Traunreut/Traunstein – Zwei junge Asylbewerber wurden am 11. April 2018 in der Wohnung anderer Flüchtlinge in Traunreut Opfer eines Raubüberfalls, bei dem neben Fäusten eine Pistole und Baseballschläger eingesetzt wurden (wir berichteten). Im Prozess der Jugendkammer Traunstein mit Vorsitzendem Richter Dr. Klaus Weidmann gegen drei Angeklagte, 29 und 18 Jahre alt, forderte Staatsanwältin Martina Huber gestern Jugend- beziehungsweise Erwachsenenhaftstrafen zwischen vier und acht Jahren, davon zweimal verknüpft mit Unterbringung zur Drogentherapie. Die Verteidiger beantragten deutlich niedrigere Strafen, durchwegs mit Bewährung. Das Urteil wird am 25. Januar um 9 Uhr verkündet.
Einem 18 Jahre alten Afghanen aus Ruhpolding sowie einem gleichaltrigen Deutschrussen und einem 29-Jährigen mit kasachischen Wurzeln, beide aus Traunreut, legte Staatsanwältin Martina Huber – der Anklage entsprechend – im Schlussantrag eine ganze Reihe von Gewaltdelikten, jeweils in Mittäterschaft, zur Last: schwerer Raub, Nötigung, Diebstahl mit Waffen und gefährliche Körperverletzung.
Vor dem angeklagten Raubüberfall hatte es am Tattag einige Stunden zuvor einen Streit am Rathausplatz in Traunreut gegeben – wegen nicht beglichener Schulden eines 22-jährigen Iraners bei dem Afghanen in Höhe von 800 Euro. Der 18-jährige Leihgeber hatte sich Verstärkung durch die Mitangeklagten mitgebracht. Der 22-Jährige konnte aber nicht zahlen. Einer der Täter hielt ihm eine Pistole an den Hals und verlangte das Geld bis spätestens 21.30 Uhr.
Gegen 22.30 Uhr drangen die drei bewaffneten Täter in die Wohnung des Schuldners ein, der jedoch nicht zu Hause war. Sie durchsuchten die Räume, nahmen Gegenstände im Wert von 500 Euro mit und zogen weiter in eine andere Wohnung von Asylbewerbern. Dort hielten sich unter anderem der 22-Jährige und ein Freund auf. Die Angeklagten griffen die Flüchtlinge mit Baseballschlägern, Pistole und Fäusten an. Zwei der Männer, darunter der Schuldner, mussten mit Verletzungen im Krankenhaus behandelt werden. Die Täter demolierten Mobiliar und ließen zwei Handys im Wert von 800 Euro mitgehen.
Die Staatsanwältin sah die drei Männer in allen Punkten überführt. Für den 18-jährigen Leihgeber hielt Martina Huber eine Jugendstrafe von acht Jahren, eine frühere Jugendstrafe von drei Jahren dabei einbezogen, plus Unterbringung zum Drogenentzug für erforderlich. Gegen den 29-Jährigen sollten sieben Jahre Erwachsenenstrafe und Unterbringung verhängt werden. Der andere 18-Jährige solle mit einer Jugendstrafe von vier Jahren büßen. Mit den Strafen für die 18-Jährigen wich die Staatsanwältin wesentlich ab von den Vertreterinnen der Jugendgerichtshilfe, die Strafen mit Bewährung empfohlen hatten.
Die Verteidiger bewerteten die realisierten Straftatbestände ihrer Mandanten deutlich geringer. Sie argumentierten, die Angeklagten seien durch den Schuldner provoziert und beschimpft worden. Für den 18-jährigen Leihgeber meinte Verteidiger Hans-Jörg Schwarzer: „Sinn und Zweck der ganzen Aktion war es, den Schuldner zu bestrafen, weil er nicht bezahlt hatte. Dass das verwerflich ist, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Selbstjustiz – das geht auf keinen Fall.“ Erfüllt seien die Straftatbestände gefährliche Körperverletzung, Nötigung und Sachbeschädigung. Ein Raub aber liege nicht vor. Eine Jugendstrafe von unter zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, sei angemessen.
Für den 18-jährigen Deutschrussen zitierte dessen Verteidiger Michael Fraunhofer die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe: „Der Angeklagte war immer bereit zu helfen.“ Sein Mandant habe auf einen Anruf hin spontan Unterstützung zugesagt. Einen Tatplan mit dem Ziel eines Raubs oder Diebstahls habe es nicht gegeben. Vorausgegangen seien Provokationen und Beleidigungen seitens der Opfer. Der 18-Jährige bringe zwar Vorstrafen mit, habe aber den Tatvorwurf eingeräumt. Durch Alkohol und Drogen sei die Steuerungsfähigkeit tangiert gewesen. Fraunhofer setzte sich für eine Jugendstrafe von vier Jahren sechs Monaten und Unterbringung zur Suchttherapie ein.
Verteidiger Josef Neuberger hob heraus, die Angeklagten hätten dem Schuldner aus Rache eine Abreibung verpassen, aber weder einen Raub noch einen Diebstahl begehen wollen. Eine Gesamtstrafe von 18 Monaten mit Bewährung sei für den 29-Jährigen ausreichend.
Alle Angeklagten beteuerten im letzten Wort ihre Reue. Der mehrfach vorbestrafte 18-Jährige meinte: „Ich habe gar nicht realisiert, was ich gemacht habe. In der Haft hatte ich genug Zeit, nachzudenken über das, was ich in Zukunft machen will. Ich war einfach jung, ein dummer Jugendlicher. Ich will ein Leben ohne Kriminalität.“