Ein Bote der klimatischen Veränderung

von Redaktion

Ihre Zeichnungen in Gelb und Schwarz sind wie ein Fingerabdruck einzigartig, ihr Gift ungefährlich: Die Wespenspinne, die sich in der 101. Folge der OVB-Serie „Safari daheim“ präsentiert, ist mittlerweile in fast allen mitteleuropäischen Ländern heimisch geworden.

Rosenheim – Die Wespenspinne (Argiope bruennichi) gehört zur Familie der Radnetzspinnen und ist somit eng verwandt mit der Kreuzspinne. Konnte man vor 50 Jahren diese Spinne nur in ihrem ursprünglichen Vorkommen im warmen Mittelmeerraum antreffen, so hat sie ihr Areal von Süden nach Norden in einigen Jahrzehnten gewaltig vergrößert. Zwischenzeitlich ist sie in ganz Deutschland anzutreffen – ja sogar in fast allen mitteleuropäischen Ländern.

Ähnlich wie die Türkentaube, die 1947 erstmals in Wien als große Sensation auftauchte und zwischenzeitlich in Südschweden angekommen ist, kann man auch die Wespenspinne als Indikator für eine langsame aber sichere klimatische Veränderung bezeichnen.

Bei der Wespenspinne gibt es mit anderen heimischen Spinnen keine Verwechslungsgefahr. Keine weitere Spinne der Region weist das gelbschwarze Streifenmuster auf silbrig-weißem Untergrund auf. Wie bei Zebra- oder Tigerfellen sind die Zeichnungen jeder Spinne einmalig und wie bei einem Fingerabdruck gleicht keiner exakt dem anderen. Die gestreifte Schönheit bezieht sich nur auf das bis 2,5 Zentimeter große Weibchen. Das Männchen hingegen erreicht eine Maximalgröße von sechs Millimetern. Es ist völlig unscheinbar hellbraun ohne jegliche auffällige Streifen gefärbt.

Die Wespenspinne bevorzugt wärmebegünstigte störungsarme Standorte mit niedrigen, halbhohen strukturreichem Pflanzenbewuchs wie an Dämmen, auf Öd- und Brachland, aber auch auf Feuchtwiesen. Der Durchmesser ihres raffiniert gesponnenen Netzes liegt meist zwischen 30 und 40 Zentimetern. Circa 40 Minuten benötigt sie zur Fertigstellung.

Das Netz der Wespenspinne lässt sich leicht von dem ähnlich gebauten Netz der Kreuzspinne durch eine Besonderheit unterscheiden: Ober- und unterhalb der Netzmitte wird ein dichtes Zick-Zack-Geflecht – ein sogenanntes Stabiliment – eingewebt. Ob dieses wirklich zur Stabilisierung des Netzes beiträgt oder der Tarnung der Spinne dient, darüber sind sich die Fachleute noch nicht einig.

Heuschrecken

als Hauptbeute

Im Zentrum des Radnetzes wartet die Spinne Tag und Nacht auf ihre Beute. Es ist eine taktische Position, dass die Fanghöhe zwischen 20 und 70 Zentimetern liegt, denn ihre bevorzugte Hauptbeute sind Feld-Heuschrecken, obwohl sie auch andere Insekten bis zur Libellengröße nicht verschmäht.

Geschlechtsreif werden die Wespenspinnen von Juli bis August. Zur Paarung nähert sich das Männchen dem auf dem Stabiliment sitzenden Weibchen sehr vorsichtig mit zuckenden Bewegungen. Ist das Männchen in der Mitte angekommen, hebt das total passive Weibchen nur den Körper an, sodass das Männchen anschließend in diesen Zwischenraum kriechen kann.

Noch während der Paarung erwacht das Weibchen aus seiner Lethargie und versucht das Männchen zu fressen. Nur selten gelingt diesem die Flucht. Dieses Verhalten gilt in der Bevölkerung als typisch für Spinnen, wofür oftmals die Schwarze Witwe ins Feld geführt wird, die ebenfalls nach der Paarung das Männchen verzehrt. In Wirklichkeit ist diese Verhalten aber nur selten bei Spinnen zu beobachten. Die meisten Arten gehen nach der Paarung wieder friedlich ihre eigenen Wege.

Das erfolgreich befruchtete Weibchen beginnt ab Mitte August mit dem Bau eines Kokons. Wohlgenährte Wespenspinnen beginnen damit früher als schlecht genährte. Sie spinnen bis zu drei Kokons, um insgesamt 300 bis 400 Eier abzulegen. Noch im Spätherbst schlüpfen die Jungspinnen. Sie verbleiben aber in dem gut getarnten Gewebe und überwintern dort auch. Das Spinnenweibchen ist bis dahin schon längst verendet.

Frühling sorgt für Aufbruchstimmung

Wenn die Frühlingssonne die Luft lange genug erwärmt hat, verlassen die Minispinnen ihren braun-grauen Kugel-Kokon und versammeln sich in einer dichten Traube. Nach ein paar Tagen häuten sie sich, und jedes Tier geht seine eigenen Wege.

Zu diesem Zweck klettern sie auf einen hohen Grashalm, erzeugen einen längeren Spinnfaden, und wenn der Wind weht, schweben sie wie mit einem Segel durch die Luft. Auf diese Weise erreichen nicht nur Wespenspinnen, sondern viele andere Spinnenarten auch die entlegensten Gebiete.

Wie fast alle Spinnenarten produzieren auch Wespenspinnen ein Gift, das zum Töten ihrer Beute dient. Sie ist jedoch eine für den gesunden Menschen völlig ungefährliche Spinnenart. Wespenspinnen sind zwischenzeitlich weit verbreitet, ihr Bestand wird als ungefährdet eingestuft.

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