Der Aufbau eines Storchennestes

Forstinger Storchenbrut tot

von Redaktion

Plastik im Nest dafür verantwortlich? Experten widersprechen Theorie

Pfaffing – Die Jungstörche von Gut Forsting sind tot. Dies bestätigt Brauereichef Schorsch Lettl auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen. War Plastikmüll, den die Elterntiere im Nest verbaut hatten, schuld? Ist der Nachwuchs nach Starkregen darin ertrunken? Anwohner Bernd Brosig, der die Tiere interessiert beobachtet, glaubt an diese Theorie. Vertreter vom Landesbund für Vogelschutz dagegen halten das „für sehr unwahrscheinlich“. Der Brutverlust hängt vermutlich mit dem Wetter zusammen. Schon vergangenen Sommer hatte die Storchenbrut nicht überlebt. Weil es Ende Juni plötzlich still rund um das Storchennest, das sich ganz oben auf dem unbenutzten Kamin des Sudhauses befindet, geworden war, ließ ein Gast der Brauereiwirtschaft eine Drohne hochfliegen. Die Aufnahme zeigte die toten Jungvögel im Nest (wir berichteten).

Trockenübungen

am Nestrand

Und auch heuer haben es die im Frühjahr geborenen Weißstörche nicht über den Sommer geschafft. „Das ist sehr schade“, sagt Bernhard Brosig, der die Störche von seinem Schlafzimmerfenster aus gut beobachten kann. Er sieht, wann die Altvögel an- und abfliegen und die Kleinen Trockenübungen am Nestrand machen. Im April habe sich der erste Storch ins Nest gesetzt, vier Wochen später habe sich ein Partner dazu gesellt, kurz darauf kam die Brut dazu, so Brosig.

Anfang August muss der Todeszeitpunkt der Jungtiere gewesen sein. Um den 24. August fand der große Flohmarkt in Gut Forsting statt. „Da hatten sich die Elterntiere schon ein paar Wochen nicht sehen lassen. Da müssen die Kleinen schon tot gewesen sein“, so Brosig. Störche seien treue Tiere und gute Eltern, die auch um den Nachwuchs trauern. „Beim Flohmarkt kamen sie wieder und saßen dort oben. Sie haben wohl eine Art Trauertag eingelegt“, mutmaßt Brosig.

In Fachzeitschriften habe er gelesen, dass Störche, wie auch andere Vögel, Plastikmüll oder Folienstücke in ihr Nest einbauen. Er halte es für naheliegend, dass die Plastikteile das Nest so verdichtet haben, dass der Nachwuchs nach Dauerregentagen darin ertrunken sein muss.

Trockenheit als

großes Problem

Dass die Jungen im Horst ertrinken, hält Martin Walter, Kreisgruppenvorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) in Rosenheim, für unwahrscheinlich. Häufiger kämen Hitzschlag oder Tod durch Verdursten vor, wenn es sehr heiß sei. „Bei Trockenheit schaffen es die Alten nicht, genügend Nahrung und Frösche zu finden“, so Walter. Auch in nasskalten Perioden finden die Elterntiere nicht ausreichend Futter für die Storchenkinder. „Dann ist zu wenig Fett an den Jungtieren und sie erfrieren“, sagt der Rosenheimer.

Oda Wieding ist beim LBV Expertin für Weißstörche in Bayern. Die Starkregenereignisse im vergangenen Jahr sowie heuer im Frühsommer seien mit schuld am Sterben der Jungtiere. Sie spricht von mehreren Regenfronten im Mai und Juni 2019 und vor allem in Oberbayern von bis zu 50 Prozent Brutverlust durch die heftigen Niederschläge.

„Ein Altvogel versucht, die Jungen vor dem Regen abzuschirmen und auch warm zu halten. Der zweite Altvogel müsste eigentlich zur Nahrungssuche fliegen, kommt aber mit dem nassen und dadurch schweren Gefieder selber kaum in die Luft, wartet auf eine Regenlücke und wartet… und wartet … und so kommt es vor allem zu Nahrungsmangel“, wie Wieding erklärt. Die Jungen werden von oben und von der Seite her nass und kühl. Dazu dann der Nahrungsmangel – das kann bei zwei Tagen Dauerregen entsprechend schon zu viel sein, so Wieding.

Es trifft besonders die Jungstörche im Alter von drei bis vier Wochen. Weil diese schon fast hühnergroß sind, kann sie der Altstorch nicht genügend abschirmen. In diesem Zeitraum beginnt die Hauptwachstumsphase der Kleinen. „Eigentlich müssten sogar beide Altstörche zur Nahrungssuche fliegen. Jungstörche brauchen rund 500 Gramm Nahrung pro Tag. Bei fünf bis sechs Wochen alten Tieren steigt diese Menge auf bis zu einem Kilo pro Tag und Jungstorch an“, wie Wieding ausführt. Wenn die Bedingungen schlecht sind, überlebt, wenn überhaupt, nur das kräftigste Junge. „Das hört sich hart an, aber die Natur ist daran angepasst. In guten Jahren bringen die Störche dann auch mal drei, vier oder fünf Junge durch. Fast alle Vogelarten legen mehr Eier beziehungsweise produzieren mehr Junge, als im Schnitt groß werden.“

Naturferne Einschätzung

Die Storchenexpertin weiß, dass dieses Phänomen mit dem Zustand des Nestes „recht wenig zu tun hat“. Sie spricht gar von der „Mär von der Wasserdurchlässigkeit von Storchennestern, die schon seit Jahrzehnten durch die Szene geistert. Eine doch ziemlich naturferne Einschätzung“. In Bayern biete der Voralpenraum eher ungünstige Bedingungen für Weißstörche. Wieding spricht von einer indirekten Klimagrenze auf der Höhe von Memmingen nach München. Weiter südlich befinden sich nur noch einzelne Storchennester (mit Ausnahme der Klimadelle am Ammersee), da dort die Niederschlagsmenge ansteige und daher ungünstig sei.

Auf Nachfrage erklärt sie, Störche seien „nesttreu“. Solange der alte Standort existiert, besteht aus ihrer Sicht keine Notwendigkeit, eine neue Nisthilfe anzunehmen. Dazu müsste der alte Horst unbrauchbar sein.

Das Drohnenfoto kritisiert Wieding. Explizit sei im Naturschutzgesetz geregelt, dass die Tiere im Nest nicht gestört werden dürfen. Sie berichtet von einem Fall, bei dem die Altstörche von einer Drohne aufgeschreckt, bei Regen das Nest verlassen haben. Eine negative Auswirkung auf die Küken sei nicht auszuschließen.

Artikel 9 von 11