Bürokratie bis in den Tod

von Redaktion

Hagen Lindner hat monatelang versucht, für seine pflegebedürftige Mutter das Landespflegegeld zu beantragen. Eine Rückmeldung bekam er erst nach ihrem Tod. Auch rückwirkend hätte ihm die Unterstützung geholfen – doch nun hat er keinen Anspruch mehr darauf.

Rosenheim/Bad Aibling – Über die Nachricht, dass pflegende Angehörige künftig vom Staat mit 1000 Euro im Jahr bezuschusst werden, hat sich Hagen Lindner gefreut. Denn seine Mutter Christa war seit Jahren ein Pflegefall. Grad 5 – die höchste Stufe. Er beantragte das Landespflegegeld gleich Anfang August. In der Hoffnung, dass es ab September ausgezahlt wird.

Doch das erste Problem kam schon nach drei Wochen auf. „Ich bekam eine Nachricht, dass der Personalausweis meiner Mutter bei dem Antrag fehlt“, berichtet der Rosenheimer. Weil seine Mutter seit Jahren im Pflegeheim lebt, hatte sie keinen gültigen Ausweis mehr. „Auf meine Nachfrage wurde mir gesagt, die Meldebestätigung würde auch reichen“, erzählt er. Also hat er den Antrag erneut gestellt – und dann monatelang gar nichts mehr gehört. Und auch kein Pflegegeld bekommen. „Über die Servicestelle habe er nur „Standard-Antworten“ bekommen und wurde vertröstet.

Christa Lindner ist Ende November gestorben. „Auch rückwirkend hätte mir das Landespflegegeld sehr geholfen“, sagt Hagen Lindner. Denn der 71-Jährige musste viel Geld zustrecken, damit sich seine Mutter über Jahre das Pflegeheim in Bad Aibling leisten konnte. „Hätte ich das Geld im September ausgezahlt bekommen, hätte ich für den Dezember auch keinen Betrag zurückzahlen müssen“, erklärt er.

Antrag nicht bearbeitet

Da sein Antrag aber gar nicht bearbeitet wurde, hat er nun keinen Anspruch mehr auf das Pflegegeld. Diese Auskunft bekam er erst vor ein paar Wochen, als er den CSU-Landtagsabgeordneten Klaus Stöttner gebeten hatte, für ihn nachzuhaken.

Das Pflegeministerium bedauert, dass es im Fall der Lindners so viele Komplikationen gegeben habe. „Warum es zu einer derart verzögerten Bearbeitung gekommen ist, lässt sich aus den Unterlagen nicht mehr nachvollziehen“, sagte ein Sprecher. Das sei besonders bedauerlich, weil Christa Lindner inzwischen gestorben ist und das Geld nun nicht mehr ausgezahlt werden könne. Denn der Anspruch ist nicht vererblich, erklärt er. „Das Geld kann nur an anspruchsberechtigte Personen ausgezahlt werden, die zum Zeitpunkt der Auszahlung noch leben.“ Das habe der Gesetzgeber festgelegt, um die Selbstbestimmung der pflegebedürftigen Menschen zu stärken, sie sollen eigenständig entscheiden, wie das Geld verwendet wird.

Ministerium spricht von Ausnahme

Fälle wie der der Lindners seien eine Ausnahme, betont der Sprecher. „Die Zahl der Beschwerden bewegt sich in einem sehr niedrigen Bereich.“ Aber allein beim Rosenheimer Landtagsabgeordneten Stöttner meldeten sich „vier, fünf Fälle“, bei denen wie im Falle Lindner der Pflegebedürftige verstarb, ehe die Bürokratie das Geld freigab. „Man muss das aber in Relation zu den rund 5000 Fällen bei mir in Rosenheim sehen, wo es gut und schnell erledigt wurde“, sagt der Abgeordnete.

Trotzdem fordert er, dass das Gesetz zum Landespflegegeld nachgebessert werden sollte: „Der Eingangsstempel des Antrags sollte entscheidend sein“, so sein Vorschlag – dann würde eine verzögerte Bearbeitung letztlich nicht zum finanziellen Verlust der Betroffenen führen.

Nach Auskunft des Finanzministeriums beträgt die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Anträge höchstens sechs Wochen. Als das Landespflegegeldgesetz am 11. Juli 2018 verabschiedet wurde, war die Entwicklung der Verwaltungssoftware noch nicht abgeschlossen. Deshalb konnte die Auszahlung erst Ende August beginnen. Die bis dahin eingegangenen Anträge seien erst nach und nach abgearbeitet worden, erklärt der Sprecher.

Hagen Lindner bringt diese Auskunft im Nachhinein nicht mehr viel. Er macht sich keine Hoffnungen mehr auf die Unterstützung. Aber er hätte sich gerne die Nerven gespart, die er in den vergangenen Monaten dafür investiert hat. Die Zeit hätte er lieber mit seiner Mutter verbracht.

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