Bilderbuch bayerischer Lebensart

von Redaktion

Eine Visitenkarte von besonderer Güte für die Pflege bayerischen Brauchtums und Heimatverbundenheit: Der Wiesn-Aufzug am Samstag zur Eröffnung des Rosenheimer Herbstfestes wurde diesem Anspruch wieder einmal absolut gerecht.

Wiesn-Fans: Alfons Döser, Ehrenvorsitzender des Wirtschaftlichen Verbandes, mit Ehefrau Hermine und Enkelin Charlotte.

Rosenheim – Die Rahmenbedingungen hätten besser nicht sein können. Ein beinahe wolkenloser weiß-blauer Himmel, Herbstsonne und Tausende, die die Straßen säumten, durch die sich der Festzug in Richtung Loretowiese bewegte. „Es passt heute einfach alles wunderbar“, meinte Reinhold Frey, der Vorsitzende des Wirtschaftlichen Verbandes für die Stadt und den Landkreis Rosenheim (WV), der auch heuer wieder Ausrichter des Festes ist. Wiesnmanager Klaus Hertreiter hatte derweil schon eine beachtliche Strecke mit dem Radl zurückgelegt, um bei der Aufstellung des Festzuges nach dem Rechten zu sehen und sich davon zu überzeugen, dass auch alles passt.

Vielzahl von

Erinnerungsfotos

Der Wiesn-Aufzug glich einmal mehr einem Bilderbuch, das bayerische Lebensart eindrucksvoll dokumentiert. Zahlreiche Musikkapellen mit ihrem klingenden Spiel, Gebirgsschützen und Trachtler im traditionellen Gewand, die Bäcker- und die Metzgerinnung, die Festkutschen mit prächtig herausgeputzten Pferden und dazwischen die Bedienungen, die in den nächsten beiden Wochen Hunderttausende durstiger Kehlen in den Bierhochburgen versorgen werden – das Drehbuch für den Herbstfest-Auftakt bedarf in der Tat keiner großartigen Änderungen, um Jahr für Jahr Menschen aufs Neue zu begeistern. Die Vielzahl der Erinnerungsfotos, die geschossen wurden, und die nicht minder große Zahl applaudierender Hände waren der eindrucksvollste Beweis dafür, was ein Urlauber-Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen auf einen kurzen Nenner brachte. „So schön können nur die Bayern feiern.“

Letzter Einsatz für

Polizeipferd „Vulkan“

Eine Feststellung, der Dirk Steinebach, neuer Geschäftsführer der Auerbräu-Brauerei, nicht widersprechen wollte. Der gebürtige Rheinländer, der aus der Gegend von Koblenz stammt, nahm heuer erstmals in der Kutsche der Brauerei Platz und genoss das Spektakel zusammen mit seiner Ehefrau Sonja Bartl und seinem Geschäftsführer-Kollegen Thomas Frank und dessen Frau Marliese sichtlich. „Feiern sind wir Rheinländer ja vom Karneval her gewohnt“, meinte Steinebach und ist deshalb zuversichtlich, den Anforderungen des Wiesnbetriebes absolut gewachsen zu sein.

Für zwei Teilnehmer war der Herbstfest-Aufzug mit Abschied verbunden. Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer, deren Amtszeit nächstes Jahr endet, war zum letzten Mal in offizieller Funktion dabei. Das gilt auch für einen Vierbeiner, der Bauer sehr ans Herz gewachsen ist und deswegen auch eine Extra-Streicheleinheit von der Rathauschefin für seinen letzten Wiesneinsatz erhielt: Polizeipferd „Vulkan“, heuer geritten von Christian Stöhr. Der Hannoveraner ist das dienstälteste Polizeipferd in Bayern und mittlerweile 21 Jahre alt. Es darf sich, ebenso wie die Oberbürgermeisterin, auf den baldigen Ruhestand freuen.

Freude pur wurde auf der Loretowiese spürbar, wo sich zur Festeröffnung ebenfalls eine große Menschenmenge eingefunden hatte. Da durfte auch die Lokalprominenz nicht fehlen. Gekommen waren unter anderem die Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig, ihre Landtagskollegen Otto Lederer, Klaus Stöttner, Martin Hagen, Andreas Winhart und Franz Bergmüller, August Voit, Sprecher der Landkreis-Bürgermeister, sowie Polizeipräsident Robert Kopp und seine Stellvertreterin Eva Schichl.

Die Redner

fassten sich kurz

Besonders erfreulich: Weil es gegen Mittag hin zunehmend wärmer und die Sehnsucht der Besucher nach einem ersten Schluck aus einer frischen Mass immer größer wurde, hielten sich die Redner kurz. Hermann Tomczyk, Vorsitzender des Herbstfestausschusses im WV, nannte den Wiesn-Aufzug schlichtweg eine „Augenweide“ und lobte das gute Miteinander von Stadt und Land, das wesentlich für das Gelingen des Festes sei: „Es ist Teil unseres bayerischen Lebens und unserer Heimat. Wir haben die bodenständigste, familienfreundlichste und weltoffenste Wiesn“, zeigte er sich überzeugt. Miss Herbstfest Sabrina Zehrer griff angesichts der Hitze noch schnell zur Wasserflasche, ehe sie die Versammelten in ihrer Eröffnungsrede wissen ließ, welch große Freude ihr das Amt bereitet. Sie sei schon als Kind immer gerne aufs Herbstfest gegangen. „Miss Herbstfest zu sein, da geht für mich ein Traum in Erfüllung“, sagte die 22-jährige Studentin aus Prutting.

„Sie ist vorbei.“ Mit dieser schlichten Feststellung spielte stellvertretender Landrat Josef Huber auf die manchmal schier endlos lang erscheinende Wartezeit in den letzten Tagen vor Wiesnbeginn an und brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, dass der Herbstfest-Start bei „Kaiserwetter“ erfolgen könne. Seinen Wunsch nach einem friedlichen Verlauf unterstrich Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer, die in ihrem Grußwort auch einen Dank für den Einsatz der Polizei und der Hilfsorganisationen aussprach. Der Wirtschaftliche Verband durfte sich ebenso über ein dickes Lob aus dem Mund der Rathauschefin freuen. „Ihr macht das wirklich immer wieder grandios.“

Fanfarenklänge

und Dreifachsalut

Dann ging alles ganz schnell. Fanfarenklänge, ein dreifacher Salut und Marschmusik, zu deren Klängen Bauer ins Flötzinger-Zelt zog und sich der stellvertretende Landrat in Richtung Inntalhalle begab. Bauer stach das erste Fass mit zwei Präzisionsschlägen an, Josef Huber brauchte deren drei. Endlich war „ozapft“, die Musikkapellen spielten das erste Prosit, das Wiesn-Märzen floss gleich zu Beginn des 16-tägigen Traditionsfestes in Strömen. Jetzt hatte das Warten Tausender auf diesen besonderen Moment wirklich ein Ende gefunden.

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