Traunstein/Rosenheim – Im Zentrum des Berufungsprozesses um den Unfalltod von Melanie Rüth (21) und Ramona Daxlberger (15) vom Samerberg vor dem Landgericht Traunstein standen gestern Aussagen der Ermittler, die mit dem Unfalldrama (siehe Kasten) befasst waren. Dabei ging es auch um die Frage, ob und wie weit das an der Unfallstelle in den Raum gestellte Stichwort „Rennen“ die Ermittlungen beeinflusst haben könnte.
Doch bevor der erste Polizist in den Zeugenstand gerufen wurde, übte Harald Baron von Koskull, Verteidiger von Daniel R., scharfe Kritik am Umgang der Polizei mit seinem Mandanten. Dieser sei nach dem Unfall „in unverhältnismäßiger Weise observiert“ und Kontrollen unterzogen worden, was von Koskull als „übertriebenen Diensteifer“ bezeichnete. Als möglichen Grund sah er eine „falsche Ermittlungshypothese“ seitens der Ermittler, nachdem Unfallfahrer Simon H. (27) das Wort „Rennen“ benutzt hatte.
Der erste Polizist am Unfallort schilderte dann, wie er nach dem Eintreffen am Unglücksort versucht habe, die 15-jährige Ramona Daxlberger auf der Rücksitzbank des Nissan Micra zu beruhigen, die um Hilfe gerufen und gesagt habe, dass sie ihre Beine nicht mehr spüre. Auch der Fahrer des hinteren BMW, der Angeklagte Sebastian M., habe sich um die Schwerverletzte gekümmert, während die anderen drei Insassen der BMW abseits gestanden hätten. Den Unfallfahrer aus Ulm habe er nur kurz befragen können: „Er hat benommen nur Wortfetzen wie ,Unfall – überholen – nicht reingelassen – Bumm‘ vor sich hingestammelt.“
Nachhaken wollte Richter Dr. Jürgen Zenkel vor allem bezüglich der ersten Ermittlungen, die in Richtung Rennen gegangen waren. „Hat denn, außer dem Unfallfahrer, irgendwer einen Ansatz für ein Rennen geliefert?“, fragte er, was der Beamte verneinte. Allerdings habe es weitere Zeugenaussagen gegeben, die bereits vor dem Unfall ein Rennen zwischen den beiden BMW beobachtet haben wollen.
Rennen oder Überholvorgang?
Verwunderung gab es zudem über eine Angabe des Ulmers, der wenige Tage nach dem Zusammenstoß geäußert hatte, die beiden BMW-Fahrer hätten sich ein Rennen geliefert, weshalb er letztlich ausgeschert und in den Gegenverkehr geraten sei. „Konnte dieser Widerspruch zur Angabe, der Golf-Fahrer habe die beiden BMW-Fahrer überholen wollen, später geklärt werden?“, wollte Zenkel wissen, was der Ermittler verneinte.
Stattdessen bestätigte ein weiterer Polizist, dass der Unfallfahrer noch an der Unglücksstelle angegeben hatte, von den BMW-Fahrern „nicht reingelassen“ worden zu sein. Später habe er den hinteren BMW-Fahrer, Sebastian M., vernommen, der „sehr emotionsgeladen“ und den Tränen nahe gewesen sei. Der Angeklagte habe seine Aussagen zu Tempo und Abständen mehrmals abgeändert, stets aber angegeben, „dass genügend Platz zum Einscheren gewesen ist“.
Ein weiterer Polizist schilderte dem Gericht Details aus der Vernehmung von Simon H. im Krankenhaus. Auch dort habe der Unfallfahrer angedeutet, dass er keinen Platz zum Einscheren gehabt habe, erläuterte der Beamte auf Nachfrage des Richters.
Zudem war der Polizist bei der Vernehmung des Beifahrers von Sebastian M. mehrere Tage nach dem Zusammenstoß anwesend. Dort seien die immer wieder abgeänderten Aussagen des Mannes auffällig gewesen. „Er wollte die Beschuldigten wohl nicht direkt in die Pfanne hauen“, sagte der Polizist. „Er hat erst auf Nachfragen zugegeben, dass wohl das Fahrverhalten nicht ganz so war, wie es hätte sein sollen.“ „Also zeigte der Zeuge gegenüber dem BMW-Fahrer so etwas wie Entlastungseifer?“, hakte Zenkel nach. „Ja, am Anfang schon“, antwortete der Polizeibeamte. Allerdings – das ging aus den Akten hervor – hatte der Beifahrer auch angegeben, dass die Lücke zum Einscheren groß genug gewesen sei. Eine Aussage, die sogar mit der Bemerkung „absolut glaubwürdig“ versehen war.
Durch die
Unfallstelle gefahren
Weshalb die BMW-Fahrer überhaupt ins Visier der Ermittlungen geraten waren, versuchte der Staatsanwalt zu erklären, der am Unfallabend zur Unglücksstelle gerufen worden war. Von einem Ersthelfer habe er am Unfallort aufgeschnappt, dass der Golf-Fahrer geäußert haben soll, am Einscheren gehindert worden zu sein. Diese Aussage sowie die „merkwürdige“ Tatsache, dass beide BMW-Fahrer noch durch die Unfallstelle gefahren seien, hätten ihn dazu veranlasst, die BMW-Insassen zu trennen, um mögliche Absprachen zu vermeiden.
Der Prozess wird am Dienstag, 29. Oktober, fortgesetzt.