Brannenburg – Zeit kann man nicht gewinnen, die Erkenntnis hat schon „Momo“ im gleichnamigen Roman von Michael Ende gegen die grauen Männer verteidigt. Das hat jetzt auch Bastian Gürth aus Brannenburg selbst erfahren.
Dass man Zeit verlieren kann, da war sich Gürth sicher. Größte Zeitfresser in seinem Leben: die Sozialen Netzwerke Facebook und Instagram. Als er merkte, wie viel Zeit er oft mit dem Smartphone vor der Nase verbrachte, beschloss er zu fasten (wir berichteten).
So viel vorweg: Mehr Zeit hat Gürth heute nicht als noch vor dem Aschermittwoch. Und das, obwohl er seit nunmehr vier Wochen keinen Blick in die besagten Netzwerke geworfen hat.
Apps vom
Handy gelöscht
Damit er das über die insgesamt 40 Tage beziehungsweise sechs Wochen bis Ostern schafft, hat Gürth die Facebook- und Instagram Apps von seinem Handy geschmissen. Damit, so der Plan, kam er gar nicht mehr in die Versuchung, von der Informationsflut auf Facebook oder Instagram mitgerissen zu werden.
Das zu tun, sagt der 35-Jährige, war ein guter Schachzug. Der Aufwand, die Apps wieder herunterzuladen und die Anmelde-Daten zu finden, sei eine einfache, aber effektive Hürde gewesen. Deswegen habe er sein Facebook-Fasten auch bis jetzt durchgezogen.
Schwierig dagegen: Wenn man sich nicht mehr so fix austauschen kann. So vergaß Gürth beim Wandern seine Jacke auf der Hütte und eine schnelle Nachfrage in der entsprechenden Facebook-Gruppe war nicht mehr möglich, telefonisch niemand erreichbar. Die Jacke blieb, wo sie war.
Auch, als Gürth spontan klettern gehen wollte, hätte er gerne jemand in seiner entsprechenden Facebook-Gruppe um Begleitung gebeten. Weil im echten Leben Wohnort, Interesse und Freizeitpläne nicht auf unserer Stirn stehen, verzichtete der 35-Jährige darauf, fremde Menschen im Supermarkt anzusprechen und ging alleine los. „Für diese konkreten Situationen habe ich keine Alternative zu Facebook gefunden“, sagt er. Um im Netz den Austausch zu finden, habe er sich für zwei Stunden den Kurznachrichtendienst Twitter heruntergeladen – doch dann festgestellt: „Wer in der Fastenzeit auf Schokolade verzichten will, sich aber Gummibärchen kauft, wäre nicht besser.“
Eine Alternative für die echten Nachrichten, die auf Facebook landen, war schnell gefunden. Gürth abonnierte so genannte Push-Mitteilungen von Zeitungen. Aktuelles landet direkt auf seinem Handy-Bildschirm.
Push-Mitteilungen zum Brexit
„Aus diesem Grund habe ich das Gefühl, dass die gesamte Nachrichtenlandschaft in den vergangenen drei Wochen nur aus Brexit-Push-Mitteilungen besteht“, gesteht er trocken.
Wenn Gürth vorher am Tag locker eine gute Stunde am Tag auf Facebook oder Instagram verbrachte, verbringt er die Zeit heute, nun – nicht wesentlich besser: „Ich habe keine Zeit gewonnen, weil ich die Zeit im Moment anders verdaddel.“
Statt in den Sozialen Netzwerken Uninteressantes zu erfahren, lese er halt nach dem Aufstehen noch im Bett die letzte Brexit-Meldung. „Ich merke, dass dieses Zeit-Totschlagen kein Symptom der Sozialen Medien, es entspricht vielleicht meinem Bio-Rhythmus.“
Sein Resümee: An verlorener Zeit sind nicht Soziale Medien schuld – „das schaffe ich ganz allein“. Trotzdem ist sich der Brannenburger aktuell nicht sicher, ob er die Apps nach Ostern wieder auf sein Handy laden wird. Vielleicht begibt er sich einfach weiter auf die Suche nach der verlorenen Zeit.