sich mit Berthaler freut, sondern auch wegen der Perspektive, die für ihn damit verbunden ist. „Babensham first“ kann dann wieder mit Leben erfüllt werden, für die Familie bleibt mehr Zeit, „Zilly“ erhält die Aufmerksamkeit, die ihm Herrchen gerne schenken möchte, und die Abschussquote stellt für den Landrat-Stellvertreter dann sicher kein Problem mehr dar.

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