Fürs Selfie an den Abgrund

von Redaktion

Zahl der Bergunfälle steigt mit der Risikobereitschaft immer weiter

Rosenheim/Landkreis – Vor allem bei schönem Wetter sind die Einsätze vorprogrammiert: Die Bergwachtler aus der Region sind als Retter in der Not gefragt, wenn jemand einen Unfall hat oder in Schwierigkeiten gerät. In vielen Fällen begleitet ein Rettungshubschrauber den Einsatz. Der Blick in die Statistik der Bergwacht Bayern zeigt, dass die Zahl der Helikoptereinsätze mit jedem Jahr zunimmt. Die Gründe dafür sind vielfältig und in manchen Fällen abstrus.

Besonders auffällig ist, dass vor allem in den Sommermonaten immer öfter ein Hubschrauber von den Rettern angefordert wird. Für das Jahr 2006 verzeichnete die Bergwacht Bayern noch 467 Flüge. Im vergangenen Jahr waren es 933 Einsätze, also genau doppelt so viele wie zwölf Jahre zuvor.

Mehr Risiko in der Freizeit als früher

„Dieser Anstieg ist signifikant und hängt mit dem veränderten Freizeitverhalten der Menschen zusammen“, sagt Thomas Griesbeck, stellvertretender Geschäftsführer der Bergwacht Bayern. Vor allem beim Wandern, Bergsteigen und Mountainbiken komme es immer öfter zu Unfällen. „Die Leute sind zunehmend auch abends und sogar nachts unterwegs, da ist es einfach gefährlicher“, so Griesbeck. Zudem gebe es immer mehr Bikeparks, bei denen naturgemäß die Unfallgefahr mitfahre.

Ein solcher Bikepark befindet sich am Samerberg, was Matthias Pummerer und seine Kollegen von der dortigen Bergwachtstation tatsächlich viel Arbeit beschert. „Fast bei der Hälfte unserer Einsätze versorgen wir einen verletzten Mountainbiker“, bilanziert der Bereitschaftsleiter der Bergwacht Rosenheim-Samerberg.

Dort verzeichnet man laut Pummerer ebenfalls einen stetigen Anstieg der Einsatzzahlen. „Auffällig ist für uns, dass sich die Verteilung geändert hat. Früher hatten wir etwa drei Viertel unserer Einsätze am Wochenende. Inzwischen sind es an den Tagen unter der Woche annähernd genauso viele“, erläutert Pummerer. Das sei eine zunehmende Herausforderung, da die Bergwachtler immer öfter ihren Arbeitsplatz verlassen müssten, um zu einem Einsatz zu fahren.

„In der Nähe der Berge arbeiten“

Diese Erfahrung bestätigt Markus Anker, Bereitschaftsleiter der Bergwacht Oberaudorf-Kiefersfelden. „Es ist schon schwierig, an einem normalen Arbeitstag Leute für einen Einsatz zu bekommen. Um schnell zu helfen, muss man ja in der Nähe der Berge arbeiten“, sagt Anker, der selbst bei der Raiffeisenbank Oberaudorf tätig ist.

Ein besonderes Thema sind die E-Biker, die in immer größerer Zahl in den Bergen anzutreffen sind. „Ich schätze, dass inzwischen jeder zweite, mindestens aber jeder dritte Mountainbiker bei uns mit Motor unterwegs ist“, so Anker. Erstaunlicherweise könne man bislang aber nicht feststellen, dass durch diese Freizeitsportler die Zahl der Unfälle gestiegen ist. „Wir wundern uns fast selbst ein bisschen darüber, dass da nicht mehr passiert.“

Genauso ergeht es auch David Pichler, dem Geschäftsführer der Bergwacht Region Chiemgau. „Die Zahl der E-Biker steigt rapide an, und in vielen Fällen sind es Leute, die noch nicht oft in den Bergen unterwegs waren“. Gemessen am hohen Andrang auf den Strecken komme es tatsächlich zu erstaunlich wenigen Unfällen, an denen ein E-Bike-Fahrer beteiligt ist.

Ein besonderes Phänomen können Pichler und seine Kollegen im Berchtesgadener Land beobachten, insbesondere in der Gegend um den Königssee. Dort begeben sich völlig unerfahrene und schlecht ausgerüstete Touristen immer öfter in Gefahr, um ein spektakuläres Bild für ihre Social-Media-Kanäle zu schießen. „Die bereiten sich nicht auf eine Bergtour vor, sondern gehen einfach mal los. Da ist schnell etwas passiert“.

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