„Die brauchen wir hier nicht“

von Redaktion

Tuntenhausen will Hells Angels loswerden – Infoveranstaltung geplant

Tuntenhausen – Die Einweihung eines neuen Treffpunkts ist auf dem Dorf normalerweise eine zünftige Sache: Die Musik spielt, das Bier fließt in Strömen und die Stimmung ist heiter. In der Gemeinde Tuntenhausen sah das am Samstagabend ganz anders aus. Im Ortsteil Schönau wurde in einem neuen Clubheim zwar auch gefeiert, allerdings hinter Bauplanen und geschlossenen Vorhängen. Und die Gäste, die zum Fest kamen, mussten zunächst durch eine Polizeikontrolle. Von guter Stimmung im Ort keine Spur – schließlich waren es die Hells Angels, die zur Party eingeladen hatten. Während bei den Polizeikontrollen einige Verstöße registriert wurden, verlief die Feier an sich ohne Zwischenfälle (wir berichteten).

Schon seit ein paar Jahren ein Bikertreff

Dass sich in dem Gebäude in der Lindenstraße Motorradfreunde treffen, ist man in Schönau seit ein paar Jahren gewohnt. Thomas Gaar, Eigentümer des Gebäudes und bis vor Kurzem Betreiber einer Metzgerei, ist selbst Motorradfahrer. Er nutzte das Haus zusammen mit anderen Bikern schon in der Vergangenheit für Treffen und geselliges Beisammensein. Das war in der Ortschaft auch kein Problem, bestätigen diverse Anwohner. Mit dem Erscheinen der Hells Angels auf der Bildfläche hat sich die Stimmungslage allerdings grundlegend geändert.

„Die Leute hier im Ort sind sehr verunsichert“, sagt ein Nachbar. Zuletzt habe sich der Motorradclub schon ziemlich verändert im Vergleich zu früher. Nun wisse man gar nicht, was auf das Dorf noch zukommt. „Wir sind eine ländliche Gemeinde, um das Gebäude herum spielt sich das traditionelle Leben ab im Ort. Dieses Rockermilieu passt überhaupt nicht zu uns“, macht eine andere Anwohnerin ihre Unsicherheit deutlich. Auch die Tatsache, dass in dem Gebäude zusätzlich ein Tattoo-Studio eröffnet habe, sei fragwürdig. „Wer will sich bei uns schon ein Tattoo stechen lassen?“, fragt sie sich.

Im Rathaus von Tuntenhausen sieht man die Sache ebenfalls alles andere als entspannt. Bürgermeister Georg Weigl (CSU/FWG), selbst ein Schönauer und daher mit der Situation vor Ort vertraut, findet im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen deutliche Worte: „Die brauchen wir hier nicht“, bezieht er Stellung.

Rein rechtlich hat die Gemeinde nichts in der Hand, um zukünftige Treffen der Rocker zu untersagen. „Früher war eine Metzgerei in dem Gebäude, jetzt ist es ein Tattoo-Studio. Ein Gewerbe hat das andere abgelöst“, erläutert Weigl. Das sei gemäß Bebauungsplan für dieses Gebiet absolut zulässig.

In jedem Fall will die Gemeinde nun alles in ihrer Macht Stehende versuchen, um die Hells Angels wieder loszuwerden. Wie genau man das anstellen wolle, konnte Weigl nicht beantworten. Die Entschlossenheit in seiner Stimme ist jedoch nicht zu überhören, wenn er sagt: „Wir wollen so ein Klientel hier nicht!“.

Infoveranstaltung am 31. Juli geplant

Bei einer Bürgerversammlung am Mittwoch, 31. Juli, will der Bürgermeister die Einwohner von Schönau zum Stand der Dinge informieren und mit ihnen über das weitere Vorgehen diskutieren. Mit dem Gebäudeeigentümer Thomas Gaar habe er zwar versucht, das Thema zu besprechen, so Weigl. „Aber wir sind da auf keinen grünen Zweig gekommen, das war nur ein kurzes Gespräch. Ich denke, er schätzt die Situation falsch ein“, sagt der Rathauschef.

„Das sind doch
anständige Leute“

In einem Telefonat mit den OVB-Heimatzeitungen vermittelt Gaar den Eindruck, er könne die ganze Aufregung nicht nachvollziehen. Es seien die Red Devils, also ein anderer Motorradclub, die sein Haus als Treffpunkt nutzen. Diese „anständigen Leute“ kenne er seit Jahren, von denen gehe keinerlei Gefahr aus. Die Mitglieder der Hells Angels seien sozusagen Gäste bei der Veranstaltung gewesen, so Gaar.

Diese Sichtweise hat der Metzgermeister allerdings ziemlich exklusiv. „Wir haben unsere Pressemitteilung nicht umsonst mit der Schlagzeile überschrieben, dass die Hells Angels ein Clubheim in Tuntenhausen eröffnen“, verdeutlicht Polizei-Pressesprecher Stefan Sonntag. Es habe in einschlägigen Foren auch entsprechende Ankündigungen gegeben.

„Wir werden immer mal vorbeischauen“

Eine kurze Recherche im Internet zeigt, dass sich Hells Angels und Red Devils sehr nahestehen. So verwundert es nicht, wenn Sonntag ankündigt: „Wir behalten die Situation im Auge und werden immer mal vorbeischauen, vor allem bei Veranstaltungen sind wir präsent.“ Vielleicht erfüllt sich so die Hoffnung der Schönauer, dass es den Rockern in der ländlichen Idylle irgendwann zu ungemütlich wird.

Das sind die Hells Angels und Red Devils

Die Hells Angels wurden 1948 in den USA gegründet. Seit 1973 gibt es den Motorrad- und Rockerclub in Deutschland. Immer wieder geraten die „Höllenengel“ mit der Polizei aneinander, vor allem aber gibt es blutige Revierkämpfe mit anderen Rockergruppen. Die Rocker werden von Ermittlern mit verschiedenen Straftaten in Verbindung gebracht, unter anderem mit Waffen- und Drogenhandel, Schutzgelderpressung und Prostitution. Sich selbst bezeichnen die Hells Angels als „Gesetzlose“ – Motorradfahrer, für die nur ihre eigenen Regeln gelten und die „Rocker-Familie“ über allem steht.
Der Red Devils MC gilt als der größte und wichtigste Supporter-Club der Hells Angels, betont aber seine Eigenständigkeit. Behörden jedoch vertreten die Ansicht, der Club sei klar den strengen Befehlsstrukturen der Hells Angels unterworfen.

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