Das Lebenswerk des Padre

von Redaktion

Wenn einflussreiche Menschen in Lateinamerika abtreten, hinterlassen sie oft nichts als verbrannte Erde. Bei Padre Sebastian Obermaier, gestorben 2016, ist das anders. Sein Lebenswerk wirkt weiter. Am 24. Oktober wäre der Rosenheimer 85 Jahre alt geworden.

Rosenheim/La Paz – Obermaier predigte Wasser – und trank Wasser, keinen Wein. Dazu gab es trockenes Brot. Er lebte spartanisch, schlief jahrzehntelang in einem Zimmer, in dem gerade einmal sein Bett Platz hatte, kämpfte unermüdlich gegen die Armut und für den Glauben.

Aber nicht nur deshalb war der Rosenheimer Seelsorger eine Berühmtheit in Bolivien und bekannt in ganz Lateinamerika. Denn der Mann, der am 24. Oktober 1934 in seinem Elternhaus am Rosenheimer geboren wurde, ist kein gewöhnlicher Pfarrer gewesen.

Eigentlich müsste man sein Leben verfilmen. Lebensretter, Arzt, Geburtshelfer, Zahnarzt, Sozialarbeiter, Baumeister, Straßenplaner, Staubekämpfer, Spielzeugsammler, Fernsehmoderator, Friedensstifter im Bürgerkrieg, Filmschauspieler, Comicfigur, Gitarrenspieler: Wenn der Zweck die Mittel heiligte, war Obermaier – Macher, Vaterfigur, Hoffnungsträger und sicher einer der außergewöhnlichsten Pfarrer der Welt – jede Rolle recht.

Mit Mini-Ambulanz
Verletzte gerettet

Als der Bürgerkrieg tobte, hat er mit seiner improvisierten Mini-Ambulanz sogar Verwundete aus Schützengräben geholt. Deshalb ist er 2003 auch zu Boliviens „Mann des Jahres“ gewählt worden. Ein Jahr zuvor baute er mit Hilfe der OVB-Leser fast ein Dutzend Schulen. Die Weihnachtsaktion 2002 unserer Zeitung war noch nicht zu Ende, da standen die Schulen schon – typisch Obermaier.

Doch im August 2016, beim Morgengebet um 6Uhr früh, Obermaier war gerade auf dem Sprung zur Frühmesse, blieb das Herz des fast 82-Jährigen stehen, den das Ordinariat längst in den Ruhestand hatte schicken wollen. Es war ein Herzinfarkt für die komplette Pfarrei, ja für ganz El Alto. Und die Kernfrage war: Wie sollte es nur weitergehen ohne den zupackenden Mann aus Oberbayern, der mit Überzeugungskraft und Tatendrang jedes Problem der Welt lösen konnte?

Obermaiers Hinterlassenschaft ist gewaltig: 1978 kam er aus Venezuela nach Bolivien, baute Kirchen, Schulen, Kitas und Altenhäuser, brachte viele Bildungs- und Sozialprojekte auf den Weg und erreichte mit seinem kirchlichen Fernsehkanal Millionen Menschen.

Über drei Jahre nach seinem Tod steht nun fest: Das Lebenswerk des Rosenheimer Pfarrers wird dauerhaft Bestand haben. Und es wird so fortgeführt, wie es sich der Padre gewünscht hatte.

Das ist unter anderem Eugenio Scarpellini, dem Bischof von El Alto, den vielen Helfern in seiner Pfarrei „Cuerpo de Cristo“ und den Unterstützern in der Rosenheimer Heimat zu verdanken.

Viele bürokratische Hürden waren zu nehmen, Stiftungen mussten neu gegründet und überarbeitet werden. Bischof Eugenio kam sogar extra nach Rosenheim, und das gleich zweimal, damit es weitergehen konnte.

Und es geht weiter. Der Aufzug zum zweiten Stock im Seniorenheim ist fast fertig. Er wird die Kapazität der Einrichtung verdoppeln – von 50 auf 100 Plätze für alte Menschen. Neuerdings kommen junge Leute ins Haus, die den Männern und Frauen im „Instituto Berlin“, ein improvisierter Friseursalon, kostenlos die Haare schneiden. Auch der Telemarathon zu Weihnachten, eine Erfindung des Padre, die bis zu 50000 armen Kindern zu Spielsachen verholfen hat, kommt wohl wieder zustande.

„Wenn mir vor drei Jahren jemand gesagt hätte, dass wir heute schon so weit sind, hätte ich das nicht geglaubt“, sagt Hans Obermaier, der Bruder des Padre, der sich in Rosenheim wie der Vereinsvorsitzende Georg Liegl unermüdlich in der „Stiftung Bolivienhilfe Padre Obermaier e.V.“ engagiert. Den Spendern können sie jetzt versichern, dass mit den Geldern auch in der Post-Padre-Zeit nicht nur Löcher gestopft, sondern Hilfe zur Selbsthilfe angestoßen wird.

Die Kirchen, Schulen, Kindergärten und Kitas sind voller Leben in Obermaiers Pfarrei Cuerpo de Cristo in El Alto, das zu einer Millionenstadt über La Paz herangewachsen ist. Viele bezeichnen El Alto auch als den ersten Stock der bolivianischen Hauptstadt auf 4000 Metern Höhe im Herzen Südamerikas.

Beim Pendeln zwischen erstem Stock und Parterre stehen täglich zehntausende Alteños, wie die Einwohner von El Alto genannt werden, im Stau. Auch das hatte Obermaier zu Lebzeiten keine Ruhe gelassen. Und so gehörten ihm 2011 wieder einmal die Schlagzeilen, als er den Verkehrsplanern in La Paz den Entwurf seiner „autopista elevada“, quasi eine Stadtautobahn auf Stelzen, präsentierte.

Morales gefällt sein Autobahn-Modell

Daraus wurde schließlich nichts. Aber laut Präsident Evo Morales, der 2016 der dreistündigen Trauerfeier für Obermaier vom Anfang bis zum Ende beiwohnte, ist die zweistöckige Obermaier-Autopista – der Entwurf erinnert an eine Carrera-Bahn – noch nicht vom Tisch. Auch das wird den Padre im Himmel freuen.

Kontakt: Hans und Carola Obermaier, Telefonnummer 08031/3043632; Georg Liegl, Telefon 08038/1607.

Gedenkmesse

Zum Gedenken an Padre Obermaier findet am Freitag, 25. Oktober, ein Gottesdienst in der St. Nikolauskirche in Rosenheim statt. Beginn ist um 18.30 Uhr.

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