Hohe Geldstrafe für Schuldirektor

von Redaktion

Amtsgericht verurteilt Chef der Dientzenhofer-Realschule wegen Untreue

Brannenburg/Rosenheim – Wegen Untreue, Beleidigung und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz hat das Amtsgericht Rosenheim den Direktor der Dientzenhofer-Realschule in Brannenburg zu einer Geldstrafe von 27000 Euro verurteilt. Ein ebenfalls angeklagter Lehrer wurde der Beihilfe zur Untreue schuldig gesprochen. Er muss 10200 Euro zahlen. Die beiden hatten mittels Scheinrechnungen 5000 Euro aus einem EU-Förderprojekt für sich selbst abgezwackt.

Berufung wurde bereits eingelegt

Wer sich von dem Urteil des Amtsgerichts einen Schlusspunkt unter einen juristisch verwickelten Fall erhofft hatte, sah sich getäuscht. Sowohl beide Angeklagte wie auch die Staatsanwaltschaft haben bereits Berufung gegen das Urteil eingelegt. Das Landgericht Traunstein wird sich mit der Angelegenheit noch einmal befassen müssen. Zudem laufen Disziplinarverfahren gegen beide Lehrer.

Ausgangspunkt war ein Schüleraustausch mit Ungarn, den die Dientzenhofer-Realschule schon seit 2011 durchführt (wir berichteten). Die EU hatte das Comenius-Projekt mit 74000 Euro bezuschusst – 5000 Euro mehr als an Kosten überhaupt veranschlagt waren. Der Direktor der Realschule, Marcus Hochmuth, war nach eigenen Angaben der Meinung, die 5000 Euro stünden ihm und einem Kollegen (49) als Honorar für ihren Arbeitsaufwand zu. 800 Arbeitsstunden soll allein der Direktor in den Austausch investiert haben. Eine Mitarbeiterin der Kultusministerkonferenz in Bonn, die für die Genehmigung der EU-Förderung zuständig ist, habe am Telefon bestätigt, dass ein solches Honorar zulässig sei.

Wilhelm Kürzeder, Ministerialbeauftragter für die Realschulen in Oberbayern-Ost und damit der zuständige Vorgesetzte, lehnte die nachträgliche Honorarforderung allerdings ab. Allenfalls Sachaufwendungen für die Schule seien möglich.

Nun wurden die beiden Pädagogen kreativ: Sie kauften für das Geld einen Computer und eine Kamera, reichten die Rechnungen ein – und schickten die Lieferungen sofort wieder zurück. Den rückerstatteten Kaufpreis behielten sie einfach für sich. Bei einem Besuch des Ministerialbeauftragten, der Kamera und Computer sehen wollte, flog der Schwindel allerdings auf.

Sibyllinische Zeugenaussage

Waren die beiden Pädagogen nun berechtigt, sich aus dem EU-Geld ein Honorar auszuzahlen? Antwort auf diese entscheidende Frage erhoffte sich das Gericht von der Bonner Sachbearbeiterin, die nun am zweiten Verhandlungstag als Zeugin aussagte. Sowohl der angeklagte Schulleiter als auch dessen Lehrer-Kollege hatten sich darauf berufen, dass diese Zeugin gesagt habe, die 5000 Euro stünden ihnen als Entschädigung zu.

Genau das Gegenteil hatte der Ministerialbeauftragte Wilhelm Kürzeder am ersten Verhandlungstag ausgesagt. Ihm zufolge hatte die Sachbearbeiterin einem seiner Mitarbeiter gegenüber die Auskunft gegeben, das Geld dürfe nicht für Personalkosten ausgegeben werden.

