Ein Stich rettet Leben.Foto schlecker
Vogtareuth – Wenn man als Motorradfahrer mit rund 60 km/h auf ein entgegenkommendes Auto prallt, kann man nicht unbedingt davon ausgehen, das zu überleben. So hätte der 11. September 2011 sehr wohl der letzte Tag im Leben von Johannes Kerer sein können. Dass dem nicht so war, kann man Schicksal nennen oder großes Glück.
Fest steht, dass der junge Mann ohne hervorragende medizinische Versorgung nicht mehr am Leben wäre. Und dass er das auch den Menschen verdankt, die mit ihrer Blutspende die damals für ihn überlebensnotwendigen Transfusionen ermöglicht haben. Ein Rückblick anlässlich des heutigen Weltblutspendetags.
Beim Überholen die Kontrolle verloren
Es ist der zweite Sonntag im September 2011, als Johannes Kerer am späten Nachmittag mit seinem Motorrad auf der Staatsstraße 2359 von Zaisering kommend in Richtung Stephanskirchen fährt. Eine kurvige Strecke, auf der man nicht mit hohem Tempo fahren kann. Am Weiler Grasweg will er an einem Fahrzeug vorbei, das in Schlangenlinien vor ihm herfährt. „Ich habe einen kleinen Schwenk gemacht, um zum Überholen anzusetzen. Dabei habe ich die Kontrolle über mein Motorrad verloren“, erinnert sich der 30-Jährige.
Im Polizeibericht steht später, er sei mit etwa 60 Stundenkilometern unterwegs gewesen. Die Suzuki SV 650 kracht frontal gegen ein entgegenkommendes Auto. „Vom Aufprall habe ich gar nichts mitbekommen“, so Kerer. Er wisse aber noch, dass unmittelbar davor sein Leben wie in einem Film vor seinem geistigen Auge vorbeigelaufen sei.
Notarzt unmittelbar am Unfallort
Normalerweise dauert es einige Minuten, bis nach einem Unfall ein Arzt eintrifft. Anders bei Johannes Kerer: Unmittelbar hinter ihm ist damals ein Notarzt aus dem Klinikum Rosenheim unterwegs. Der weiß sofort, was zu tun ist. Nachdem er den Rettungsdienst alarmiert hat, versorgt er den Schwerverletzten.
„Ein Autofahrer hatte eine Plastikplane und Klebeband dabei, damit hat mir der Arzt einen provisorischen Kopfverband angelegt“, berichtet Kerer. Er habe keine großen Schmerzen gehabt, lediglich am Kopf habe es stark gejuckt. Doch kratzen habe er sich nicht dürfen und auch nicht aufstehen, wie er es eigentlich wollte. „Da habe ich gesagt: Wenn ich mich nicht kratzen darf und auch nicht aufstehen, dann schlafe ich halt.“ Er habe die Arme verschränkt und sei tatsächlich eingeschlafen.
Der Rettungshubschrauber bringt den jungen Mann angesichts der schweren Kopfverletzungen ins Klinikum Bogenhausen nach München. Dort wird die Schädelfraktur versorgt. Die Schürfwunden und eine Knochenabsplitterung an einem Fuß sind vergleichsweise harmlos. Vor ein Rätsel stellt die Ärzte allerdings der unerklärliche Blutverlust ihres Patienten. Mehrere Transfusionen sind notwendig, um Kerer am Leben zu halten.
Hoher Blutverlust durch Venenriss
Bei einer Magnetresonanztomographie diagnostizieren die Mediziner schließlich, dass eine Vene im Oberkörper einen Riss hat, durch den permanent Blut austritt. In einer Notoperation wird der dünne Schlitz geschlossen. Kerer ist über dem Berg. Zehn Tage nach dem Unfall darf er das Krankenhaus verlassen und die Reha im Klinikum Vogtareuth antreten.
Bereits 28-mal
beim Blutspenden
„Ich bin Blutspender, seit ich 18 Jahre alt bin. Mein Unfall hat mich darin bestärkt, wie wichtig es ist, auf diese Weise anderen zu helfen“, sagt Kerer. Er sei bisher bereits 28-mal beim Blutspenden gewesen. Zusätzlich habe der Unfall ihn motiviert, die Ausbildung zum Sanitäter zu machen. An sich ist er Installateur und Heizungsbaumeister, aber er sei sehr froh, dass er jetzt für andere Menschen auch medizinisch etwas tun könne.
Nachdem zwei seiner Freunde ebenfalls bei schweren Unfällen mit dem Leben davon kamen, war es ihm ein Anliegen, dass nicht einfach so als selbstverständlich hinzunehmen. „Ich habe vorgeschlagen, dass wir eine Fußwallfahrt nach Altötting machen“, sagt Kerer. Das habe sich im Freundeskreis herumgesprochen: „Am Ende waren wir rund 30 Leute und sind auf den Tag genau ein Jahr nach meinem Unfall miteinander gewandert.“
In der Garage steht nur noch ein Moped
Ein Motorrad hat der Vater einer knapp einjährigen Tochter seit dem Unfall nicht mehr. In den Jahren darauf habe er sich ab und an die Maschine eines Freundes geliehen. „Aber nicht für Touren. Ich wollte einfach nur sehen, wie es ist, danach mit einem Motorrad zu fahren.“ Für sich selbst begnügt sich Johannes Kerer inzwischen mit einem Moped.