18000 Kilometer „hoamzua“

von Redaktion

Christoph Mayer ist jetzt Rentner – und sitzt fester im Sattel denn je. Denn er radelt heim, direkt vom Büro in China bis zum Samerberg, wo er wohnt. 18000 Kilometer sind das. Seit Januar ist er schon unterwegs. Da greift keine Entfernungspauschale dieser Welt.

Samerberg/Suzhou – Es ist ein emotionaler Abschied vom „Chef“: Als sich Mayer nach dem letzten Arbeitstag in Suzhou auf den Heimweg macht, stehen die Mitarbeiter der Brückner Group China Spalier und lassen Konfetti auf ihren Geschäftsführer aus Bayern regnen. Dabei fließt so manche Träne.

Anfang Januar war das – der Beginn eines einzigartigen Abenteuers. Ein so langer Heimweg nach dem letzten Arbeitstag dürfte einzigartig sein. Seit Monaten radelt der 65-Jährige quer durch China in Richtung Heimat. Läuft alles nach Plan, wird die Hochries im Oktober in Sicht sein.

Wasserbüffel und Elektroautos

Suzhou liegt im Osten Chinas nahe Shanghai. Dort betreibt die Brückner-Gruppe mit Hauptsitz in Siegsdorf (Hauptgeschäftsfeld ist Maschinenbau) ein Werk. Nach acht Jahren als Geschäftsführer ist für Mayer am 2. Januar das Kapitel China beendet – aber nur beruflich. Es geht auf große Tour. Dabei ist er nicht allein. Die ersten 2500 Kilometer radelt Ehefrau Ingeborg mit ihm westwärts.

Die dritte große Reiseetappe führt das Paar von der Provinz Guizhou im Süden Chinas nach Qinghai in der Tibet-Hochebene. In Guizhou ist es ein ständiges Rauf und Runter. „Die ganze Region ist Bergland, wir würden Mittelgebirge sagen. Die Höhenzüge verlaufen meist in Nord-Süd-Richtung, unsere Hauptfahrtrichtung verläuft von Ost nach West. Also geht es stetig bergauf und bergab“, schreibt Christoph Mayer in seinem Reisetagebuch. Und es gibt Straßenbaustellen, die sich im Reich der Mitte schon mal auf eine Länge von 50 bis 100 Kilometern hinziehen. Da muss man dann irgendwie durch – oder viele Kilometer Umweg in Kauf nehmen.

Richtung Westen arbeiten sich die Mayers durch ein endloses gelbes Meer von blühenden Rapsfeldern das bis zu 2000 Meter hohe Yunnan-Plateau hinauf. Die Gegend ist so kontrastreich wie China selbst: Wasserbüffel, die in der Landwirtschaft weiter als Zugtiere eingesetzt werden, erinnern an vergangene Zeiten, Elektroautos weisen den Weg in die Zukunft. In manchen Kleinstädten sind ausschließlich Stadtbusse mit E-Antrieb unterwegs.

Eine Breze
mitten in China

Weiter nördlich gibt es einen idyllischen Ort namens Shaxi am sogenannten Tea-Horse-Trail, einem historischen Transportweg nach Tibet. Dort fühlen sich die Abenteurer besonders wohl. Nicht nur, dass die Menschen früher dort Waren (Tee, Salz, Getreide) mit Pferden transportierten – „so wie es die Säumer vom Samerberg taten“. Zudem gibt es ein Stück Heimat zum Reinbeißen: Die Radler aus Bayern trauen ihren Augen kaum, als die junge Dorfbäckerin Brezen und Laugenstangerl aus dem Regal holt. Sie hat ihr Handwerk bei einem deutschen Kollegen in der nächsten Stadt gelernt.

Ein weiteres Stück weiter nördlich, in Lijiang, verabschiedet sich Ingeborg Mayer von ihrem Mann – nach knapp 2500 Kilometern. Im Herbst, so ist der Plan, wird sie ihrem Mann in Südosteuropa entgegenkommen, um gemeinsam „hoam“ zu radeln.

So strampelt der Samerberg allein durch die spektakuläre Kulisse der östlichen Himalaya-Ausläufer. Auf einem Niveau von bis zu 4200 Metern bläst dem 65-Jährigen der Wind kräftig ins Gesicht. Mayer: „Wenn es besonders arg wetterte, habe ich dann auch mal einen Bus benutzt.“

Wo sich die Gebetsmühlen drehen

Im Westen der Provinz Sichuan und in ganz Qinghai stellen die Tibeter die Mehrheit der Bevölkerung: „Das ist in der Architektur zu sehen, natürlich auch an den Menschen, die sich in Auftreten, Kleidung und Verhalten wesentlich von den Chinesen unterscheiden.“ Die Tempelanlagen sind dort besonders bunt und reich verziert. Viele Tibeter drehen betend ihre Runden um die Tempel und treiben die Gebetsmühlen an.

Runter in den Hexi-Korridor

In Xining, der Hauptstadt der Provinz Qinghai, ist nach einer Radelstrecke von gut 5800 Kilometern (dazu kommen 800 im Bus) gut ein Drittel der Gesamtdistanz „hoamzua“ geschafft. Jetzt geht es wieder runter, in den sogenannten Hexi-Korridor, durch den die wichtigsten Seidenstraßen-Routen auf chinesischem Gebiet verlaufen.

„Dann werden die Schneestürme wohl von Sandstürmen abgelöst werden“, glaubt Mayer. Und es werden noch weitere kommen – in Kasachstan, Kirgisistan, Turkmenistan oder im Iran.

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