Traunstein/Bergen –- Mit angeblichen Rezepten mit Marihuana wollte ein 52-Jähriger aus Bergen Krebserkrankungen heilen. Die Herstellungsanweisungen hatte er einem Buch entnommen. Vor dem Schöffengericht Traunstein behauptete der Messebauer, er habe mit den Produkten bei sich und anderen Erfolge erzielen können. Das Gericht mit Vorsitzendem Wolfgang Ott verhängte wegen Besitzes, Herstellung und Abgabe von Drogen in nicht geringer Menge eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe mit vierjähriger Bewährung.
Bei einer Wohnungsdurchsuchung in Folge anderer Ermittlungen hatten Beamte der Polizeiinspektion Traunstein am 2. Oktober 2018 in der Wohnung des Angeklagten rund drei Kilogramm Cannabispflanzen und 500 Gramm Marihuana sowie eine professionelle Aufzuchtanlage mit 18 Cannabispflanzen samt Zubehör wie zum Beispiel Dünger entdeckt. Dazu fanden sich akribische Aufzeichnungen über frühere Ernten, Geräte zur Weiterverarbeitung des Marihuanas, Tütchen mit mehreren Samensorten, etwa vier Gramm Haschöl sowie 363 Gramm einer fettigen Substanz mit einer sehr geringen Menge an THC, wie der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol in Marihuana abgekürzt wird. Der 52-Jährige kam in Untersuchungshaft.
Der Angeklagte räumte vor Gericht den Sachverhalt grundsätzlich ein. Allerdings lieferte er wortreich pseudowissenschaftliche Begründungen für sein „Projekt“, mit dem er der Menschheit angeblich Gutes tun wollte. Er behauptete, eine Dame, deren Name er nicht nennen wolle, und einen ungarischen Krebspatienten geheilt zu haben. Auch an sich selbst habe er Erkrankungen erfolgreich behandelt.
Zur Begründung für die Herstellung von „Krebsmedikamenten“ berief er sich auf extrem teure alternative Arzneimittel, die von den Krankenkassen nicht bezahlt würden. Der 52-Jährige fragte: „Was sollte ich tun? Ich habe eine andere Lösung gesucht.“
Das Schöffengericht hörte mehrere Zeugen, auch Rauschgiftfahnder der Kripo Traunstein, an. Vor allem ging es um den Punkt, ob der Angeklagte seine Erzeugnisse tatsächlich verkauft hatte. Weder sein Handy noch sein Laptop erbrachten dazu etwas. Der Bergener führte zudem einen erheblichen Eigenkonsum an. Mit bis zu 15 Gramm täglich von dem Haschöl habe er sich eingerieben, getrocknete Blüten habe er geraucht. Nicht weiter kommentierte der 52-Jährige die von einem Kripo-Zeugen präsentierten rund 500 Aufnahmen auf einer Digitalkamera, die die prächtige Entwicklung einschließlich Blüte der Marihuana-Pflanzen zeigten.
Der psychiatrische Sachverständige, Dr. Stefan Gerl vom Bezirksklinikum in Gabersee, sprach von „Genusskonsum“ von Marihuana, sah aber keine Abhängigkeit bei dem voll schuldfähigen 52-Jährigen.
Der Messebauer schilderte, er habe seit Langem Interesse an Themen wie Heilsteine, Pendeln oder geistiges Heilen. Richter Wolfgang Ott stellte die Frage, wie es weitergehen solle: „Wollen Sie sich weiter als Retter von Krebspatienten aufspielen?“ Damit wolle er nichts mehr zu tun haben, beteuerte der 52-Jährige, um sofort wieder von Cannabis-Produkten im Krankheitsfall zu reden. Vor einem „Heiler-Wahn“, in dem er schon tief drin stecke, warnte der Richter.
Der Angeklagte sehe sich als „Art Wunderheiler“, eröffnete Staatsanwältin Carolin Schwegler das Plädoyer auf zweieinhalb Jahre Freiheitsstrafe wegen Handeltreibens mit und Herstellung von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Entscheidend sei, was der 52-Jährige mit dem vielen Marihuana gemacht habe. Für den Verbleib der enormen Mengen liefere er keine Erklärung: „Ich bin überzeugt, große Teile der Drogen wurden verkauft.“
Verteidiger Günter Reisinger aus Bergkirchen-Günding hielt eine Strafe zwischen ein und zwei Jahren mit Bewährung für ausreichend. Der 52-Jährige habe von der Strafbarkeit seines Tuns gewusst. Dem gegenüber sei seine Lebensphilosophie, helfen zu wollen, gestanden: „Er hat Marihuana abgegeben, aber nicht verkauft.“
Im Urteil hob der Vorsitzende heraus, das Gericht habe die Motivation des Angeklagten – Krebsmedikamente herzustellen, um Menschen zu helfen – nicht ausschließen können. Die Polizei habe keinen Anhaltspunkt für Handeltreiben finden können. Das Hauptproblem für die Bewährung sei die „günstige Sozialprognose“ für den Angeklagten gewesen.