Wasserburg/Soyen/Rosenheim – Kleine Partei – große Wirkung: Bei der Landtagswahl hat die ÖDP mit 1,6 Prozent schlecht abgeschnitten. Gut dagegen lief die Unterschriftensammlung für die Zulassung des heute startenden Volksbegehrens „Rettet die Bienen“: Fast 100000 unterstützten die ÖDP – weitaus mehr als notwendig. Jetzt heißt es, noch einmal die Bürger zu mobilisieren: In den Rathäusern ihrer Heimatkommunen dürfen sie sich ab heute bis zum 13. Februar eintragen. Eine Million müssen unterschreiben, dann wären Landtag und bayerische Regierung zu konkreten Maßnahmen gegen das Artensterben verpflichtet.
Das Aktionsbündnis:
Belohnung für Ökologie
Es ist fünf vor 12, ist das Aktionsbündnis in Stadt und Landkreis Rosenheim, dem 70 bis 80 Aktive angehören, überzeugt. 54 Prozent aller Bienen seien mittlerweile bedroht. Dabei ist die Biene laut Ludwig Maier, Sprecher des Aktionsbündnisses, nur ein Symboltier für die Gefährdung der Arten. „Wenn eine Biene vier Jahre lang keine Pflanze bestäubt hat, bildet diese keine Samen mehr aus.“ Mit den Pflanzen sterben dann die Insekten und Vögel. Es drohe das größte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier, warnt das Aktionsbündnis.
Maier ist überzeugt, dass das Volksbegehren – egal, ob es zum Erfolg wird – bereits jetzt eins erreicht hat: „Eine öffentliche Debatte darüber, wie wir in Zukunft mit unseren Flächen, der Lebensmittelproduktion, Natur und Landschaft umgehen wollen“. Tragende Säule, wenn es um eine Veränderung geht, ist nach Überzeugung von Maier, selber Bio-Nebenerwerbsbauer in Soyen, die Landwirtschaft. Die öffentliche Förderung müsse umgelenkt werden von den großen auf die kleinen Betriebe, die sich dem ökologischen Umgang mit den Böden verpflichten würden. „Qualität statt Quantität belohnen“, fordert Andrea Mösle vom Aktionskreis in Rosenheim. Über ein erfolgreiches Volksbegehren wird, so hoffen sie und Maier, die Landespolitik gezwungen, Instrumente für ein neues Fördersystem zu entwickeln. Und dieses müsse Ausgleichszahlungen in erster Linie für ökologisches Handeln bereitstellen.
„Es wird immer schwieriger für uns Imker. Wir müssen mit unseren Völkern in Stadtnähe gehen, um überhaupt etwas ernten zu können“, bedauert Claus Steger, Zweiter Vorsitzender des Imker-Kreisverbandes Wasserburg. Schuld an dieser Entwicklung habe die intensive Landwirtschaft mit Monokulturen, Aufbringung von Dünger und Pestiziden, ist er überzeugt. Nach seinen Erfahrungen wird es immer schwieriger für die Bienen, Nahrung zu finden. „Oft blüht nicht einmal der Löwenzahn mehr“, stellt er fest. Blühstreifen an Feld- und Ackerrändern reichen nach seiner Meinung nicht aus, denn eine Biene könne nur drei Kilometer ertragreich fliegen.
Die Imker:
„Ernährung muss uns wieder was wert sein“
Das Volksbegehren hat in seinen Augen die große Chance, ein Umdenken einzuläuten – hin zu einer ökologischeren Landwirtschaft. Doch Steger nimmt auch den Bürger als Verbraucher mit ins Boot. „Ernährung muss uns wieder was wert sein“, appelliert er. „Für Handys, Autos, Urlaubsreisen ist Geld da, doch bei unseren täglichen Lebensmitteln sparen wir“, ärgert sich der Vorsitzende des Imkervereins Wasserburg. Als Gärtnermeister sieht er auch die Bürger in der Pflicht: Blühstreifen freizulassen auf dem Rasen, auf Mähroboter zu verzichten, Obstbäume zu pflanzen, Insektenhotels zu eröffnen, beim Pflanzenkauf auf bienenfreundliche Sortimente zu achten. Derzeit ist die Nachfrage nach Informationen groß, freut sich Steger, der im Jahr über 40 Vorträge über die Imkerei hält. „Die Menschen sind wachgerüttet. Das ist schon jetzt ein Erfolg des Volksbegehrens.“
Die Bauern:
„Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht“
„Die meisten Landwirte werden nicht unterschreiben“, ist der Kreisobmann der Bauern, Josef Bodmaier, überzeugt. „Wer will nicht die Bienen retten? Doch einfach ins Rathaus laufen, damit macht man es sich zu leicht. Ich wünsche mir, dass sich die Menschen auch über die Folgen ihrer Unterschrift informieren.“
Denn zum Sündenbock für das Bienensterben wird nach Überzeugung von Bodmaier einseitig die Landwirtschaft gemacht. Er ist selber Bio-Landwirt und Imker. Und warnt trotzdem vor den Folgen der Aktion. „Denn durch den geforderten verstärkten Ökolandbau wird der Preis für Bioprodukte zusammenbrechen.“ Angesichts der geplanten Vorgaben für den Anteil des Ökolandbaus ist er überzeugt. „Sture Prozentvorgaben erinnern hier stark an gescheiterte sozialistische Propaganda.“
Die Bauern stört nach seinen Angaben außerdem die im Volksbegehren geforderte Verpflichtung, Uferrandstreifen nicht zu bewirtschaften. „Das ist Enteignung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Grundeigentümer vorschreiben lassen, in ihrem Hausgarten Randbereiche sich selbst zu überlassen, nur nach verordneten Zeitabständen mit der Sense per Hand zu mähen“.
Der Kreisobmann der Bauern sieht es deshalb als notwendig an, dass der bayerische Weg „Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht“ weiter fortgesetzt wird. Bereits heute würden etwa 50 Prozent der Landwirte vertraglich an den Kulturlandschafts- und Umweltprogrammen teilnehmen. Die Förderung falle weg, wenn gesetzliche Vorgaben zur Flächenstilllegung und Extensivierung kommen würden.
Den Kampf gegen das Insektensterben können nach Bodmaiers Meinung nicht allein die zwei Prozent der Bevölkerung übernehmen, die von der Landwirtschaft leben. „Der Rückgang der Artenvielfalt ist ein vielschichtiges globales Problem und die Lösung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. „Bodmaier sieht alle in der Pflicht – die Politik ebenso wie die Wirtschaft und besonders den Verbraucher als Käufer von Ökoprodukten. Durch das Volksbegehren werde „kein einziges Bienenvolk gerettet“. „Auch ich als Biobauer habe ein Interesse daran, dass mein Land keine Blumenwiese ist, sondern bewirtschaftet werden kann.“ Bodmaier appelliert an alle Bürger, sich vor dem Gang ins Rathaus „am besten beim Landwirt aus der Nachbarschaft“ zu informieren. Und empfiehlt, statt auf gesetzliche Verordnungen lieber auf staatliche Anreize zu setzen. „Die Förderprogramme für freiwillige Extensivierungen könnte man deutlich erhöhen.“