Die Bergung der Leiche war problematisch. Foto Reisner
Rosenheim/Wasserburg – Unablässig rollt der Bagger mit seiner großen Schaufel an den großen Schutthaufen am Innkraftwerk bei Rosenheim heran und bringt Treibgut weg. Von der anderen Seite rollt ebenso ohne Unterlass eine kleine Bahn mit drei Loren zwischen Kraftwerk und Lagerplatz hin und her und füllt den Haufen mit frischem Material aus dem Fluss wieder auf. „Das geht jetzt bestimmt schon seit zehn Tagen so“, sagt Josef Weyerer und zeigt auf den Holzberg: „Das hier ist die Ausbeute von einem Tag.“ Und heute sei es noch wenig. „Vorgestern war’s katastrophal.“ Derzeit komme auffällig viel Treibgut den Fluss hinunter, weiß der stellvertretende Kraftwerks-Gruppenleiter für die beiden Inn-Kraftwerke Rosenheim und Feldkirchen zu berichten.
Das viele Treibgut sei einer außergewöhnlichen Konstellation von Wetterfaktoren geschuldet, erklärt Werksgruppenleiter Klaus Schöler. Zuerst habe es viel geregnet, was die Flusspegel steigen ließ. Von überall her werde dabei das Treibgut in den Inn gespült. In höheren Lagen in den Alpen sei der Niederschlag noch als Schnee heruntergekommen. Dann seien die Temperaturen deutlich gestiegen und die Schneeschmelze habe stark eingesetzt. Nach dem Regen hält nun das Schmelzwasser den Flusspegel am Inn hoch. Schöler richtet seinen Blick über den Fluss Richtung Berge, wo die Gipfel immer noch weiß schimmern. „Es ist nicht normal, dass um diese Jahreszeit noch so viel Schneereste da oben liegen“, sagt er.
Schöler ist beim österreichischen Kraftwerksbetreiber Verbund AG für alle Innkraftwerke von Oberaudorf über Rosenheim und Wasserburg bis Stammham zuständig. Und an allen Anlagen könne man derzeit das gleiche Bild beobachten: Der Inn schwemmt das Treibgut gegen die Kraftwerke. Dort staut es sich an den Rechen vor den Turbinen. Und mit speziellen Maschinen, die sonst weitgehend automatisch ihren Dienst tun, wird mit Unterstützung von Arbeitern alles rausgefischt, was ankommt.
In der Hauptsache handelt es sich beim Treibgut um Holz, das von einem Unternehmen abgeholt und verwertet wird. „Aber es gibt nichts, was nicht schon in unseren Rechen hängengeblieben wäre“, berichtet Josef Weyerer. Immer komme auch viel Plastikmüll den Inn herunter. Gerade hüpft ein Fußball in der reißenden Wasserwalze hinter dem Wehr auf und ab. „Besonders oft ziehen wir auch Autoreifen aus dem Wasser“, sagt der stellvertretende Kraftwerksleiter. „Sogar einen Kühlschrank hatten wir schon.“
Was zu groß und zu schwer ist, um es mit dem Korb vor dem Rechen wegzuholen, wird mit zwei Spezialkranen, die jeweils mit einem zwei Tonnen schweren Hydraulikgreifer ausgestattet sind, aus dem Fluss gezogen. „In der Nacht haben sie einen vier Tonnen schweren Baumstamm raus“, berichtet Weyerer.
Treibgut behindert
die Stromerzeugung
Wenn es am Inn aussieht, wie zurzeit, seien am Kraftwerk in Rosenheim rund um die Uhr zwei Mann im Schichtbetrieb damit beschäftigt, Treibgut aus dem Wasser zu bergen. Weyerer sagt: „Wir haben hier Baumstämme, die sind 20 bis 25 Meter lang.“ Diese werden noch vor Ort in kleinere Teile zersägt, bevor sie abtransportiert werden können.
Lässt man den Blick vom Kraftwerk über den Inn schweifen, kommt ein schier endloser Teppich aus Ästen, Stämmen und Rinde angeschwommen. Nur ein Teil davon, der vor die Turbinen treibt, bleibt an den einzelnen Kraftwerken entlang des Flusses hängen und wird rausgezogen. Der Rest treibt über oder unter dem Wehr am Kraftwerk vorbei und schwimmt weiter flussabwärts und bleibt dann an einem der nächsten Kraftwerke hängen.
Der Kraftwerksbetreiber holt das Treibgut – alleine in Rosenheim zwischen 3500 und 5000 Kubikmeter pro Jahr – nicht zum Spaß aus dem Inn. Alles, was vor den Rechen an den Turbinen hängenbleibt, behindert den Durchfluss und damit die Leistung des Kraftwerks, das pro Jahr rund 180 Gigawattstunden Strom erzeugt – Energie für etwa 50000 Drei-Personen-Haushalte. Entlang des Inns erzeugt die Verbund AG an zehn Hauptstandorten zwischen Oberaudorf und Passau pro Jahr knapp 5000 Gigawattstunden Strom.