Traunstein/Schnaitsee – Eine überraschende Entwicklung nahm gestern der Prozess gegen einen 35-jährigen Schnaitseer wegen mehrfacher Vergewaltigung: Das Landgericht konzentriert sich bei der Verhandlung jetzt auf drei Vergewaltigungen, die der Angeklagte begangen haben soll. Der Grund: das strafrechtliche Gewicht der verbleibenden Vorwürfe.
Diese umfassen jetzt noch zwei schwere Vergewaltigungen, eine Vergewaltigung sowie gefährliche und vorsätzliche Körperverletzung. Eine der Geschädigten kannte der Angeklagte aus seiner Arbeit, in zwei Fällen lernte er die Frauen über die Dating-Plattform „Lovoo“ kennen. Mit einer der beiden führte er längere Zeit eine Beziehung. Der 35-Jährige soll seine Opfer durch Fesseln und Kabelbinder wehrlos gemacht, Sexspielzeuge verwendet, die Frauen erniedrigt, gewürgt, geschlagen und bespuckt haben. Beim Verlesen der Anklage überzog eine leichte Röte das blasse Gesicht des Schnaitseers.
Die Verteidiger des 35-Jährigen – Harald Baumgärtl und Dr. Markus Frank aus Rosenheim – regten gestern ein Gespräch über die Höhe der Strafe im Fall eines umfänglichen Geständnisses an. Das Ergebnis: eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen sechs Jahren und sechs Jahren drei Monaten, was alle Parteien annahmen.
Die Kammer fasste weiter den Beschluss, die bisherige Untersuchungshaft seit 21. Juni 2017 voll auf das jetzige Verfahren anzurechnen. Die Verteidiger ließen außerdem Schmerzensgeld für zwei der Frauen in Höhe von 13000 beziehungsweise 10000 Euro im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs protokollieren. Eine Entschädigung für das dritte Opfer ist noch offen. Über seine Anwälte ließ der 35-Jährige gestern den Sachverhalt, auch aus dem früheren Verfahren, als zutreffend einräumen. Mehr wollte er nicht mehr sagen, auch keine Fragen beantworten.
Ein Kripobeamter gab gestern die Aussagen der Opfer bei der Polizei wieder. Demnach waren sie zunächst mit den sexuellen Handlungen einverstanden, mit der folgenden Gewalt und den Misshandlungen bis zur Bewusstlosigkeit aber nicht. Dazu der Zeuge: „Je mehr die Frauen litten, desto mehr hat das den Täter angetörnt.“ Alle Frauen hätten psychische und körperliche Schäden davongetragen. Laut dem Beamten hätten die Frauen Angst gehabt, niemand werde ihnen glauben. Denn: Der Angeklagte sei in seinem Umfeld sehr beliebt.
Tödlicher Ausgang wäre möglich gewesen
Die Sachverständige Dr. Bettina Zinka vom Rechtsmedizinischen Institut an der Uni München nahm gestern zur Gefährlichkeit einzelner Handlungen Stellung. Eine Knebelung beim Oralverkehr mit Erbrechen könne sogar eine tödlichen Ausgang haben. Bei Würgen könne es zu Todesangst, Verschließen der Luftwege, Bewusstlosigkeit, Erstickungsgefahr durch Erbrechen und Hirnschäden kommen. Bisse in die Brüste könnten zu erheblichen Komplikationen führen. In keinem Fall habe jedoch konkrete Lebensgefahr bestanden, schloss Frau Dr. Zinka.
Es ist nicht der erste Vergewaltigungsprozess gegen den 35-jährigen Schnaitseer. Im ersten Prozess hatte das Gericht Mitte Mai wegen Vergewaltigung einer 21-Jährigen eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt. Der Angeklagte hatte damals seine Unschuld beteuert.
Während der Verhandlung hatten sich weitere vier Frauen gemeldet und den 35-Jährigen wegen gleichgelagerter Taten angezeigt. Das erste Urteil wurde vom Bundesgerichtshof aufgehoben, weil eigentlich eine andere Strafkammer entscheiden hätte müssen. Mit dem neuen Prozess ist das nun vom Tisch.
Die Hauptverhandlung wird am 26. und 28. März sowie am 4. und 12. April jeweils um 9 Uhr fortgeführt.