Der Blutdruck des Anwalts steigt

von Redaktion

Samerberger Unfallprozess: Golf-Fahrer soll erneut vor Gericht aussagen

Rosenheim – Zum direkten Unfallgeschehen konnte sie nichts beitragen, nachdem sie sich an die dramtischen Stunden nicht mehr erinnern kann. Ihre Aussage machte den Prozessbeobachtern aber nochmals deutlich, wieviel Leid der Zusammenstoß über die Beteiligten gebracht hatte.

Als letzte von neun Zeugen an diesem Prozesstag betrat gestern Lena Daxlberger (21) den Zeugenstand. Sie hatte als einzige Insassin des Nissan Micra den Unfall auf der Miesbacher Straße in Rosenheim am 20. November 2016 überlebt, während ihre 15-jährige Schwester Ramona und ihre Freundin Melanie Rüth (21) starben (siehe Kasten).

Aussage

unter Tränen

Zu Beginn unter Tränen, dann mit immer festerer Stimme schilderte die junge Frau vom Samerberg wie sie Tage nach dem Unfall im Krankenhaus aufgewacht war und zunächst dachte, erblindet zu sein. „Meine Augen waren so zugeschwollen, dass ich fast nichts gesehen habe.“ Zudem musste sie – neben unzähligen Knochenbrüchen, ausgeschlagenen Zähnen und weiteren schweren Verletzungen – den Verlust ihrer Schwester und ihrer Freundin verkraften.

Auch heute noch – fast zweieinhalb Jahre nach dem Unfall – hat die Samerbergerin physisch wie psychisch mit den Folgen der Tragödie zu kämpfen. So verhindern ständige Kopfschmerzen, dass die gelernte Arzthelferin wieder in ihrem Beruf arbeiten kann. Kopfschmerzen, die vermutlich vom offenen Schädel-Hirn-Trauma, das sie bei dem Unfall davongetragen hatte, rühren. Lena Daxlberger: „Die meisten Menschen mit diesen Verletzungen überleben gar nicht oder sind schwerstbehindert.“

Auch die übrigen acht Zeugen an diesem Tag konnten zur entscheidenden Frage, ob der angeklagte BMW-Fahrer (25) aus Riedering ein Wiedereinscheren des Unfallfahrers Simon H. (26) aus Ulm verhindert habe, wenig beitragen. Auch wenn einige Aussagen den Angeklagten belasteten. So gab die Schwester des Ulmers zu Protokoll, dass ihr Bruder ihr gegenüber in einem Telefonat direkt nach dem Unfall mehrmals den Satz „Die Schweine haben mich nicht reingelassen“ fallen gelassen habe.

Eine Aussage, die sich mit Angaben des Staatsanwalts deckte, der rund eineinhalb Stunden nach dem Zusammenstoß zur Unfallstelle gefahren war. Dieser gab an, dass ein Ersthelfer oder ein Mitglied der Rettungskräfte eine ähnliche Aussage von Simon H. aufgeschnappt habe. „Ich weiß zwar nicht, wann sich Menschen etwas ausdenken. In dieser Situation aber wohl eher nicht“, so der Staatsanwalt am Landgericht Traunstein zu den Reaktionen des selbst schwer verletzten Unfallfahrers nur wenige Minuten nach dem Zusammenstoß.

„Komisch“ sei ihm zudem vorgekommen, dass der Angeklagte, der nach Aussagen der Insassen beider BMW „mindestens 100 Meter hinter seinem Kumpel gefahren sei, trotzdem noch durch die Unfallstelle gefahren ist. Das kam mir nicht stimmig vor.“

Dass sein Mandant die Unfallstelle noch passiert hatte – für Anwalt Dr. Andreas Michel kein Beweis für dessen Schuld. Er zweifelt stattdessen an vielen Aussagen des Unfallfahrers – beispielsweise in puncto Handynutzung am Steuer – und will den 26-Jährigen daher erneut als Zeugen einbestellen lassen.

Zudem kritisierte er die bei seinen Fragen seiner Meinung nach ständigen Unterbrechungen durch Richterin Dr. Cornelia Doliwa, durch den Staatsanwalt sowie die Anwälte der Nebenkläger. Was letztlich sogar dazu führte, dass Michel während einer Zeugenbefragung eine Unterbrechung beantragte: „Sonst steigt mein Blutdruck noch ins Unermessliche.“

Der Prozess wird am 12. März fortgesetzt, ein Urteil soll nach derzeitigem Stand am 19. März fallen.

Verhandlung 2018: Einmal Haft, einmal Bewährung

Es war ein Unfalldrama, das die Menschen der Region auch 27 Monate später bewegt: Am Sonntag, 20. November 2016, war Melanie Rüth (21) vom Samerberg in ihrem Nissan Micra mit ihren Freundinnen Lena und Ramona Daxl-berger (15) auf dem Weg nach Hause, als ihr um 21.04 Uhr auf ihrer Spur der damals 23-jährige Simon H. aus Ulm entgegenkam und frontal in den Nissan krachte. Die 21-Jährige starb noch an der Unfallstelle, Ramona Daxlberger, die auf dem Rücksitz gesessen hatte, wenige Stunden später im Krankenhaus. Ramonas Schwester Lena, heute 21 Jahre alt, überlebte schwerstverletzt. Schnell rückten auch zwei BMW-Fahrer in den Fokus der Polizeiermittlungen, nachdem unter anderem der Ulmer Unfallfahrer direkt nach dem Zusammenstoß davon sprach, von den BMW-Fahrern am Wiedereinscheren gehindert worden zu sein. Während die Ermittlungen gegen den hinteren Fahrer zunächst eingestellt wurden, musste sich neben Simon H. auch der vordere BMW-Fahrer, Daniel R. aus Kolbermoor, im Frühjahr 2018 vor Gericht verantworten. Das Rosenheimer Schöffengericht sah es damals als erwiesen an, dass der Ulmer zwar die Situation falsch eingeschätzt, der Kolbermoorer aber den Ulmer am Einscheren gehindert hatte. So verurteilte das Gericht Simon H. zu 20 Monaten Haft auf Bewährung, während Daniel R. eine Haftstrafe von zwei Jahren antreten soll. Der Kolbermoorer hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das Rosenheimer Gericht legte der Staatsanwaltschaft zudem nahe, auch die Ermittlungen gegen den zweiten BMW-Fahrer erneut aufzunehmen. Deshalb muss sich der Riederinger nun vor Gericht verantworten.mw

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