Die Zeugin gab Überraschendes bekannt: „Wenn wir Gelder einmal bewilligt und überwiesen haben, wie in diesem Fall, dann ist die Sache für uns als im Auftrag der EU national ausführendes Organ erledigt. Wir verlassen uns darauf, dass diese Gelder dem Förderungszweck angemessen verwendet werden.“ In der Kernfrage, was denn nun gelte – berechtigte Inanspruchnahme als Honorar, wie von der Verteidigung erklärt – oder zwingende Verwendung für Sachaufwendungen, wie vom Ministerialbeauftragten behauptet – kam von der Zeugin ein nebulöses „Sowohl-als-auch“.

Die Streitfrage, die der Verteidiger Rechtsanwalt Hartmut Wächtler aufwarf, lautete: Wenn der Betrag von der EU gewissermaßen nach Gutdünken vergeben worden war, so gab es überhaupt keinen Geschädigten – und ohne Geschädigten keine Straftat.

Die Staatsanwaltschaft dagegen argumentierte, dass mit der Überweisung des Geldes auf das Konto der Ministerialbehörde der Betrag beim Freistaat Bayern gelandet sei und somit dieser als geschädigt gelten müsse. Somit sei der Tatbestand der Untreue erfüllt. Mit dem Scheinkauf der Geräte habe es auch den Tatbestand des Betruges gegeben.

Der Vorwurf, eine Lehrerin massiv beleidigt zu haben, hatte der Direktor eingeräumt. Zudem kam nun der Vorwurf eines Verstoßes gegen das Waffengesetz. Ermittler hatten bei einer Durchsuchung im privaten Tresor des Direktors und seiner Ehefrau eine funktionsfähige Browning-Pistole gefunden. Die halbautomatische Waffe hatte die Ehefrau geerbt. Eine waffenrechtliche Erlaubnis gab es nicht.

Da der Direktor fraglos Kenntnis von der Waffe gehabt habe, sei auch ein Verstoß gegen das Waffengesetz nachgewiesen, so die Staatsanwaltschaft. Sie beantragte deshalb insgesamt eine Haftstrafe von 15 Monaten. Diese könne zur Bewährung ausgesetzt werden. Dazu müsse eine Geldbuße von 5000 Euro kommen. Der mitangeklagte Lehrer könne wegen geringerer Schuld mit acht Monaten davonkommen, die man ebenfalls zur Bewährung aussetzen könne.

Verteidiger
wollten Freisprüche

Verteidiger Wächtler führte aus, dass das Geld von der EU keineswegs dem bayerischen Staat „geschenkt“ worden sei und rechtmäßig an seinen Mandanten und dessen Kollegen weitergegeben hätte werden müssen. Damit sei der Betrugsvorwurf hinfällig. Insoweit beantragte er Freispruch. Auch dass sein Mandant von der Waffe im Tresor gewusst habe, sei nicht bewiesen. Auch hier sei ein Freispruch angemessen. Lediglich die Beleidigung, die sein Mandant sehr bedauere, sei mit einer angemessenen Geldstrafe zu ahnden.

Rechtsanwalt Alexander Kraffczyk, der Verteidiger des mitangeklagten Lehrers, schloss sich der Argumentation seines Vorredners an und beantragte ebenfalls Freispruch.

Richter Christian Merkel stellte in seiner Urteilsbegründung allerdings klar, dass nach seiner Auffassung die Behörde des Ministerialbeauftragten das Entscheidungsrecht über die infrage stehenden Gelder ausübte. Ob diese Entscheidung richtig gewesen sei, könne das Gericht nicht abschließend beurteilen. Allerdings könne es nicht angehen, dass die Angeklagten mittels eines Scheinkaufes sich dieses Geld erschlichen hätten.

Deshalb sei der Direktor wegen Untreue, sein Kollege wegen Beihilfe zur Untreue zu verurteilen gewesen. Hätten diese sich an den rechtlich richtigen Beschwerdeweg gehalten, so sei es durchaus möglich, dass sie damit Erfolg gehabt hätten. Deshalb sei das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass es mit einer – allerdings deutlichen – Geldstrafe sein Bewenden haben könne. Zumal auf die Angeklagten fraglos noch eine beamtenrechtliche Disziplinarstrafe zukomme.

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