Hitler kein Ehrenbürger mehr

von Redaktion

Adolf Hitler, General Ritter von Epp, Abt Albanus Schachleiter – sie alle waren Ehrenbürger der Gemeinde Bad Feilnbach. Bis vor Kurzem. Da musste sich der Gemeinderat des Themas annehmen – und distanzierte sich natürlich davon. Doch erst auf Druck einer Bürgerin.

Bad Feilnbach – Beim Blättern durch die Chronik der Gemeinde Bad Feilnbach fiel ihr Blick darauf: 25. März 1933, Reichskanzler Adolf Hitler wurde zum Ehrenbürger der Gemeinde Bad Feilnbach ernannt. Mit ihm: General Ritter von Epp und Abt Albanus Schachleiter.

Durchaus bemerkenswert, war der erste Gedanke von Christa Faulenbach, aber irgendwie auch wenig verwunderlich in dieser Zeit – Tausende Gemeinden hatten damals den Reichskanzler mit der Ehrenbürgerwürde umschmeichelt. Sie blätterte weiter, erfuhr Interessantes aus der Gemeindegeschichte – und vermisste am Ende doch eine für sie wesentliche Information: Was war denn aus der Ehrenbürgerwürde von Hitler, Epp und Schachleiter geworden? Wurde sie jemals aberkannt?

Was ist aus der Ernennung geworden?

Eine Frage, die Christa Faulenbach, die vor über 15 Jahren von Bad Aibling nach Bad Feilnbach gezogen war, nicht mehr losließ. Das war im Frühjahr 2017. Telefonisch gelangte sie nicht zum Ziel. Also wandte sie sich schriftlich an die Gemeinde mit der Bitte um Aufklärung – mit einem Brief an den damaligen Bürgermeister Hans Hofer. Wurde den Größen des Dritten Reiches eigentlich die Ehrenbürgerwürde aberkannt?

Die Antwort aus dem Rathaus fiel wenig befriedigend aus, erinnert sich die heute 73-Jährige. „Man erklärte mir, meine Anfrage sei ja sehr interessant und man gebe sie ans Archiv zur Klärung weiter.“ Das Ergebnis wolle man dann dokumentieren und veröffentlichen.

Im Herbst 2017 war Adolf Hitler dann tatsächlich Thema im Gemeinderat, verbunden mit der Information: Eine förmliche Aberkennung der Ehrenbürgerwürde sei nie erfolgt, da nicht erforderlich. Denn rein juristisch erlösche das Recht mit dem Ableben der Person – womit das Thema erledigt sei. Also: kein weiterer Handlungsbedarf. Das bestätigte auch Bad Feilnbachs Rathaus-Geschäftsführer Andreas Lukas gegenüber unserer Zeitung.

Doch Christa Faulenbach ließ das keine Ruhe, sie recherchierte weiter – und stieß auf den Fall Tegernsee. 2016 war Historiker Franz-Josef Rigo (Bad Wiessee) bei Recherchen darauf gestoßen, dass dort Adolf Hitler – wie in vielen anderen Städten und Gemeinden auch – 1933 zum Ehrenbürger ernannt worden war. Die Aberkennung aber nie erfolgte. „Bürgermeister und Gemeinderat haben damals umgehend reagiert und sich in aller Deutlichkeit davon distanziert und die Ehrenbürgerwürde aberkannt“, erinnert sich Rigo im Gespräch mit unserer Zeitung.

Nicht ganz so in Bad Feilnbach: Hier war langer Atem gefragt – den Christa Faulenbach in der Tat auch bewies. Und im August 2018 einmal mehr im Rathaus nachhakte. Allerdings: keine Antwort. Im Frühjahr dieses Jahres ein erneuter Vorstoß: dieses Mal beim neuen Bürgermeister Anton Wallner.

Hartnäckigkeit

zahlt sich aus

Und endlich kam wieder Bewegung in die Sache: Er sicherte der Bürgerin zu, das Thema noch einmal im Gemeinderat behandeln lassen zu wollen. „Der Wunsch einer vollständigen Aberkennung ist aus menschlichen und ethischen Beweggründen absolut nachvollziehbar“, betonte Wallner in dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt. Und weiter: „Durch die Behandlung im Gemeinderat setzt die Gemeinde Bad Feilnbach ein Zeichen der Solidarität für alle Mitbürger und gegen Fremdenfeindlichkeit, insbesondere gegen gewaltorientierten Rechtsextremismus.“ Der Bürgermeister selbst war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

So geschah es dann auch: Im Sommer brachte die Gemeinde ganz aktuell das Thema in die Sitzung ein. Und der Gemeinderat setzte ein klares Signal: Per einstimmigem Beschluss erfolgte die symbolische Aberkennung der Ehrenbürgerwürde für Adolf Hitler, General Ritter von Epp und Abt Albanus Schachleiter, Letzterer ebenfalls ein glühender Verfechter des Nationalsozialismus. Ausgeweitet wurde der Beschluss zudem auf die zu damaliger Zeit selbstständigen Gemeinden und heute Gemeindeteile Wiechs, Au bei Bad Aibling, Dettendorf und Litzldorf. „Damit auch diese Bereiche gleich mit abgedeckt sind“, erklärte dazu Rathaus-Geschäftsleiter Lukas. Der dabei aber ganz klar den symbolischen Charakter betont. „Da die Ehrenbürgerwürde mit dem Tod einer Person erlischt.“

Christa Faulenbach ist erleichtert, dass das Thema Ehrenbürgerwürde Hitler nun endlich vom Tisch ist – doch gleichzeitig bleibt die Irritation über das lange und zähe Ringen. Und die damit verbundene Geheimniskrämerei der Gemeinde. „Das kann ich leider ganz und gar nicht nachvollziehen.“

„Jeder sollte mal nachforschen“

Ähnlich sieht das Historiker Rigo, der vom Tegernsee aus die Causa Bad Feilnbach wachsamen Auges verfolgt. „An die 4000 Städte und Gemeinden haben damals Hitler zum Ehrenbürger ernannt, da sollte jeder mal nachforschen, was daraus geworden ist“, meint Rigo. Und seiner Ansicht nach dann, wie im Fall Tegernsee, auch zeitnah reagieren. „In der heutigen Demokratie ist es doch geradezu ein Muss, sich davon zumindest symbolisch zu distanzieren.“

Artikel 10 von 11